Über die Heimat
Bei KS-Gesprächsrunde füllten sechs Bürger den Begriff mit Leben

Eppingen - Ein Begriff mit vielen Bedeutungen: Heimat heute. Sechs Eppinger unterhielten sich vor der Ausstellungseröffnung „Meine Heimat“ in der Kreissparkasse mit KS-Redaktionsleiter Peter Boxheimer.
Mit neun Jahren kam Nelli Haas aus Russland nach Deutschland. Lange dauerte es für die heutige Studentin, um sich wohlzufühlen. Schulwechsel, Sprachbarrieren, außerdem brauchte sie selbst eine Zeit der Eingewöhnung und Ruhe: Seit sie aber als Jugendliche Anschluss zu Gleichaltrigen gefunden hat, seit das Umfeld für sie stimmt, fühle sie sich zuhause. In Eppingen. Heimat: Für Nelli Haas ist das aber nichts, das man nur genießt. Wenn man sich zuhause wohlfühlen möchte, müsse man etwas tun: „Ich möchte aktiv sein und beitragen zum Leben in Eppingen.“ So wie mit ihrem Verein. Enttäuscht ist sie, dass „unsichtbare Mauern“ Alteingesessene und Zugezogene trennen.
Murat Lekesiz lebt seit über 20 Jahren im Kraichgau. „Ich bin Eppinger“, sagte der Sprecher der Mevlana-Moschee. „Es würde mir schwer fallen, die Stadt zu verlassen.“ Die Moschee sieht er nicht an als ein Stück türkische Heimat in Deutschland. „Es ist ein Stück Kultur, ein Stück Religion.“ Außerdem sei es ein Bekenntnis, dass die Menschen, die einst als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind, nun hier sesshaft werden. Die Jugendlichen in seiner Gemeinde hätten weniger Sprachprobleme als noch vor einigen Jahren, oft sprechen sie eine Mischung aus deutsch-türkischen Sätzen. Allerdings sagte Lekesiz auch: Der Wille, mit Deutschen zu reden, sei manchmal nicht mehr so ausgeprägt wie noch in seiner Generation.
Mit den türkischen Mädchen in der Klasse spricht Hanna Jungbauer sehr gern. Selbst im Chat-Zeitalter ist für die Gymnasiastin der Begriff Heimat sehr wichtig. „Das Internet kann Dinge der Heimat nicht wiedergeben.“ Der Dialekt, das Alltägliche: Das könne kein Computer ersetzen. So wie die Unterhaltung beim Metzger, meinte sie. Die Gymnasiastin schätzt sehr „die Geborgenheit und den Zusammenhalt“ in der Stadt. Heimat: Das ist für sie dort, wo Familie und Freunde sind.
Trachten, Dirndl, Blasmusik: Damit haben viele Bürger laut Reinhard Ihle noch vor Jahrzehnten den Begriff Heimat verbunden. „Es ist mehr“, sagte er. Es stehe nicht mehr für das Rückwärtsgewandte. Ihles Heimat-Definition rückt den Ort in den Mittelpunkt, an dem man sich wohlfühlt. Daher steht für ihn fest: „Heimat darf nicht an Sprache scheitern.“ Allerdings bedeute dies ebenfalls, dass man sich die Heimat erarbeite. Das Interesse an der eigenen Umgebung ist bei Kinder sehr hoch, bei Jugendlichen plötzlich nicht mehr. Für Ihle eine normale Entwicklung, denn mit 30, 40 Jahren kehre die Aufgeschlossenheit dafür zurück. Er spricht sogar von einer Renaissance des Interesses an Heimat.
So auch in Sachen Wirtschaft, wo sich die Menschen verstärkt für heimische Produkte interessieren, erzählte Georg Polster - für den Heimat die Gegend ist, in der man sich geborgen fühlt und einbringt. Sein Beispiel: Während der Pils-Welle in den 70ern hatte jedes Straßenfest einen Stand mit einer überregionalen Brauerei. „Der Trend hat sich gewandelt.“ Der Bürger wolle weg von Uniformität, er lehne eine Gleichmacherei ab. Das ist für örtliche Betriebe von Nutzen. Sie kennen die Kunden. „Wir müssen auf die Bedürfnisse eingehen.“
Als vielleicht als etwas konservativ bezeichnete sich Oberbürgermeister Klaus Holaschke, der aus Stebbach stammt und nach dem Studium in Ludwigsburg einige Jahre in Talheim als Kämmerer gearbeitet hatte. Die Zeit fernab der Geburtsstätte musste einfach enden: „Ich habe einen starken Drang zurück gespürt.“ Die Vernissage: Seite 34
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