Thomas Wachno, Vorreiter bei Craftbeer
Der Bad Rappenauer Brauer Thomas Wachno im Interview der Woche über Traditionen, Bierrebellen und zusätzliche Zutaten.

Hopfen und Malz, Gott erhalt"s: Die deutschen Brauer setzen aufs Reinheitsgebot, doch das will eine kleine Gruppe, die sich im Verein Kreativbrauer zusammengeschlossen hat, ändern. Zu den Gründungsmitgliedern gehört Thomas Wachno, Brauer beim Bad Rappenauer Häffnerbräu. Im Interview spricht er über Traditionen und den Geschmack der Verbraucher.
Zum Bild des Brauers gehört der Bierbauch. Wo ist Ihrer?
Thomas Wachno: Damit kann ich nicht dienen, alleine schon der vielen Treppen und der weiten Wege hier. Als Craftbeer-Brauer bräuchte ich noch einen Vollbart. Der ist aber nicht so meins.
Das Reinheitsgebot ist ein halbes Jahrtausend alt, und noch immer halten sich die deutschen Brauereien mit Stolz daran. Wie konservativ muss man als Brauer eigentlich sein?
Wachno: Muss man konservativ sein, nur weil etwas 500 Jahre alt ist? Wenn man es genau nimmt, gibt es den Namen Reinheitsgebot erst seit 1958. Damals suchte man nach einem Alleinstellungsmerkmal gegenüber ausländischen Bieren und wurde mit dem Namen Reinheitsgebot fündig. Alles geht auf den Erlass von 1516 zurück, der dafür sorgte, dass das gute Getreide, also der Weizen, nicht fürs Bierbrauen verschwendet wird, sondern ins Brot kommt.
Es blieb also nur die Gerste fürs Bier?
Wachno: Genau. Mit ihr lässt sich schlecht Brot backen, deshalb nahm man sie fürs Bier. Der zweite Grund war, dass man früher jede Art von Gewürz verwendet hat. Alles, was irgendwie berauschend war, wurde verbraut, was für die Gesundheit der Biertrinker sicherlich nicht immer förderlich war. Auch das wollte man mit dem Gebot eindämmen. Was viele nicht wissen: Schon 100 Jahre später wurden in Bayern wieder Salz und Koriander zugelassen.
Bedauern Sie, diese zwei Zutaten nicht verwenden zu dürfen?
Wachno: Es gibt super spannende Biere, wenn ich an die ganzen Witbier-Biere denke. In die gehören Salz und Koriander.
Haben Sie das schon selbst gebraut?
Wachno: Ich habe bislang nur einmal ein Bier außerhalb des Reinheitsgebots produziert. Das war eine Auftragsarbeit, wir haben das fertige Bier auf ganze Kaffeebohnen gelegt.
Wie hat es geschmeckt?
Wachno: Es war schon gut, aber kein Bier, das man literweise trinken kann. Das war eine Art Dessertbier.
Wie fanden Sie das richtige Verhältnis der Zutaten?
Wachno: Eine Bekannte von mir, die Biersommelière Irina Zimmermann, hat mich gebeten, es herzustellen. Wir haben es im kleinen Maßstab ausprobiert. Für mich lag der Reiz darin, es auszuprobieren. Ich hatte schon einmal so ein KaffeeBier getrunken, das hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Stört das Reinheitsgebot?
Wachno: Viele Verbraucher wissen gar nicht, was das Reinheitsgebot überhaupt bedeutet. Ich weiß nicht, ob man sich immer auf Traditionen berufen muss. Man darf auch mal etwas Neues ausprobieren. Wir telefonieren mittlerweile und machen keine Rauchzeichen mehr.
Ist das ein Grund, weshalb Sie den Verein der Kreativbrauer mitgegründet haben? Er versteht sich als Interessenvertretung für alle, die Durst auf Vielfalt haben.
Wachno: Bei Häffner bieten wir schon viel an, wenn auch alles innerhalb des Reinheitsgebots. Uns geht es im Verein um etwas anderes: Es gibt ausländische Sorten, zum Beispiel Fruchtbiere, die in Deutschland als Bier verkauft werden, die wir aber nicht brauen und als Bier verkaufen dürfen. Ich finde, dass hier etwas nicht stimmt, auch für so etwas machen wir uns stark.
Woran denken Sie da genau?
Wachno: Es gab den Fall einer kleinen, rebellischen Brauerei in Bayern, die ein Milk-Stout machte. Hier kommt Milchzucker hinein. Die Kollegen hatten aber das Problem der Verkehrsbezeichnung. Als Bier durften sie es nicht bezeichnen, ein Bier-Mischgetränk war es auch nicht. Dann gaben sie dem Getränk einen künstlichen Namen, nur damit es nicht mit Bier in Verbindung gebracht wird. Trotzdem haben die Lebensmittelbehörden ihnen viele Hindernisse aufgebaut. Am Ende hat die Brauerei die ganze Produktion vernichtet. Dem Zoll ist übrigens alles egal, solange er seine Steuern erhält. Inzwischen lässt die Brauerei das Bier in Österreich brauen, mit kleinen Änderungen beim Etikettendesign und beim Namen, und die Kuh ist vom Eis.
In welche Richtung würden Sie außerhalb des Reinheitsgebots gehen?
Wachno: Mich reizt der Einsatz von Früchten, seien es Kirschen oder Erdbeeren. Das dürfte aufwendig und teuer werden Es muss aber nicht gleich ein großer Sud sein.
Wie würden Verbraucher reagieren?
Wachno: Mit so einem Bier würde ich den Kunden sicherlich überraschen. Ich müsste auch viel Überzeugungsarbeit leisten und so manches erklären.
Wie kommen Sie darauf?
Wachno: Man hat immer das Gefühl: Sagt jemand, das ist Bier aus dem Ausland, dann wird immer der Einsatz chemischer Zutaten wie zum Beispiel Enzyme unterstellt. Das ist das Problem. "Nicht Reinheitsgebot" wird immer gleich mit "Chemie ist drin" verbunden. Das wollen wir nicht. Niemand will Chemie im Bier haben, ich auch nicht. Warum sind aber andere natürliche Rohstoffe wie Früchte oder Salz und Koriander verboten?
Fordern deshalb die Kreativbrauer ein sogenanntes Natürlichkeitsgebot, also den Einsatz natürlicher Zutaten?
Wachno: Wir wollen das Reinheitsgebot nicht vernichten. Es ist vom Grund her eine gute Sache. Aber wenn man ins Biergesetz schaut und sieht, was da alles erlaubt ist, muss man eigentlich nicht mehr übers Reinheitsgebot reden.
Wie meinen Sie das?
Wachno: Es fängt bei Filtration und Stabilisation an. Der Verbraucher ist es gewohnt, dass er ein klares Bier erhält. Das finde ich schade. Das Filtern würde ich als erstes abschaffen. Die ganzen Eiweiße und Hefen, die das Bier trüben, werden mit Kieselgur entfernt. Das ist ja noch natürlich und eine rein mechanische Sache. Dann kommen aber noch Stabilisierungsmittel hinzu, die auf Kieselgelbasis beruhen. Um noch längere Haltbarkeiten zu erreichen, filtern die Großbrauereien noch Gerbstoffe mit Polyvinylpolypyrrolidon heraus. Das ist ein Kunststoff. Muss man das wirklich machen? Muss man alles blitzblank filtrieren, nur damit es besser aussieht? Besser schmeckt es dadurch nicht.
Mitgliedsbetriebe der Kreativbrauer haben eine Jahresproduktion von meist 1000 bis 2000 Hektoliter. Das schaffen die Großen im Brauerbund vermutlich in wenigen Stunden. Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, die Tradition des Reinheitsgebots aufzuweichen?
Wachno: Wir wollen zunächst mal nur eine Plattform für uns schaffen. Im Jahr 2012 trafen sich ein paar Kollegen und ich uns in Bad Rappenau. Wir überlegten, wie wir gemeinsam auftreten können. Das machen wir mittlerweile und zeigen auf Messen, dass wir Freunde sind. Wir stehen dafür ein, dass man auch handwerklich brauen kann.
Wie ist das zu verstehen?
Wachno: Der Brauer muss noch hinlangen und mehr machen, als nur auf einen Knopf zu drücken. Die Arbeit des Brauers und der Brauer selbst stehen bei uns im Vordergrund.
Auf der einen Seite stehen Sie als Brauer, der auch gern mal etwas Neues ausprobieren möchte, auf der anderen Seite ist der Verbraucher: Wie steht die Mehrheit der Bier-Liebhaber neuen Sorten gegenüber?
Wachno: Die Jüngeren sind noch nicht ganz so eingefahren. Der klassische Bier-Trinker bleibt seinen Sorten treu. Das gönne ich ihm, trotzdem will ich auch Neues probieren. Nehmen wir nur die vielen Vereinsfeste: Mittlerweile ist es leider so, dass häufig dieselben Getränke angeboten werden. Das kann ich manchmal nicht mehr sehen. Einfach mal etwas anderes, das wäre schön.
Bundesweit sinkt der Bierkonsum, gleichzeitig nimmt die Zahl der Brauereien wieder zu - dank der kleinen Hausbrauereien. Bringt das mehr Vielfalt an die Theken?
Wachno: Würden Gasthausbrauereien nur Bier herstellen, das möglichst dem der Fernsehbiere ähnelt, wären sie keine Bereicherung. Meist sind sie aber kreativ und bieten beispielsweise Monatsbiere an. Ich finde, dass jeder Brauer einem klassischen Pils seine persönliche Note geben darf.
Welches Bier mögen Sie?
Wachno: Das hängt von der Stimmung ab. In den vergangenen Jahren tendiere ich zu herben, hopfenlastigen Bieren.
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