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Pfarrer Roland Merz hält den Narren den Spiegel vor

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Messe mit über 400 Besuchern in der katholischen Kirche Obergimpern - Farbenfroher Gottesdienst- "Zeit des Fleisches" vor der "Zeit des Geistes"

Von Ulrike Plapp-Schirmer

Nein, so voll ist die Kirche sonst nicht. Oben auf der Empore hat der katholische Kirchenchor von Obergimpern unter Leitung von Alexander Losert Aufstellung genommen; unten sitzen die Mitglieder der Erstkommunion- und Firmgruppen und warten ungeduldig auf ihren Einsatz; Sebastian Müller schaut von seinem Keyboard aus dem bunten Treiben zu, bis der Gottesdienst losgeht. Und auf den Kirchenbänken sitzen große und kleine Narren, die Kinder fantasievoll kostümiert, manche Erwachsene mit närrischen Accessoires versehen. Ein Mann trägt eine Clownsperücke. Passend gekleidet für den anschließenden Pfarrfasching im Gemeindehaus.

Fastnacht, Fasching oder Karneval ist im Kirchenjahr die Zeit vor dem großen Fasten bis Ostern. "Eine Zeit des Geistes und der Vorbereitung auf Leiden, Sterben und Auferstehung Christi", schreibt der Pressesprecher des Erzbistums Köln, Dr. Manfred Becker-Huberti, auf seiner lesenswerten Homepage www.religioeses-brauchtum.de. Die Ausgelassenheit dieser Fastnachtstage hatte früher in den strengen Fastenregeln ihren realen Hintergrund: "Fett, Fleisch und Milchprodukte waren in der Fastenzeit tabu und mussten aus der Küche verschwinden." Die Narrenmesse, das erklärt Roland Merz, hat ihren Ursprung im Südbadischen. Dort, wo die Christen von den Gehöften im Häs zur Fastnacht in den nächstgrößeren Ort reisten und in ihrem Kostüm eben auch an der Messe teilnahmen. Nicht der Pfarrer auf der Kanzel gibt den Narren ab, sondern er hält eine Messe für die Narren. Und die Eltern nutzen die Gelegenheit, mit ihrem Nachwuchs in die Kirche zu gehen und ihren Glauben den Kindern nahe zu bringen.

Roland Merz spricht mit Blick in den Kirchenraum von "einem bunten und schönen Bild", der Kirchenchor intoniert sehr passend das Lied "Komm herein, komm herein". "Uns Christen wird oft nachgesagt, dass wir für Humor wenig übrig haben", meint anschließend wieder der Pfarrer. "Im Gegenteil." Alles hat seine Zeit. Auch die Freude und Unbeschwertheit. Siehe oben. Roland Merz erzählt von seiner Zeit als Kaplan in Waldkirch, wo er den verhältnismäßig jungen Brauch der Narrenmesse kennen gelernt hat.

Auf der Kanzel dichtet er über den Spiegel, der stets unbestechlich die Wahrheit spricht, ähnlich wie es Jesu in Matthäus 5, Vers 37, sagt, als er gegen die Pharisäer wettert: "Eure Rede aber sei: ja, ja, nein, nein. Alles andere ist von Übel." Und wer genau zugehört hat, nimmt etwas mit nach Hause. "So gibt ein jeder das Bild ab, als wären alle doch so gut. Am Ende man sich wundern tut, warum die Welt nicht besser ist."

Doch was wäre ein solcher Gottesdienst ohne die Beiträge der Kinder und ihrer Betreuerinnen. Von den Facetten des Lebens, von den guten und den schlechten Seiten und von der Leichtigkeit eines Luftballons sprechen die kleinen Kirchengänger. Und tragen damit viel Farbe, aber auch viel Nachdenkenswertes in das Gotteshaus hinein.


 
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