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Bad Rappenau
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Mit einer Lkw-Fahrerin auf Tour

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Isabell Rudi hat unseren Reporter mit auf eine Tour in ihrem Lastwagen genommen. Der Arbeitsplatz der Kraichgauerin ist 500 PS stark. Dass der Beruf eine Männerdomäne ist, stört sie nicht, sondern spornt sie an, die beste Leistung zu bringen.

Präzise rangiert Isabell Rudi den Lastwagen in eine Hofeinfahrt. Foto: Jürgen Kümmerle
Präzise rangiert Isabell Rudi den Lastwagen in eine Hofeinfahrt. Foto: Jürgen Kümmerle  Foto: Jürgen Kümmerle

Die Dunkelheit liegt wie ein schwerer Teppich über dem Land. Im Industriegebiet Bad Rappenau-Bonfeld hat der Arbeitstag längst begonnen. In den Werkshallen leuchtet grell das Neonlicht und am Autohof Bad Rappenau unweit der Autobahnauffahrt geht es hektisch zu. Schnell noch das Auto volltanken und hurtig geht’s hinauf auf die A6.
Beim Transportunternehmen Rudi stehen die Lkw-Fahrer bereit.

Zuvor fahren sie ihre Brummis aus der Halle heraus auf den geschotterten Hof der Firma. In Reih und Glied stehen sie da, leicht versetzt und bereit, ihre Arbeit zu verrichten. Unter den Fahrern gibt es drei Frauen. Eine davon ist Isabell Rudi, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrer Mutter leitet. Die 1,77 Meter große Frau hat ihre dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trägt Arbeitshose und -schuhe und ein graues T-Shirt, das Firmenlogo aufgedruckt. Sie spricht noch einmal die Fahrten mit ihren Mitarbeitern ab.

Zwölf Tonnen Schotter aufgeladen

6.30 Uhr ist Abfahrt. Rudi steigt die drei Stufen ihres Lkw hinauf, öffnet die Fahrertür und schwingt sich mit Elan auf den Sitz ihres feuerroten MAN TGS 26.500, Baujahr 2017, 16 Gänge, 500 PS, Verbrauch zwischen 28 und 40 Liter Diesel: Sie startet den Motor. Los geht’s zum Kalkschotterwerk nach Ittlingen. Rudi wirkt konzentriert und routiniert zugleich. Sie steuert ihren Lkw durch den frühmorgendlichen Berufsverkehr. Im Schotterwerk angekommen, fährt sie den Laster auf eine Waage und danach eine staubige Straße hinauf zu den Schotterbergen. Ein großer gelber Radlader schiebt seine breite Schaufel in den Kiesberg. Zwei Schaufeln reichen aus. Dann sind zwölf Tonnen Schotter im Container verschwunden.

Der Fahrer des Radladers nimmt zwar Notiz von der Fahrerin. Sonderlich verwundert scheint er nicht zu sein. Seit der Reality-Doku „Trucker Babes“ sind Lkw-fahrende Frauen im TV angekommen. Rudi gibt zu, dass sie die Sendung ab und an anschaut. „Finde ich gar nicht schlecht. Die neuen Folgen schaue ich mir an.“

Die 30-Jährige steuert ihren 150.000 Euro teuren Lastwagen nochmal auf die Waage. Dann geht es Richtung Kirchardt. Es gebe zwar immer mehr Lkw-Fahrerinnen. Dennoch bilden sie die Ausnahme in diesem männerdominierten Beruf. Und wie steht es um die Akzeptanz? „Wenn man als Frau auf die Baustelle kommt, muss man besser sein als der beste Mann.“ Sie möchte wegen ihrer Leistung und nicht wegen ihres Geschlechts akzeptiert werden. An einer Einfahrt hält sie den Lkw an und schaut, ob die Straße frei ist. Dann setzt sie das Fahrzeug zurück, steigt aus und öffnet die Heckklappe des Abrollcontainers. Im Fahrerhaus löst sie den hydraulischen Mechanismus aus. Der Schotter rutscht in die künftige Garageneinfahrt eines Einfamilienhauses.

Zurück zum Firmensitz nach Bonfeld. Rudi tauscht den Abroller gegen einen sauberen aus. Bei der Baywa Obersulm-Willsbach soll sie Äpfel abholen. In Bad Rappenau fährt sie auf die A6 in Richtung Nürnberg. Termindruck. Im Radio läuft Rock. Trucker-Musik. Ein Klischee? „Weiß ich nicht. Ich höre einfach gerne Rock.“ Apropos Klischee. Über Rudis Fahrersitz ist ein CB-Funkgerät angebracht. Immer mal wieder kratzt die Stimme eines Lkw-Fahrers durch den Lautsprecher, meist mit Warnmeldungen. Auf der A6 an der Baustelle des Weinsberger Kreuzes ist ein Lkw liegengeblieben. Offensichtlich versucht der Fahrer auf der rechten Spur, den Schaden selbst zu beheben. Ein Trucker gibt über Funk Bescheid. Hilfe unter Kollegen und möglicherweise einen Unfall verhindert.

Isabell Rudi holt eine Fuhre Äpfel ab. Foto: Jürgen Kümmerle
Isabell Rudi holt eine Fuhre Äpfel ab. Foto: Jürgen Kümmerle  Foto: Jürgen Kümmerle

Die Apfelannahme in Willsbach liegt in der Nähe des Bahnhofs. Obstbauern fahren ihre mit Äpfeln beladenen Fahrzeuge auf die Waage und kippen das Obst emsig aus Säcken und Körben auf ein Förderband. Von dort fällt es auf einen großen Apfelberg. Per Knopfdruck aktiviert Rudi erneut den hydraulischen Arm des Lkw, der den Abrollcontainer auf den Asphalt absetzt. Sie steigt aus dem Fahrerhaus und kurbelt den Deckel von Hand auf. Muskelarbeit. Ein Baywa-Mitarbeiter schiebt die Schaufel seines Gabelstaplers in den Apfelberg, fährt über den Hof und kippt den Inhalt in den Container. Mit einem lauten Poltern fällt das Kernobst auf den metallenen Boden des Behälters.

Trödeln ist nicht

Nach etwa einem Dutzend Ladungen ist der Container voll. Deckel zukurbeln und weiter geht’s zur Apfelablieferung ins Neckarsulmer Industriegebiet. Zeit für eine Pause ist an diesem Vormittag nur während das Fahrzeug beladen wird. Trödeln ist nicht. Während der Fahrt den Gedanken freien Lauf lassen, schon. Ob der Fernverkehr nicht eine nette Abwechslung wäre? „Ich weiß nicht, ob ich das wollte. Ich stelle es mir deprimierend vor, wenn ich wüsste, dass ich noch 1800 Kilometer vor mir hätte.“ Nach Neckarsulm sind es gut 20 Kilometer.

Erfahrung im Büro gesammelt

Rudi fährt ihren Lkw zunächst auf eine Waage und danach auf den Hof eines Saftherstellers. Sie stößt ihren Lastwagen rückwärts in eine der Abladebuchten und öffnet die Heckklappe. Die Äpfel purzeln auf den Hof. Zurück auf die Waage und los zum nächsten Kunden nach Neuenstadt. Auch die BAG Franken ist eine Annahmestelle für Obstbauern und auch dort wartet man schon sehnsüchtig auf Rudis Ankunft.

Klappe zu: Der Schotter ist ausgeladen. Der nächste Auftrag wartet. Foto: Jürgen Kümmerle
Klappe zu: Der Schotter ist ausgeladen. Der nächste Auftrag wartet. Foto: Jürgen Kümmerle  Foto: Jürgen Kümmerle

Viele Mitarbeiter kennen die Chefin des Transportunternehmens. Und sie schätzen sie als sehr zuverlässig. Bevor sie ins Unternehmen ihrer Mutter eingestiegen ist, hat sie Büroerfahrung gesammelt. Die studierte BWLerin kennt Kostümchen, hohe Schuhe und Make-up. Und sie kennt die Zusammenarbeit mit Frauen. „Mit Männern arbeite ich lieber zusammen. Der Ton ist zwar rauer, dafür trinkt man nach Feierabend zusammen ein Bier.“ Was aus der Büro-Zeit noch übrig geblieben ist, sind ihre langen manikürten Fingernägel. Wobei eine Frau in ihrem Leben die entscheidende Wende herbeigeführt hat. „Ohne meine Mama hätte ich den Wechsel vom Büro in die Firma nicht gemacht.“ Sie selbst sei überrascht, wie sehr ihr Lkw-Fahren Spaß macht. „Die Hoffnung meiner Mama war, dass es weitergeht.“ 

Isabell Rudi hat Betriebswirtschaftslehre an der DHBW Mosbach studiert und danach in einem Maschinenbauunternehmen gearbeitet. Mit 19 Jahren machst sie den Lkw-Führerschein. Im Dezember 2017 fängt sie in der Firma an, die ihre Mutter gegründet hat. Rudi hat sieben Lkw und sechs Mitarbeiter am Standort Bad Rappenau-Bonfeld.

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