Keine Fake News: Achtklässler kommen ins japanische Fernsehen
Ein Filmteam aus Tokio begleitet Schüler der Wolf-von-Gemmingen-Gemeinschaftsschule bei einem Workshop des Landesmedienzentrums.

Was haben der Ukraine-Krieg, Japan und die Wolf-von-Gemmingen Schule (WvGS) miteinander zu tun? Ungewöhnlich, aber einfach: Die Klasse 8c der Gemeinschaftsschule hat zum Thema Fake News einen Workshop beim Landesmedienzentrum (LMZ) gebucht. Das kommt einem japanischen Filmteam entgegen: Es will in einem Kapitel einer mehrteiligen Fernseh-Doku zum Russland-Ukraine-Konflikt aufzeigen, wie besonders in Zeiten militärischer Auseinandersetzungen manipulativ und gezielt vorgetäuschte Nachrichten gestreut werden – und wie Menschen damit umgehen. Zu diesem Thema recherchiert und dreht das Team um die Regisseurin Son Yongri in den USA, in Südafrika und in Deutschland.
Speziell am Beispiel Deutschland soll gezeigt werden, „wie die Gesellschaft mit Fake News umgeht“, erklärt die Redakteurin Yoshiko Susanne Brzezinka: „Nicht nur im Erziehungsbereich, sondern auch normale Bürger“.
Vor dem Teilen den Wahrheitsgehalt recherchieren
Daher begleitet die Redakteurin Brzezinka, die von Berlin aus auf den Workshop des LMZ gestoßen ist und auch als Dolmetscherin fungiert, das Filmteam erst nach Gemmingen und noch am selben Tag nach Thüringen. Dort, in Gera, protestieren montagabends Tausende regelmäßig gegen die politische Lage im Land. Doch jetzt fangen Tatksuya Yoshinaga mit der Kamera und Kenji Nakagawa erstmal mit dem Mikrofon am langen Stab Originalbilder und -töne aus dem Mehrzweckraum der WvG-Gemeinschaftsschule ein.
LMZ-Referent Lukas Flad ist es wichtig, den knapp 20 Jugendlichen der 8c zu vermitteln, „wie man Fake News erkennt“ und „was Alarmglocken sind“. Misstrauisch machen sollten etwa Bilder schlechter Qualität oder besonders reißerische Formulierungen in mutmaßlichen Pressetexten und in Social Media. Die Kinder sollten sich überlegen: „Will ich diese Nachricht wirklich teilen?“ und lieber erst einmal über Suchmaschinen den Wahrheitsgehalt recherchieren, findet Flad.
Mit Fotocomics komplexe Zusammenhänge erklären
Dem Theorieteil folgt die Praxis. In kleinen Gruppen sind die Schüler gefordert, jeweils einen Fotocomic zu produzieren – von der Entwicklung und des Entwurfs eines Storyboards bis hin zur Produktion mittels einer speziellen App. Die von Sprechblasen ergänzten Bilder sollen in einer kleinen Geschichte erzählen, wie man Fake News erkennt. Die Workshop-Veranstalter vom LMZ glauben: Fotocomics eignen sich besonders gut, um diese Botschaft zu transportieren. Etwa reduzierten sie komplexe Zusammenhänge auf das Wesentliche und Wichtigste.
Die Schüler sind angetan: „Der Workshop hat mir gut gefallen“, resümiert zum Beispiel Jule. Die 13-Jährige fand es interessant zu erfahren, „dass es mehr Fake News gibt, als man denkt“. In Zukunft will sie aufmerksamer darauf achten. Auch Levin (14) hat der Vormittag „sehr viel Spaß gemacht“. Gelernt hat er, wie schnell man auf manipulierte Nachrichten reinfällt und sie weiterverbreiten kann, wenn man sie glaubt.
Referent Flad ist seinerseits von den Schülern angetan: „Sie haben gut mitgemacht.“ Gleichzeitig hat den Medienwissenschaftler erschreckt, bei vielen schon Ohnmachtsgefühle festzustellen. Rektor Christian Mair freut sich über das Workshop-Angebot des LMZ, das dank der Vermittlung eines ehemaligen Kollegen, Sebastian Seitner, an seiner Schule Premiere feierte. Denn „wir sehen es als große Erziehungsaufgabe, den Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln“.
Spannend ist der Aufklärungsworkshop auch für das japanische Kamerateam. Denn was Pressefreiheit angeht, so rangiert das Land im fernen Osten auf der jährlich von den Reportern ohne Grenzen erstellten Liste auf Platz 71 – von 180. „Erkennbare Probleme“ moniert der Verein dort. Aber auch die Lage in Deutschland, Rang 16, ist nur „zufriedenstellend“.
Die Verbreitung von Unruhe schürenden und gesellschaftsspaltenden Fake News zu verhindern, können Kinder nicht früh genug lernen.
Bitte was?!
Nach dem Workshop schenkt der Referent Lukas Flad den Schülern noch Turnbeutel mit „Bitte-was?!“- Aufdruck und kleinen Gimmicks im Sack – Werbematerial für dieSensibilisierungskampagne gegen Fake News und Hass im Netz. Das Landesmedienzentrum führt die Aktion in enger Abstimmung mit dem baden-württembergischen Kultusministerium durch. Neben InfoKampagnen über Social-MediaKanäle, Challenges für Schüler aller Klasenstufen und Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen für Lehrkräfte führen Referenten auch Begleitveranstaltungen und Impulsworkshops zum Thema direkt an Schulen durch. Weitere Infos im Internet unter www.bitte-was.de.