Kampf gegen Ausbildungsabbrüche
Klaus Harder ist neuer Regionalkoordinator der Initiative Vera, die Ausbildungsabbrüchen den Kampf angesagt hat. Jetzt sucht er neue Mitstreiter, die jungen Menschen zur Seite stehen, wenn's in der Lehre mal schwierig wird. Der Bad Rappenauer Harder ist Nachfolger des Heilbronners Peter Webering.

Die Lehrjahre eines jungen Menschen sind nicht immer von Erfolg gekrönt. Jeder Vierte löst seinen Vertrag vor Ablauf seiner Ausbildung wieder auf. Jeder Achte bricht ganz ab - mit persönlichen Folgen, aber auch mit Folgen für die Wirtschaft.
Die Gründe für diese Abbrüche sind vielfältig: "Manchmal passt es einfach nicht", sagt Klaus Harder, der neue Regionalkoordinator von Vera, einer Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen.
Hürden beseitigen
Für Menschen, die nicht in Deutschland aufgewachsen seien, sei zudem die deutsche Sprache eine besondere Herausforderung, "insbesondere die Fachsprache", so Harder . Flüchtlinge hätten mitunter Dinge erlebt, die es ihnen schwer machten, in einer Ausbildung Fuß zu fassen. "Fürs Lernen muss man den Kopf frei haben." Wer sich um das Leben seiner Familie im Kriegsgebiet Sorgen machen müsse, habe es besonders schwer.
Allein 2019 profitierten gut 5000 junge Männer und Frauen von einem der 2500 geschulten Vera-Coaches. Die Initiative wurde 2008 als bundesweites Mentorenprogramm vom Senior Experten Service (SES) in Bonn gegründet.
Klaus Harder begleitet derzeit drei Auszubildende: eine Pflegefachkraft, eine Heilerziehungsassistentin und einen Erzieher. "Vera-Begleitungen führen zu 70 Prozent zum Erfolg", teilt der SES mit. Dabei gebe man nicht einfach Nachhilfe, sagt Klaus Harder: Vera-Mentoren helfen bei Problemen in der Berufsschule ebenso wie bei Konflikten am Arbeitsplatz.
Als Koordinator für die Regionen Heilbronn-Franken, Schwäbisch Hall und Main-Tauber knüpft Klaus Harder derzeit nicht nur wertvolle Kontakte: Er sucht vor allem nach weiteren Mitstreitern. Menschen, die nach einem erfüllten Berufsleben Wissen und Erfahrung weitergeben wollen.
30 Begleiter sind in dem von Harder betreuten Gebiet unterwegs: "Mein erstes Ziel ist es, diese Zahl zu erhöhen", betont der langjährige Krankenhausmanager, ist aber zuversichtlich, dass ihm das gelingt. "Ich glaube", sagt Klaus Harder, "dass das eine sehr schöne Aufgabe ist."
Durstrecken gemeinsam überstehen
Wer beruflich mit Auszubildenden zu tun habe, wisse, dass es Durststrecken gebe, dass es sich aber auch lohne, diese durchzustehen. Mentoren motivieren Auszubildende daher auch, Pläne zu machen, sich selbst besser zu organisieren - und sich durchzubeißen.
Wer Interesse hat, sich ehrenamtlich bei Vera zu engagieren, setzt sich mit Klaus Harder direkt in Verbindung. Dem Coaching voraus geht eine zweitägige Schulung, es gibt eine Aufwandsentschädigung. "Wir werden auf Anfrage aktiv", erklärt Klaus Harder. Anfragen kommen von einem Betrieb, der IHK oder der Handwerkskammer, einer Schulsozialarbeiterin oder einem Lehrer, "das ist ganz unterschiedlich". Die Begleitung ist für die Azubis kostenlos, aber verbindlich. Alle sechs Monate verlangt der SES einen Zwischenbericht: "Das findet ich gut", sagt Klaus Harder.
Erfahrung Er selbst, erzählt der ehemalige Prokurist der Vulpius Klinik, habe sich gegen Ende seines Berufslebens lange überlegt, was er nach seiner Pensionierung machen wolle. Zwei Mal war er für den Senior Experten Service in Afrika. "Bei Vera verstehen wir uns manchmal als Vermittler, wenn es Stress gibt." Doch bei den meisten Begleitern liege der Schwerpunkt auf der Berufsschule. Wichtig sei nur, dass Azubi und Mentor sich auf Augenhöhe begegnen: "Wir sind keine Obergurus", betont Klaus Harder. Man leiste vielmehr Hilfe zur Selbsthilfe.
Sich mit jungen Leuten, auch aus anderen Kulturen, zu befassen, findet der 68-Jährige schließlich "total spannend". Manchmal könne man im Laufe der Lehrzeit schon loslassen, weil ein junger Mensch seinen Weg gefunden habe. Manchmal geht man bis zum Ende mit. Ziel ist immer der erfolgreiche Abschluss. Wenn dann, wie kürzlich, eine Whatsapp mit der Note 1,1 komme, dann sei das einfach toll.
Kontaktdaten für Betriebe und Azubis
Zu erreichen ist Klaus Harder, der neue Regionalkoordinator der Initiative Vera im Senior Experten Service (SES), unter der Nummer 0171 3755359 oder per Mail unter heilbronn@vera.ses-bonn.de. Wer sich vorab schon einmal schlau machen will, wird auf der Website www.ses-bonn.de fündig. Träger des SES sind die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Finanziert wird der Verband von Finanzielle Unterstützung erhält der SES insbesondere vom Bundesministerium für wirschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Kommentar: Lohnend
Die Arbeit von Vera, der bundesweiten Initiative zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen, zahlt sich aus: Die Zahl derer, die im Laufe ihrer Ausbildung straucheln, wird mit Hilfe auch von Ruheständlern aus der Region deutlich reduziert. Dabei ist das Konzept einfach: Menschen mit langjähriger Berufserfahrung engagieren sich für Menschen ohne Berufserfahrung. Senioren geben Wissen weiter, helfen über die eine oder andere Hürde und motivieren junge Leute, bei der Stange zu bleiben. Haben diese Schwierigkeiten, mit ihrem knappen Lehrgeld klar zu kommen, gibt es einen mütterlichen oder väterlichen Rat obendrein. Besonders wertvoll ist das Coaching dort, wo Eltern nicht in der Lage sind zu helfen oder fehlen.
Die Ehrenamtlichen, die für Vera tätig sind, beseitigen hier ein großes wirtschaftliches Problem: 2017 wurden gut 18 000 Lehrverträge vorzeitig aufgelöst. Teilweise haben die jungen Leute in einem anderen Betrieb weitergemacht, teilweise haben sie einen neue Lehre begonnen. Zwölf Prozent haben ganz aufgehört zu lernen. Das Handwerk und die Gastronomie sind besonders hart betroffen. Doch das Phänomen ist nicht neu und gilt auch bei Weitem nicht nur für Menschen mit Migrationshintergrund. Die Zahl der Vertragsauflösungen, schreibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung, liege seit den 90er Jahren zwischen 20 und 25 Prozent. Rund 60 Prozent finden im ersten Ausbildungsjahr statt. Da lohnt sich das Engagement: Denn nicht zuletzt kratzt eine abgebrochene Lehre auch schwer am Selbstbewusstsein.
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