Humanitäre Hilfe pur für 989 Menschen
Wo ansonsten Modelleisenbahnen ihre Runde drehen oder Bauherren Informationen von Fachfirmen bekommen, geht es jetzt um humanitäre Hilfe pur. Die Messehalle 6 in Sinsheim ist zu einer Notunterkunft für Flüchtlinge umfunktioniert worden.
Bis zu 90 Rotkreuz-Aktive und viele Freiwillige betreuen die Asylbewerber. "Was hier geleistet wird, kann sich draußen niemand vorstellen", meint Bettina Volz aus Sinsheim, eine der ehrenamtlichen Helferinnen.
Bereitwillig zeigen die jungen Männer aus Pakistan die Ecke in ihrer Koje. Ahmed Mobeen gehört zu einer fünfköpfigen Gruppe aus Lahore. In seiner Heimatstadt hat der 23-Jährige in einem Laden Software und Laptop-Systeme verkauft. Was er von Deutschland hält? "I like it", sagt er. Das Land mag er und die Menschen.
Amer kommt aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet. In Homs war er zu Hause. Von der Stadt steht nicht mehr viel. "Sie ist zu 80 Prozent zerstört", erzählt der 28-Jährige. Er hatte ein Geschäft auf dem Basar in der Altstadt. Und jetzt? "Wir haben Arbeit, Haus und Auto verloren - alles", berichtet Amer.
Die ersten Tage waren hektisch
Zusammen mit seiner Frau, deren Bruder und dessen Sohn ist er nach Deutschland gereist. Erst mit dem Schiff ins türkische Izmir, dann auf dem Landweg über Griechenland, den Balkan, Ungarn und Österreich. Weg von Bomben und Blutvergießen, Gewalt und Zerstörung. "Hier fühle ich mich sicher und gut", bekennt der Syrer.
989 Menschen haben bis gestern in der Messehalle ein Dach über dem Kopf bekommen. Die ersten Tage waren hektisch für die Betreuer. "Jetzt hat es sich eingespielt und beruhigt sich", betont Caroline Greiner, Kreisgeschäftsführerin des DRK Rhein-Neckar/Heidelberg. Die Menschen wissen, dass es Essen gibt und die Toiletten sauber sind. Grundbedürfnisse eben.
In Quartiere mit jeweils zwölf Betten ist die Halle aufgeteilt. Plastikplanen dienen als Sichtschutz. In einer Koje fegt eine Frau den Boden, fast alle Betten sind ordentlich gemacht. Hier steht ein Schaukelpferd, dort eine Babytrage. 171 Flüchtlinge sind noch keine 18 Jahre alt. In einem Quartier sitzen Kinder auf dem Boden und machen ein Verkehrsspiel. "Am Anfang haben sie nur die Spielsachen an sich gerissen", schildert Maren Türwächter, eine Freiwillige aus Ittlingen. "Jetzt nehmen sie schon gezielt, was sie wollen."
Die Kinder lernen deutsch
Damit Farbe in die Spielecke kommt, haben die Betreuerinnen erst einmal dafür gesorgt, dass Bilder gemalt und an den Wänden aufgehängt werden. "Die Kinder sind sehr interessiert daran, Deutsch zu lernen", hat Karina Wolf aus Epfenbach gemerkt. An der Wand hängen die Zahlen von 1 bis 12 - ausgeschrieben und in Ziffern. Und "Hallo" sagt inzwischen hier jeder.
Um 10 Uhr bildet sich vor der Kleiderausgabe eine lange Schlange. Bettina Volz hat schon eifrig sortiert, was viele Bürger in der Messehalle abgegeben haben. Gut erhaltene saubere Kleidung und Schuhe sind in diesen Tagen gefragt. Die Sinsheimerin engagiert sich gerne für die Flüchtlingshilfe: "Ich finde es toll, mit diesen Menschen Kontakt zu haben. Es sind wirklich sehr schöne Begegnungen."
DRK-Kreisverbandsärztin Christiane Serf richtet gerade eine Sprechstunde in der Halle ein. Oft geht"s um Kleinigkeiten: Erkältungen, Wundversorgung, Infektionen. Wenn viele Menschen auf einem Raum leben und sich gegenseitig anstecken können, wird Wachsamkeit bei den Medizinern zum obersten Gebot. "Das ist eine besondere Herausforderung für uns", verdeutlicht die Anästhesistin.
In Karlsruhe müssen sich die Asylbewerber jetzt registrieren lassen. In Kürze führt ihr weiterer Weg dann in die Unterkünfte in den Gemeinden. Sinsheim ist nur eine Durchlaufstation. Am 14. September schließt das Lager. Caroline Greiner: "Dann braucht der Messebesitzer die Halle wieder."