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Haussklavin-Fall: Entsetzen in Haßmersheim bleibt

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Haßmersheim - Wochenlang sorgte der idyllische Neckarort Haßmersheim für Schlagzeilen. Eine Familie soll dort eine junge Frau als Haussklavin gehalten haben. Morgen beginnt in Mosbach der Prozess.

Von Friederike Marx und Alexander Hettich

Haßmersheim - Im vorweihnachtlichen Haßmersheim herrscht geschäftiges Treiben: Mütter holen ihre Kinder vom Sport ab, in den Geschäften werden noch rasch die letzten Einkäufe für das Abendessen erledigt. Doch die Idylle in dem 4.900 Einwohner zählenden Ort am Neckar trügt. Monatelang soll dort eine Familie eine junge Frau misshandelt, gedemütigt und als Haussklavin gehalten haben.

Das Dorf im südlichen Neckar-Odenwald-Kreis geriet bundesweit in die Schlagzeilen - an diesem Donnerstag beginnt der Prozess gegen das Paar vor dem Landgericht Mosbach. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ehepaar gemeinschaftliche Geiselnahme vor.

Entsetzen

Die Aufregung in Haßmersheim hat sich gelegt, geblieben ist das Entsetzen, dass so etwas in einem Ort passieren konnte, in dem eigentlich jeder jeden kennt. „Man kann nicht mehr sagen, man lebt in einem Dorf, solche Dinge gibt es nur in der Stadt“, sagt eine junge Passantin, die ihren Namen nicht nennen will. „Jeder kennt inzwischen das Haus, wo die Familie gelebt hat, die Leute aber kannte niemand, sie haben ja nur ein paar Monate hier gewohnt.“

In Eppingen-Elsenz, wo sich ein großer Teil der mutmaßlichen Geiselnahme abgespielt haben soll, ist das Thema kaum noch präsent. „Das ist kein großes Gesprächsthema mehr“, sagt Ortsvorsteher Mike Frank. Die Familie war im Ort kaum bekannt und auch nicht in Vereinen aktiv, erinnert sich Melanie Veith, Stadträtin aus dem Teilort: „Außer mit den direkten Nachbarn gab es da keinen Kontakt.“

Das beschuldigte Ehepaar soll mit dem Sohn der Familie und dem  mutmaßlichen Opfer von  März 2010 bis Februar 2011 im Eppinger Stadtteil in einem Haus an der Ortsdurchfahrt gewohnt haben und war im vergangenen Winter nach Haßmersheim gezogen. Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge hielt die Familie die heute 21-Jährige - eine Internet-Bekanntschaft des Sohnes - aber bereits seit September 2010 gegen ihren Willen fest.

Belagerung

Nachdem dem mutmaßlichen Opfer im Juni die Flucht gelungen war, war das heruntergekommene Mehrfamilienhaus mit idyllischem Blick auf den Neckar tagelang von Schaulustigen belagert worden. Hausbewohner berichteten damals, sie hätten die Frau immer nur in Begleitung eines Familienmitgliedes gesehen und sie für die Cousine des Sohnes gehalten.

„Wenn die junge Frau hier in einem Verein gewesen wäre und sie jeder gekannt hätte, hätten sich die meisten mehr aufgeregt“, sagt eine andere Passantin, die auch anonym bleiben will. Es sei schrecklich, was in Haßmersheim passiert sei, „doch ich ärgere mich schon ein bisschen über die Schlagzeilen. Jetzt geht das wieder los. Ich finde das übertrieben.“

Sichtlich genervt reagiert ein älterer Mann auf der Straße. „Dazu sage ich nichts, sonst werde ich böse“, sagt er und wendet sich brüsk ab. Eine Verkäuferin in einem Geschäft findet es dagegen nicht so dramatisch, dass Haßmersheim durch den Prozess wieder in die Schlagzeilen gerät. „Ich bin allerdings auch nicht von hier“, sagt sie.

Bürgermeister befürchtet keinen Imageverlust

Der parteilose Bürgermeister Marcus Dietrich befürchtet nicht, „dass der Name des Ortes für immer mit dem Fall verbunden bleibt und das Image von Haßmersheim darunter leidet“. Positive Projekte wie der Bau einer zweiten Neckarbrücke würden die Menschen in den Gegend mehr beschäftigen.

„Der Prozess ist kein großes Thema hier, die Familie lebte nur einige Monate in Haßmersheim, sie hatte keine sozialen Kontakte und niemand kannte sie näher“, sagt Dietrich.

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