Hausärzte schlagen Alarm: Neun von zwölf Allgemeinmedizinern sind über 50 Jahre alt
Bad Rappenau - Eine Lawine habe er losgetreten, sagt der scheidende Hausarzt Dr. Eberhard Druschky. Die Zeit war reif dafür: Seit drei Jahren ist er auf der Suche nach einem Nachfolger für seine gut gehende Praxis.
Bad Rappenau - Eine Lawine habe er losgetreten, sagt der scheidende Hausarzt Dr. Eberhard Druschky. Die Zeit war reif dafür: Seit drei Jahren ist er auf der Suche nach einem Nachfolger für seine gut gehende Praxis in der Bad Rappenauer Bahnhofstraße, im Herzen der Kurstadt. Vergeblich.
Und er ist nicht der Einzige: Der Heinsheimer Hausarzt Dr. Armin Bürk hatte schon einen Nachfolger. Doch der blieb nicht, und Bürk fing wieder an. Die Bad Rappenauer Hausärzte schlagen Alarm: Die Patientenversorgung durch ihren Berufsstand sei in Gefahr, nicht nur in Bad Rappenau, sondern bundesweit, so ihr Appell. Gestern Nachmittag hatte die Stadtverwaltung sie und die Presse im Rathaus zusammengebracht: "Wir befürchten, dass die Hausarztversorgung in Bad Rappenau in absehbarer Zeit zusammenbricht", erklärte Oberbürgermeister Hans Heribert Blättgen sein Engagement.
Frust
Die Allgemeinärzte sind frustriert. Selbst in Fachkreisen brachte man den Hausarztmangel bislang nur mit strukturschwachen Gebieten in Verbindung. "Uns erschreckt", sagte Dr. Christian Matulla, "dass eine gut gehende Praxis mitten in Bad Rappenau keinen Nachfolger findet." Dabei würde Eberhard Druschky seine Praxis sogar verschenken. Ganze sieben Anrufe in drei Jahren sind das Ergebnis zahlloser Anzeigen in Fachzeitschriften und Regionalzeitungen. In allen umliegenden Krankenhäusern habe er Flyer ausgelegt: "Null Erfolg." Unter den Anrufen seien lediglich gescheiterte Existenzen gewesen. Der älteste war wie er 68.
Druschky und seine Kollegen wissen genau, was junge Mediziner davon abhält, Hausarzt zu werden: Häufige Bereitschaftsdienste, Hausbesuche und die Versorgung der Altenheime am Ort werden schlecht bezahlt. Die Hausärzte fühlen sich sowohl von den Kassen als auch von der eigenen Ständevertretung im Stich gelassen: "Es brennt der Wald, und die gießen noch Öl ins Feuer", indem sie behaupteten, ihnen ginge es nur ums Geld. Druschky geht es vor allem um die Versorgung seiner 2000 Patienten, die jetzt auf Hausarztsuche gehen müssen. "Wenn wir wirklich so gut bezahlt wären, hätten wir alle Nachfolger", folgert er. "Und wenn uns die Politik und die Kassen weiterhin im Stich lassen, werden wir bald in einen Notstand kommen."
Wie ein Damoklesschwert hingen zudem die Regressforderungen der Kassen über ihnen, wenn sie das Budget überschreiten. Für eine Krebsvorsorge, die er einen Monat zu früh vorgenommen hatte, musste Druschky 870 Euro Strafe zahlen: Er hatte sich nicht an die gesetzlichen Zeitvorgaben gehalten. Als Arzt brauche man heute fast einen Juristen neben sich, ergänzte Matulla. "Wir werden mit Sanktionen gequält und mit Bürokratie überschüttet." So deutliche Worte findet nur einer, der wie Eberhard Druschky nichts mehr zu verlieren hat.
Ausland
Junge Mediziner entscheiden sich heute lieber für eine Facharztausbildung. Sie gehen an ein Krankenhaus. Frauen gründen irgendwann eine Familie. Viele gut ausgebildete Ärzte gehen ins Ausland. In der Schweiz verdienen Hausärzte das Doppelte und Dreifache. Trotzdem habe er den Beruf leidenschaftlich gern gemacht, sagt Druschky. Der Zusammenhalt unter den örtlichen Kollegen sei einmalig. Ein Neuer, wirbt er, würde in eine Gemeinschaft aufgenommen, in der man sich gegenseitig unterstützt.
Kommentare
am 24.11.2011 12:29 Uhr
Im Jahr 2013 sind Bundestagswahlen. Dort können wir unserer jetzigen Bundesregierung die Quittung dafür geben, dass sie ihr eigenes Volk immer mehr vernachlässigt und sich fast nur noch um Außenpolitik kümmert. Bei uns wird überall gespart, sodass immer mehr den Bach heruntergeht, aber andere länger, die nicht gespart haben und dadurch in Finantnöte geraten sind, unterstützen wir. Also, wir sparen für die anderen. Warum machen wir es nicht auch so, wie die anderen Länder? Dann würden wir doch auch vom Rettungsschirm profitieren? Ich meine, Hausärzte müssen nicht in Saus und Braus leben, aber für Ihre Arbeit angemessen bezahlt werden, wenn man schon veile Jahre dafür hat studieren müssen. Wenn man mal anschaut, wie z.B. Zahnärzte finanziell in Watte gepackt sind, sind Hausärzte immer mehr arme Schweine, die die Drecksarbeit machen sollen.
am 24.11.2011 14:00 Uhr
Ich wüsste keine aktuelle Oppositions-Partei, die bezüglich Euro- und Griechenland-Rettung eine großartig andere Richtung einschlagen würde. Im Gegenteil: SPD und Grüne sind für die Einführung von Euro-Bonds, was am Ende dazu führen würde, dass Deutschland höhere Zinsen für seine Schulden bezahlen müsste.