Stimme+
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Großer Medienandrang zum Prozess-Auftakt

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Haßmersheim/Mosbach - Unter großem Medieninteresse hat am Donnerstag der sogenannte Haussklavin-Prozess gegen ein Ehepaar begonnen. Die beiden sollen in Eppingen-Elsenz und Haßmersheim eine junge Frau rund neun Monate als Haussklavin gehalten und misshandelt haben.

Von Sara Furtwängler


Mosbach - Unter großem Medieninteresse startete am Donnerstagmorgen der Geiselnahme-Prozess gegen ein Ehepaar aus Haßmersheim im Landgericht Mosbach. Dem 51-jährigen Mann und seiner 46-jährigen Frau wird vorgeworfen, eine junge Frau mindestens neun Monate lang in ihrer Wohnung gefangen gehalten, zu Hausarbeiten gezwungen, misshandelt und gedemütigt zu haben.

Aussagen zur Sache wurden am ersten Prozesstag weder von den Angeklagten noch vom mutmaßlichen Opfer gemacht. Im Zentrum der etwa einstündigen Verhandlung standen die Aussagen des Mosbacher Kriminalhauptkommissar, der die Ermittlungen leitete, sowie die jeweiligen Lebensläufe der Angeklagten und der jungen Frau, die als Nebenklägerin auftrat.

Als die Angeklagten in den Gerichtssaal kommen, stürzen sich Kamerateams und Fotografen auf die Beschuldigten. Der 51-jährige Ehemann hält sich schützend eine grüne Papiermappe vor das Gesicht, bevor er auf der Anklagebank neben seinem Verteidiger Platz nimmt. Auch seine Frau, die sich neben ihn setzt, schützt ihr Gesicht vor den Blitzlichtern der Kameras.

Das mutmaßliche Opfer ist eine junge Frau mit blond gefärbten Harren und einem Unterlippen-Piercing. Bekleidet mit einem grauen Jogginganzug wird sie von einem Anwalt und einer Vertreterin der Opferschutz-Organisation „Weißer Ring“ in den Saal begleitet. Ihr Blick ist nach unten gerichtet.

Was die Zuschauer des Prozesses dann in der verlesenen Anklageschrift hören, ist beinahe unbegreiflich. Ausführlich schildert die Staatsanwältin dort, wie sich das Martyrium der damals 19-Jährigen dargestellt haben soll.

Das mutmaßliche Opfer habe den damals 14-jährigen Sohn der Familie über das Internet kennengelernt. Nur wenige Wochen später sei sie zunächst freiwillig zu der dreiköpfigen Familie nach Eppingen-Elsenz gezogen und sei mit dem Sohn, der sich für 17 Jahre ausgegeben haben soll, eine sexuelle Beziehung eingegangen.

In emotionaler Hinsicht sei die junge Frau noch unreif, so verliest es die Staatsanwältin in der Anklageschrift. Aufgrund ihrer eigenen schwierigen Vergangenheit, habe sie ein Bedürfnis nach familiärer Bindung gehabt. Deshalb wohl, habe sie das, was sich in Eppingen dann entwickelte, so lange hingenommen.

Misshandlungen

Der Hauptkommissar schildert die Kindheit der jungen Frau. Ein Heimaufenthalt habe sich an den nächsten gereiht. Der Stiefvater habe sie misshandelt. Die Mutter sei straffällig gewesen. Die beiden Beschuldigten hätten die Schwächen der jungen Frau erkannt und der 51-jährige Angeklagte habe fortan seine „sadistischen Neigungen“ an ihr ausgelebt.

Angefangen habe es mit Beleidigungen, gefolgt von Schlägen und Tritten, immer wieder auch mit Gegenständen wie einem Stock oder dem Griff eines Handmessers. Die Übergriffe seien immer häufiger und brutaler geworden. Nachdem die Familie im Februar 2011 nach Haßmersheim umgezogen war, musste die junge Frau tägliche Attacken aushalten. Sie sei nur in Begleitung nach draußen gelassen worden. Der 51-Jährige soll ihr angedroht haben, dass er sie umbringe, wenn sie nicht mache, was man ihr sagt.

Die angeklagte 46-jährige Ehefrau soll die Körperverletzungen ihres Mannes an dem Mädchen zumindest billigend in Kauf genommen haben, indem sie mithalf, die Flucht zu verhindern.

Keinen Schulabschluss

Die beiden Angeklagten haben beide keinen Schulabschluss und keine Ausbildung. Der 51-Jährige gibt auf Nachfrage des Richters an, er habe die größte Zeit seines Berufslebens im Schrotthandel gearbeitet. Zuletzt hat die Familie Hartz IV erhalten. Die Ehefrau berichtet vor Gericht ausführlich aus ihrer Kindheit. Als Älteste von mehreren Kindern soll sie schon früh auf die Geschwister aufgepasst und den Haushalt gemacht haben. „In die Schule gegangen bin ich nur selten und ab der 5. Klasse gar nicht mehr“, berichtet sie. Ihre Mutter habe das für unnötig befunden. Lesen und Schreiben hat sie vom Großvater gelernt.

Die blonde junge Frau sitzt dem Ehepaar auf der Anklagebank gegenüber. Sie hört zu, blickt manchmal wieder nach unten, sagt aber nichts.

Am Montag sollen die beiden Angeklagten zu den Anschuldigungen vernommen werden.


 


Stichwort: Freiheitsberaubung und Sklaverei

Wer einen anderen Menschen gegen dessen Willen festhält oder einsperrt, begeht nach dem deutschen Strafgesetzbuch Freiheitsberaubung. Der Vorwurf gilt, sobald ein Erwachsener vorsätzlich und widerrechtlich daran gehindert wird, seinen Aufenthaltsort nach eigenem Wunsch zu verlassen. Auch wenn statt Einschließen List, Drohungen, Gewalt oder Betäubung im Spiel sind, zählt das als Freiheitsberaubung.

Freiheitsberaubung wird in der Regel mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen geahndet. Dauert sie länger als eine Woche und ist darüber hinaus mit Gesundheitsschäden für das Opfer verbunden, kann die Strafe höher ausfallen. Steigerungen von Freiheitsberaubung sind Geiselnahme, Menschenhandel oder Sklaverei. Sklaverei bedeutet dabei im juristischen Sinne, dass Menschen andere Menschen ohne Beachtung ihrer Grundrechte und Wünsche wie ihr Eigentum behandeln.  lsw

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
Nach oben  Nach oben