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Drei Monate nach Schließung: Bäcker Dörzbach bereut Entscheidung nicht

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Zum Bedauern der Kundschaft machte Achim Dörzbach im September 2022 seine Traditionsbäckerei in Bad Rappenau zu. "Den Stress vermisse ich nicht", sagt der Bäcker jetzt. Hat er nach der Schließung das Rezept für den allseits beliebten Nusszopf verraten?

Die Nusszöpfe der Bäckerei Dörzbach galten als Verkaufsschlager. In den letzten Wochen der Bäckerei gab es sogar Bestellungen aus Hamburg.
Die Nusszöpfe der Bäckerei Dörzbach galten als Verkaufsschlager. In den letzten Wochen der Bäckerei gab es sogar Bestellungen aus Hamburg.  Foto: Hoffmann

Vor Kurzem war es wieder soweit. Bei Familie Dörzbach wurde Nusszopf gebacken. Es gab einen Geburtstag zu feiern. Achim Dörzbach schwelgte in Erinnerungen. Es war dem 55-Jährigen im September schwer gefallen, seine Traditionsbäckerei in der Babstadter Straße in Bad Rappenau zu schließen. Gründe hatte er viele: Hoher Arbeitsaufwand, steigende Kosten, Personalmangel. Heute sagt er: "Ich bereue nichts." Ihm gehe es gut. "Den Stress vermisse ich nicht."

Ex-Kunden haben Verständnis

Für viele Stammkunden war die Schließung ein Schock. Die Bäckerei war für hohe Qualität und vergleichsweise niedrige Preise bekannt. Achim Dörzbach sagt, auch heute noch äußerten frühere Kunden ihr Bedauern, "zeigen aber alle Verständnis für unsere Entscheidung." Nach einem Bericht in der Heilbronner Stimme wurde er in die SWR Landesschau eingeladen. Noch heute werde er darauf angesprochen, sagt er. "Das mit dem Nusszopf war echt ein Hype." Es gingen sogar Bestellungen aus Hamburg in der Babstadter Straße ein.

Ist Achim Dörzbach jetzt Frührentner? Er wisse es selbst nicht so genau, sagt er und lacht. "Ich habe mir erklären lassen, dass ich ein Privatier bin." Bloß mit tagelangem Nichtstun könne er nichts anfangen. "Kaffee trinken gehen und dann in den Kurpark spazieren, das ist nichts für mich", sagt er. "Wir sind alle Schaffer in unserer Familie."

 


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Schleichender Entzug von der Arbeit

So waren die ersten drei Monate nach Schließung der Bäckerei tatsächlich von Schaffen geprägt. Es sei ein schleichender Entzug von der Arbeit gewesen. Die Produktionsräume mussten ausgeräumt werden. Zehn Tonnen Stahl waren darin, sechs Tonnen Edelstahl, vier Tonnen Aluminium und auch noch einiges an Glaswolle und Dämmmaterial. Aus den Räumen soll eine Wohnung werden in den nächsten Monaten, aber ganz sicher sei das noch nicht. Der Verkaufsraum vorne wird von der Bäckerei Härdtner genutzt werden, die schon bald eine kleine Filiale eröffnet.

Achim Dörzbach hatte ja ursprünglich vor, in der freien Zeit das zu machen, wofür er jahrelang nicht so richtig viel Zeit hatte: Urlaube mit seiner 15-jährigen Tochter Carolin. Beide litten stark unter dem Tod seiner Frau und ihrer Mutter und die Idee war, dass Vater und Tochter mehr gemeinsam unternehmen. "Ich bin froh, dass du jetzt mehr Zeit hast und dein Leben genießen kannst mir mir", schrieb Carolin ihrem Vater zu Weihnachten. Die beiden frühstücken fast jeden Tag zusammen. Und Avatar 2 haben sie an Weihnachten im Kino angeschaut.

 


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Rezeptklau vereitelt

Es hätte auch schon jemand versucht, von seinem Bruder Andreas und ihm das Nusszopf-Rezept herauszubekommen, erzählt Achim Dörzbach. "Man wollte uns aus der Deckung locken, aber wir haben demjenigen in seiner Vermutung nur zugestimmt: Ja, es ist ganz einfach mit dem Nusszopf." Die Vorstellung, dass bei ihm in der Bäckerei nun ein anderer Bäcker seine Produkte verkauft, der Gedanke fällt Dörzbach noch ein wenig schwer. Er schließe es nicht aus, in ein paar Jahren selbst wieder zu backen oder Backkurse anzubieten. Er habe auch bereits Angebote erhalten, weiter als angestellter Bäcker zu arbeiten, erzählt er. Wolle er erstmal nicht.

Neulich habe er im Supermarkt "Industriebrot" gekauft und probiert, eine schreckliche Erfahrung sei das gewesen. Lange haltbar, aber "geschmacklich ein Knieschuss".

Bäckerei-Innung registriert verändertes Kundenverhalten

Einigen Bäckereien fehle unter den derzeitigen Umständen der Mut, ihr Geschäft fortzuführen, sagt Stefan Körber vom Bäckereiinnungsverband Südwest. In manchen Fällen seien Investitionen nötig in neue Produktionsgeräte, was sehr kapitalintensiv sein könne. "Andere finden niemanden, der den Betrieb übernehmen könnte." In vielen Fällen würden Produktionen geschlossen und nur die Verkaufsstellen blieben unter anderem Namen erhalten.

Die Kostenexplosionen seien eine enorme Herausforderung für Bäcker, sagt Körber weiter. Die Rohstoffpreise seien um 29 Prozent gestiegen, der Umsatz steige aber nicht. Die Kunden achteten genauer auf ihre Ausgaben, und kauften nur das, was sie auch tatsächlich brauchten - "also eher drei statt vier Brezeln". Sehen müsse man auch, dass Bäckereien Mehrjahresverträge mit Stromanbietern haben. Wenn diese auslaufen, bekämen sie aktuell keine Folgeverträge und fielen in eine sogenannte Ersatzversorgung.

"Sie müssen dann auf einmal quasi börsennotierte Preise zahlen", erklärt Körber, der an einem Beispiel im Odenwald vorrechnet: Die Mehrausgaben aufgrund der Kostensteigerungen sind das, was früher an Gehalt übrig geblieben sei. Wie also geht es weiter mit den kleineren Bäckereien? Körber: "Wir wissen es nicht." Klar sei auch: In einem nächsten Schritt seien Lohnerhöhungen für das Personal fällig.

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