Da gibt’s was auf den Deckel
Bad Rappenau Fans von Brauerei-Werbemitteln haben die Tauschbörse in Zimmerhof gestürmt

Bad Rappenau - Bierdeckel sammeln kann gesund sein. Das zeigt der Fall von Thomas Ertl aus dem pfälzischen Frankenthal, der am Samstag zur 28. Bierdeckel-Tauschbörse nach Rappenau gereist war. Er habe mit dem Rauchen aufgehört, weil das seine geliebten Pappexponate vergilbe. Vorbildlich; auch wenn es nur für die Wohnung gilt.
Beladene Kofferräume Mehr als 100 Experten für Brauerei-Werbemittel haben sich in der Turnhalle in Zimmerhof getroffen, um ihrem liebsten Hobby nachzugehen - und sind dazu aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. „Bierdeckel-Sammler sind äußerst ernste Menschen“, sagt Thomas Ertl und grinst. Dann ergänzt er: „Natürlich gehört eine gewisse Verrücktheit dazu, bedruckte Pappdeckel zu sammeln.“ Aber es gebe auf dieser Welt eben mittlerweile nichts mehr, was nicht gesammelt würde. „Ich habe sogar einmal von jemandem gehört, der Kotztüten sammelt“, erzählt Ertl, im echten Leben kaufmännischer Angestellter, und lacht.
Günter Hellenschmidt heißt der Mann, der die Bierdeckel-Sammler nach Bad Rappenau gebracht hat. Er ist schon viele Jahre in der Szene aktiv und Kollegen sagen, er habe wohl rund 100 000 Bierdeckel daheim. Das Interesse an einer solchen Tauschbörse sei derart groß, dass er sie in regionalen Medien nicht einmal mehr ankündige, so Hellenschmidt. Mit beladenen Kofferräumen kommen die Leute hier an - und darin finden sich oft nicht nur Bierdeckel, sondern auch Kronkorken, Etiketten, Flaschenöffner oder sonst was, das mit Brauerei-Werbemitteln zu tun hat.
Wer im sympathisch-sammelwütigen Völkchen nachfragt, wie man ausgerechnet auf Bierdeckel kommt, stößt oft auf eine ganz lockere Antwort: Irgendwann in ihrer Kindheit haben sie etwas auf den Deckel bekommen - und prompt sei die Sache zu einer Leidenschaft geworden. Die so genannte Förderergemeinschaft von Brauerei-Werbemittelsammlern hat heute laut ihrem Bad Rappenauer Vorsitzenden Hellenschmidt mehr als 1600 Mitglieder, einige auch in Ostdeutschland. Günter Hellenschmidt kann sich noch gut daran erinnern, wie es sein Bierdeckel-Magazin zusammen mit dem Spiegel auf die DDR-Liste unerwünschter Schriften geschafft hat. In einem der Texte sei von Ostdeutschland die Rede gewesen, und nicht von DDR. Da sieht man mal, welch politische Dimension das Bierdeckel-Sammeln haben kann.
Wertvolle Errungenschaft Thomas Ertl mag es nicht, wenn jemand einen Stapel Bierdeckel aus seinem Karton nimmt. Wenn, dann doch bitte einzeln - schließlich ist alles alphabetisch sortiert. „Das ist eine Heidenarbeit“, sagt er. Wie seine beiden Standnachbarn Michael Prescher und Raimund Neumann bleibt er in der Regel nah bei seiner Sammlung. „Man muss ein bisschen aufpassen“, meint er, „entweder ich habe Bewacher oder ich stehe selbst dabei“ - könnte ja sein, dass dreiste Gäste zugreifen, wenn er gerade abgelenkt ist. Immerhin soll es Sammler geben, die mit dem An- und Verkauf von Bierdeckel ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ertl selbst hat sich am Wochenende den 25-Euro-Erwerb eines Deckels einer Mainzer Brauerei gegönnt. Läppisch im Vergleich zu den 1280 Euro, die neulich über Ebay für einen bayrischen Bierdeckel erzielt worden sind.