In Bad Rappenau kommt der letzte öffentliche Lautsprecher jetzt in die Vitrine
Bis vor Kurzem noch hing ein Lautsprecher der alten Bad Rappenauer Ortsrufanlage an der Hartmann-Villa in der Gartenstraße 6. Jetzt wird das Haus saniert. Und der Lautsprecher wird zum Museumsstück.

Er ist ein Unikat. Außen rostig. Und die Originalfarbe innen kann man nur noch erahnen. Er ist der letzte seiner Art. Bis vor Kurzem hing er noch an der Hartmann-Villa in der Gartenstraße 6 in Bad Rappenau. Und zwar als Lautsprecher der ehemaligen Ortsrufanlage.
Einst war er Teil eines Netzes, das nach Schätzung des ehemaligen Rathausmitarbeiters Walter Geml rund 100 solcher Lautsprecher umfasste. Zwischen 1941 und Mitte der 1960er Jahre war diese Anlage das normale Kommunikationsmittel der Kurstadt.
Bad Rappenauer wurden täglich um 12 Uhr über das Ortsgeschehen informiert
Jeden Mittag gegen 12 Uhr, erinnert sich Geml, erklang zuerst der Radetzkimarsch, bei besonderen Gelegenheiten auch ein Strauß-Walzer. Dann wurden vom Bürgermeister, später auch vom Ratsschreiber, vom Stadtkämmerer und vom jungen Geml selbst die wichtigsten Nachrichten des Tages verlesen. „Die Kinder waren sogar extra angehalten, währenddessen zu schweigen“, hat Stadtarchivarin Regina Thies herausgefunden. Und auch, dass es Ortsrufanlagen in allen, damals noch selbstständigen Ortsteilen Bad Rappenaus gab.
Bei der Sanierung der Hartmann-Villa in der Gartenstraße 6 durch die Familie Bauer kam er weg. Am Mittwoch wurde er offiziell dem Rathaus übergeben, wo er künftig in einer Vitrine im Foyer von einer Zeit zeugen wird, in der es noch kein Internet, kein Handy und kein Instagram gab.
Bad Rappenauer Ortsrufanlage war in den 1940er-Jahren so aktuell wie Tiktok
Von „einer Rarität aus heutiger Sicht“ spricht Oberbürgermeister Sebastian Frei. Es gebe breite Bevölkerungsschichten, die gar nicht wüssten, dass es so was mal gab. „Mich eingeschlossen“, gibt er zu. Und entpuppt sich als Fan dieser „unmittelbaren Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern“.
Erst ein Trommelwirbel, dann der Marsch. Und schon öffneten die Menschen ihre Fenster. Örtliche Bekanntmachungen, Veranstaltungstermine, Vereinsnachrichten, aber auch Sterbefälle wurden so weitergetragen. Vor Letzteren wurde Trauermusik gespielt.
„Die Lautsprecher waren in allen Straßen in bestimmten Abständen an den Fassaden von Privathäusern oder auf Holzmasten angebracht“, erzählt Walter Geml. Er wurde Anfang der 1960er Jahre im Rathaus ausgebildet und landete relativ früh auch vor dem Mikrofon. „Die Anlage stand im Vorzimmer von Bürgermeister Hagner“, erzählt er.
Aktuelle Nachrichten wurden reingeschoben, „wie bei der Tagesschau“
Kam eine aktuelle Nachricht dazu, wurde sie während des Vorlesens einfach reingeschoben: „Wie bei der Tagesschau.“ Durch Ortsrufanlagen – die Bad Rappenauer war von der Firma Phillips – seien die Bürger schon vor 70 Jahren so schnell informiert worden wie heute durch Social Media, meint Walter Geml.
„Wir waren topaktuell. Wir verbreiteten alles, was Wissenswert war.“ Zum Teil seien die Nachrichten bis zu 20 Minuten lang gewesen. Geml erinnert sich, wie er als Stift im Rathaus ins kalte Wasser geschmissen wurde und nervös vor dem Mikrofon saß. Zu einer Zeit, in der noch nicht einmal alle Haushalte Telefon hatten.
Gewartet wurde das analoge Kommunikationsnetz von der Elektrofirma Braun, die es heute noch in Bad Rappenau gibt. Das sei aufwendig gewesen. Je häufiger die Anlage ausfiel, desto kostspieliger wurde das Ganze. Mitte der 1960er Jahre wurde die Ortsrufanlage in Bad Rappenau von anderen Kommunikationsformen abgelöst. Seit Anfang der 1970er Jahre gibt es das Mitteilungsblatt.
Im Rathaus laufen die Erinnerungen an die Ortsrufanlage zusmmen
1935 hatte es erste Verhandlungen über die Anschaffung einer Ortsrufanlage gegeben, fand Regina Thies heraus. Nach und nach sind die Lautsprecher wieder verschwunden. Derjenige, der nun im Rathaus übergeben wurde, ist der einzige, der noch hing. Walter Geml hat ihn in Absprache mit Manfred Bauer abgemacht.
Wo all die anderen sind? Die meisten werden Sanierungen zum Opfer gefallen sein. Ein paar schlummern vielleicht noch in Garagen oder auf Dachböden. Erinnerungen an die Anlage sind jedenfalls bei Regina Thies oder Eva Goldfuß-Siedl im Rathaus willkommen.

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