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Edith Süßenbach ist mit 77 Jahren noch voller Schwung und Lebensfreude

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Die Heilbronnerin Süßenbach (77) macht seit 42 Jahren Stadtführungen. Sie arbeitet im Bikiniartmuseum in Bad Rappenau-Bonfeld mit und wurde als Tourismusheldin ausgezeichnet. Von ihren Kindern erhielt sie die Auszeichnung „Beste Mama der Welt“. Ihr soziales Umfeld hält sie fit. Im Interview erzählt sie, wie sie das macht.

Die Heilbronnerin Edith Süßenbach (77) lebt ihr Leben auch im fortgeschrittenen Alter noch voller Schwung. Sie genießt es, aktiv zu sein. In der Stadt Heilbronn und im Bikiniartmuseum bietet sie Führungen an.
Die Heilbronnerin Edith Süßenbach (77) lebt ihr Leben auch im fortgeschrittenen Alter noch voller Schwung. Sie genießt es, aktiv zu sein. In der Stadt Heilbronn und im Bikiniartmuseum bietet sie Führungen an.  Foto: Kunz, Christiana

Liebe Frau Süßenbach: Denken Sie eigentlich viel übers Älterwerden nach?

Süßenbach: Ich denke eigentlich gar nicht über das Älterwerden nach. Ich weiß, dass ich älter werde. Aber dass ich alt bin, ist noch nicht angekommen. Ich kann’s ja eh nicht beeinflussen.

Sie tragen ein T-Shirt mit der Glitzeraufschrift „Say yes to new Adventures“. Ist das so ein bisschen Ihr Lebensmotto? Ja sagen zu neuen Abenteuern?

Süßenbach: Vielleicht, auch wenn ich nicht die große Abenteuertante bin. Ich bin schon diejenige, die immer einen roten Faden braucht und vor allem die Familie als Background. Also Abenteuer im Sinne, dass ich ständig etwas Neues brauche, das bin ich nicht. Ich bin eher neugierig auf das Neue. Das trifft es besser.

Menschen, die in Ihrem Alter noch so vital sind, haben oft eine feste Tagesstruktur. Sie auch?

Süßenbach: Als ich in Rente ging, hat mir eines gefehlt: der getaktete Tagesablauf. In der ersten Zeit war das ein bisschen wie Urlaub. Ich bin dann manchmal aber erschrocken, dass der halbe Tag schon rum war und ich hatte nichts gemacht. Den strukturierte Ablauf musste ich erst wieder lernen, also, dass ich morgens immer genau das gleiche mache, nämlich aufstehe, Kaffee trinke und Zeitung lese.

Das Ehrenamt hat Edith Süßenbach beim Übergang in den Ruhestand geholfen

Sie haben ja schon während Ihrer Berufstätigkeit, zuletzt als Personalratsvorsitzende der Polizeidirektion Heilbronn, Führungen in Heilbronn angeboten. Hat Ihnen diese Aufgabe beim Übergang in den Ruhestand geholfen?

Süßenbach: Ja. Das hat mir bei allem geholfen. Ich war ja zuerst als Hausfrau daheim. Dann hat die Stadt Heilbronn diesen Stadtführer-Lehrgang ausgeschrieben. Der war unheimlich anspruchsvoll. Wir mussten viel, viel lernen. Es gab kein Internet. Da musste man in die Stadtbücherei gehen. Damals musste ich das Lernen wieder lernen.

Hat das geklappt?

Süßenbach: Ja das hat geklappt. Meine Kinder haben mit mir gelernt. Die haben so was von blöde Fragen gestellt. Zum Beispiel, wie hoch die Türme der EVS sind. Ich sagte dann, das will doch keiner wissen. Aber genau solche Fragen sind dann nachher von den Gästen gekommen.

Und wie hoch sind die Türme?

Süßenbach: 240 Meter hoch, und 140 der kleine. Das sitzt. Aber die Stadtführungen sind nicht nur Ehrenamt. Das war ja auch aus der Not geboren. Ich stand irgendwann mal mit drei Kindern alleine da und war um jeden Pfennig froh, den ich nebenher verdienen konnte. Dann hatte ich ja das große Glück, dass ich bei der Polizei anfangen konnte. Meine Kinder haben ihren Teil dazu beigetragen, indem sie Aushilfsjobs angenommen und so ihr Studium mitfinanziert haben.

Familie ist für die Heilbronnerin immer ein Geben und ein Nehmen

Dafür haben Sie heute ein sehr gutes Verhältnis zu Ihren Kindern. Sie haben sieben Enkelkinder, demnächst kommt das zweite Ur-Enkelkind. Hält die Familie Sie am Laufen?

Süßenbach: Ja, absolut. Obwohl wir keine Familie sind, die jeden Sonntag zusammen zu Mittag isst. Wir haben eine Whatsapp-Gruppe, in die jeder reinschreibt. Und manchmal sind wir spontan. Dann heißt es: „Bist Du daheim? Wir kommen zum Essen.“ Oder „Willst Du zu uns kommen?“ Also es ist nicht so, dass ich betüdelt werden muss. Viel wichtiger ist mir, dass sie mich an ihrem Leben teilhaben lassen.

Und wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Enkeln?

Süßenbach: Sehr gut. Manche Großeltern beklagen ja, dass sich die Enkel nicht bei ihnen melden. Aber das ist ein Geben und ein Nehmen. Wenn ein 18-Jähriger zu Dir sagt, „Oma, mach  Dir keine Sorgen. Wir lassen Dich schon nicht im Stich“, dann ist das mehr wert, als wenn sie mich jeden Tag zum Kaffeetrinken holen würden. Das brauche ich ja nicht.

Also, Familie, Job und Ehrenamt halten Sie fit?

Süßenbach: Mein soziales Umfeld stimmt. Und ich bin froh, dass ich auch auf meine Freunde zurückgreifen kann. Ich denke, wenn Du älter wirst, ist das soziale Umfeld genauso wichtig wie die Familie. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich manches geschafft hätte, wenn ich nicht Freunde hätte, die immer für mich da waren.

Als Stadtführerin müssen Sie auch mal längere Strecken laufen. Das ist körperlich doch bestimmt anspruchsvoll.

Süßenbach: Ja sicher. Das hält mich auch fit. Da muss ich schon nicht ins Fitnessstudio.

Das würden Sie ja sowieso nicht machen?

Süßenbach: Nein, ich bin nicht der Typ, der sich aufs Fahrrad setzt und dreht.

Lebensfreude im fortgeschrittenen Alter: Dafür muss man was tun

Auf mich strahlen Sie sehr viel Lebensfreude aus.

Süßenbach: Die habe ich auch. Ich bin dem lieben Gott unheimlich dankbar. Dabei gibt es niemanden, der ohne Sorgen ist. Ich auch nicht. Aber alles, was ich so hatte, ist immer gut ausgegangen. Das allein ist doch schon Grund genug zur Freude. Wobei ich auch einen ernsten Anspruch an mich selbst habe: Wenn ich was mache, dann will ich es richtig machen. Wenn ich dann auch noch dafür bezahlt werde, dann liefere ich verdammt noch mal ordentliche Arbeit ab.

Hilft es im höheren Alter, wenn man stolz ist auf den Weg, den man zurückgelegt hat?

Süßenbach: Es ist eher Dankbarkeit und Demut als Stolz. Auf was bin ich stolz? Oft habe ich auch Glück gehabt. Wichtig ist: Beim Älterwerden darf man sich nicht gehen lassen. Meine Mutter war 92, als sie gestorben ist. Wenn die einen Fleck auf der Bluse hatte, hat sie sich umgezogen. Man muss keine Designerklamotten anhaben. Das nicht. Aber die Kleidung muss ordentlich sein. Ich würde nie mit einem dreckigen Schuh aus dem Haus gehen.

Und auch nicht ohne Lippenstift?

Süßenbach (lacht): Ja, auch das nicht. Meine Großmutter hat immer gesagt: Edith, Du musst das betonen, was positiv an Dir ist.

Soziale Kontakte sind im Alter so wichtig wie Familie

Mit Menschen zusammen sein, rauskommen von zu Hause, ist  Ihnen das wichtig?

Süßenbach: Du brauchst ja auch Input. Lebenslanges Lernen ist mir wichtig. Eine Zeit lang habe ich Englischvokabeln gelernt, weil ich gemerkt habe, ich brauche das ab und zu: Also frische mal Dein Englisch auf! Ins Bikiniartmuseum kommen viele, die Englisch sprechen. Da bin ich heilfroh, dass ich Antwort geben kann.

Es gibt ein Lied von Konstantin Wecker, da heißt es: „Bleib nicht liegen, denn sonst setzt sich etwas fest in Deinem Hirn“.

Süßenbach: Ja, das glaube ich auch. Kürzlich hat jemand zu mir gesagt: Edith, warum tust Du Dir das alles noch an. Da war ich ganz entsetzt. Ich weiß gar nicht, was man unter „antun“ versteht. Nur, weil ich jetzt älter werde, tue ich mir das ja nicht an. Sondern ich mache es gern.

„Altern ist nichts für Feiglinge“, hat die Schauspielerin Mae West gesagt. Sehen Sie das genau so?

Süßenbach: Ja, Altern ist nichts für Feiglinge, das ist richtig. Ganz einfach, weil bestimmte Dinge ja trotzdem kommen. Das Gehör lässt nach, dann brauche ich jetzt eine andere Brille. Oder Einlagen. Das sind alles Dinge, mit denen man erst einmal klarkommen muss. Das muss man sich auch bewusst machen. 

Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre?

Süßenbach: Gesund bleiben. Gesund an Leib und Seele. Und dass ich möglichst im Einklang mit meinem sozialen Umfeld und im Einklang mit meiner Familie in Ruhe den nächsten Jahren entgegensehen kann.

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