Die Mariannenstraße 10 ist das älteste Haus der Mariannenvorstadt. Es wurde offenbar als architektonisches Vorbild für die weiteren Häuser der Handwerkerstadt gebaut – das erste stadtplanerisch angelegte Baugebiet der Stadt Ingelfingen –, sagt Architekt Ferdinand M. Schäfer. Erbauer waren demnach zwei Brüder, Verwandte des Planers der Mariannenvorstadt, des Salinenbaumeisters aus Schwäbisch Hall. Dass das Gebäude vorgerückt erscheint, liege daran, dass mit ihm der Straßenverlauf geändert wurde: Die Mariannenstraße wurde als Hauptverbindung nach Künzelsau schräger angelegt, als die bereits bestehenden Wege zwischen den älteren Gebäuden. Gegenüber am Auweg sei der vorige Verlauf noch zu sehen.
Neue Wohnungen in 250 Jahre alten Ingelfinger Gemäuern
Schon im Jahr 1784 waren mehrere Wohnungen in dem Haus vorgesehen. Jetzt sollen in dem Denkmal wieder Mietwohnungen entstehen – das Haus wird sich äußerlich verändern.

Zuletzt hat im ältesten Haus der Mariannenvorstadt ein Mann gelebt. Nun sollen die drei Stockwerke der Mariannenstraße 10 zu Wohnungen werden – und damit wieder den Zweck erfüllen, für den sie offenbar ursprünglich gebaut wurden, vor 250 Jahren. „Das Haus war damals schon als Renditeobjekt gedacht, zum Beispiel für Beamte, die für einige Jahre am Hof der Fürsten gearbeitet haben“, sagt Ferdinand M. Schäfer vom Architekturbüro „Schäfer.Partner“ aus Schwäbisch Hall, das sich auf die Renovierung von Denkmälern spezialisiert hat.
Das Haus werde auch „Logiehaus“ genannt. Den Schluss ziehen die Architekten auch daraus, dass schon beim Bau im Jahr 1784 auf jedem Stockwerk eine Küche und drei Zimmer angelegt sind, „ideal für kleine Wohnungen“, sagt Schäfer. Außerdem ist das Dachgeschoss darauf angelegt, dass darin gewohnt wird: Das Dach besteht aus Fachwerkwänden, die schräg gestellt wurden. „Das ist etwas ganz Besonderes“, sagt Schäfer. Dadurch sei das Stockwerk auch gedämmt. Schäfer vermutet, dass der Zimmermann das Mansardendach – also ein Dach, das außen steil ist und dann abknickt und flacher zur Spitze zuläuft – schnell aufstellen musste. So konnte er es gemeinsam mit den Wänden herstellen, „auf die Kutsche packen“ und aufbauen.
Eingangstreppe war früher vor dem Haus
Eigentlich hatte das Haus eine vorgesetzte Eingangstreppe. Die sei dann in den 1960ern ins Innere verlagert worden. „Das Staffelrecht ist aber noch ins Grundbuch eingetragen“, sagt Schäfer: Die Treppe dürfte wieder auf die Fläche vor dem Hauseingang gebaut werden. „Das würde allerdings die Fußgänger behindern“, deswegen wollen die Planer an dem Aufgang im Gebäudeinneren festhalten. Bauherr ist ein Investor aus Rosengarten bei Schwäbisch Hall: Daniel Neff, ein Rinderzüchter, der gezielt nach einem denkmalgeschützten Haus gesucht habe, um es wiederherzustellen, berichtet Ferdinand M. Schäfer.
Historische Haustür bei Renovierung gefunden
Zur Vorbereitung der Renovierung habe er die eingezogenen Gipskartonwände ausgebaut. Dabei sind einige Fensterläden und die originale Haustür aufgetaucht. Derzeit werde diese restauriert. „Sie wird dann wieder der Eingang zum Haus werden“, freut sich Schäfer, der auch Bauhistoriker ist und seine Leidenschaft für das Projekt nicht verbirgt. „Türen sind die Orte, an denen Laien in Berührung mit Architektur kommen“, deswegen sei ihm der Einbau der etwa 250 Jahre alten Tür sehr wichtig. Bemerkenswert sei auch, dass der Garten hinter dem Haus in seiner ursprünglichen Form erhalten sei.
„Am Grundriss müssen wir nichts ändern“, weil das Gebäude schon als Mietshaus angelegt ist. Überhaupt haben die Denkmalbehörden nur wenige Anpassungen gefordert. „Wenn man sich an dem ursprünglichen Gebäude orientiert, sind die Behörden sehr zugänglich“, sagt der Planer.
Das Haus war im Spätbarock verputzt
Äußerlich wird sich das Gebäude verändern. Denn das Fachwerk war zuletzt offen sichtbar. „Das wurde im Spätbarock aber verputzt, um einen massiven Bau vorzugaukeln“, sagt Schäfer. Dass das Fachwerk nun wieder versteckt werde, habe den Vorteil, dass das Gebäude eine Dämmung bekomme, denn eine energetische Sanierung sei auch bei Denkmälern selbstverständlich. „Dadurch erreichen wir einen akzeptablen Wärmestandard.“ Eine Wärmeverbund-Dämmung würde ein altes Fachwerkhaus allerdings zu stark isolieren – Feuchtigkeit könnte dann die Substanz zerstören.
Die Renovierung sei akribisch vorbereitet worden, sagt Schäfer. Bauforscher haben das Gebäude untersucht und vermessen. Dabei gebe es zwei Fragen: „Was muss repariert werden? Und was können wir machen, um es schön umzubauen?“ Dabei stellten sie fest, dass die Rückwand des Hauses sich im Verlauf der Jahrhunderte um fünf Zentimeter verschoben habe und einige Balken schon durch Wasser vollständig aufgelöst waren. Das werde nun repariert. In zwölf bis 14 Monaten soll das neue Logiehaus dann fertig sein: Dann mit sechs Wohneinheiten, Zwei- und Dreizimmerwohnungen mit Balkon.