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Interview/Künzelsau
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Wie Rainer Grill auf Tiktok um Fachkräfte für Ziehl-Abegg wirbt

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Im Interview spricht Rainer Grill, der Tiktok-Star von Ziehl-Abegg, über falsche Vorurteile, millionenfache Klicks und seinen persönlichen Oscar-Gewinn-Moment. Und warum er findet, dass die Elevator Boys von Tiktok bevorzugt werden.

Perfekt ausgeleuchtet: Das Tiktok-Kernteam, bestehend aus Sophie Grill (links), Rebecca Amlung und Rainer Grill, dreht ein neues Video.
Perfekt ausgeleuchtet: Das Tiktok-Kernteam, bestehend aus Sophie Grill (links), Rebecca Amlung und Rainer Grill, dreht ein neues Video.  Foto: Ufuk Arslan

Auf Tiktok gezielt um Fachkräfte mit Berufserfahrung werben. Das macht Rainer Grill auf dem Unternehmens-Account von Ziehl-Abegg in Künzelsau. Mit wenigen Mitteln, dafür ziemlich erfolgreich: Sein Team gewann im Juni in zwei Kategorien den Deutschen Preis für Onlinekommunikation.

 

Sie haben im Juni 2020 mit dem Tiktok-Account angefangen, nun sind Sie selbst ein Star: "Ziehl_Abegg" folgen aktuell 95.900 Menschen, 2,5 Millionen Mal wurden Ihre Videos gelikt. Wie häufig werden Sie beim Bäcker erkannt?

Rainer Grill: Kommt vor. Auch im Supermarkt oder in der Eisdiele. Ich war zum Beispiel mal an der Uni Würzburg für einen Vortrag. Und dann fragt ein Chef eines mittelständischen Unternehmens: "Kann ich mit Ihnen ein Selfie machen?" Das zeigt: Unsere Tiktok-Videos wirken.


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Ausgezeichnet mit dem Deutschen Preis für Onlinekommunikation wurden Sie in zwei Kategorien: "Kampagne mit geringem Budget" und "Industrie & Maschinenbau". Wie hat es sich angefühlt, als der Name Ziehl-Abegg fiel?

Deutscher Preis für Onlinekommunikation: Moderator Patrice Bouédibéla (links) überreicht die Trophäe an das Ziehl-Abegg-Team.
Deutscher Preis für Onlinekommunikation: Moderator Patrice Bouédibéla (links) überreicht die Trophäe an das Ziehl-Abegg-Team.  Foto: Alexander Rentsch / Quadriga

Grill: Das war wie ein Oscar-Gewinn. Wir haben uns schon über die Nominierung riesig gefreut. Ich habe zu meinen Kolleginnen gesagt, das ist schon Auszeichnung genug. Wir sind ja im Bundesvergleich ein relativ kleiner Account, machen alles selbst, setzen unsere Ideen mit wenig Geld und ohne Agentur um. Das war ein absolutes Highlight und für mich persönlich der beeindruckendste Moment.

 

Kann man durch Tiktok denn mehr Fachkräfte rekrutieren?

Grill: Ja. Wie viele Bewerbungen genau durch Tiktok kamen, kann ich nicht sagen. Sehr selten schreibt jemand dazu, er kenne uns von Tiktok. Aber anhand von Kommentaren wie: "Sucht ihr noch Fachinformatiker?" und "Braucht ihr Strategische Einkäufer?" sehen wir, dass es wirkt. Wir werden bekannter, präsentieren uns als attraktiver Arbeitgeber. Noch dazu zeigen wir damit auch Kunden, dass wir innovativ um Mitarbeiter werben und uns für die Zukunft breit aufstellen.


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Welche Inhalte veröffentlichen Sie auf Tiktok?

Grill: Bei uns richtet sich der Fokus zu 95 Prozent auf unsere Marke als Arbeitgeber. Wir wollen neue Mitarbeitende werben, also die Arbeitgeber-Marke stärken. Da wir ein B2B-Unternehmen sind - also nicht gezielt für Privatkunden werben wie etwa die Telekom oder Lidl - haben wir uns anfangs überlegt: Was passt zu uns? Man sollte nicht alles mitmachen, was Views bringt. "Wir sind keine Tuning-Bude", ist mein Standard-Spruch. Wir können auch nicht jede Woche nur Tanzvideos machen, wir sind kein Tanzclub. Wenn manche Mitarbeitende gerne tanzen oder lipsyncen, dann hat man vielleicht eine Schnittmenge mit einem aktuellen Trend. Aber nicht auf Teufel komm raus.

 

Tiktok zeigt die Videos Menschen, die dem eigenen Account noch nicht folgen. Was funktioniert bei Ihnen besonders gut und warum?

Grill: Ich glaube, uns sieht man an, dass wir richtig Spaß dabei haben. Die App lernt, was dem Nutzer gefällt und schlägt dann ähnliche Videos vor. So haben wir Reichweite auch bei Berufserfahrenen bekommen. Zum Beispiel die Telephone-Challenge. Die haben in einer Nacht eine Million Menschen gesehen und Hunderttausend haben auf "Gefällt mir" gedrückt. Das muss man sich mal vorstellen. Rund 350 Kommentare kamen da an. Und die habe ich in der Nacht auch beantwortet. Klar, kann man da sagen: "Du spinnst ja." Aber sowas gibt Adrenalin. Das ist wie Applaus, wenn man auf einer Bühne steht. Natürlich antworte ich dann nicht erst am nächsten Morgen auf die Kommentare.

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Haben Sie sich dann vor allem durch das Orientieren an Trends die Reichweite aufgebaut, die Ziehl-Abegg heute hat?

Grill: Ja. Wir haben früher geguckt, welche Trends es gibt und wie wir das umsetzen können. Zuerst waren wir als Creator angemeldet, daher durften wir die virale Musik kostenlos nutzen. Nach Gesprächen mit Tiktok und anderen Unternehmen haben wir erfahren, dass wir Gema zahlen sollen. Andere Creator, wie etwa die Elevator-Boys, die monatlich etwa zwischen 50.000 und 100.000 Euro pro Kopf verdienen, werden von Tiktok gefördert. Sie bekommen die Gema-Gebühren von Tiktok bezahlt. Wir werden hingegen als Unternehmen eingestuft und müssten daher für die virale Musik bezahlen. Und zwar nicht wenig - das kann je nach Follower sechsstellige Summen erreichen. Also haben wir uns entschieden, ab sofort keine virale Musik mehr zu benutzen und alte Titel zu löschen. Dadurch wächst unser Account nun langsamer.

 

Was raten Sie anderen Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen?

Grill: Wenn man Mitarbeitende hat, die für eine Idee brennen, geben Sie Ihnen den Freiraum und das Vertrauen, diese Idee umzusetzen. Bei uns guckt auch nicht der Vorstand über jedes Video vor der Veröffentlichung. Und ruhig mal was Neues wagen. Mit den Regeln von gestern kann man sich nicht für die Zukunft von morgen vorbereiten.


Zur Person

Rainer Grill kommt aus Niedernhall und ist seit 2011 Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei Ziehl-Abegg. Zuvor hat er als Redakteur 22 Jahre für diverse Zeitungen gearbeitet, unter anderem auch für die Heilbronner Stimme.

Was ist Tik Tok?

Die chinesische Video-App ist ein Soziales Netzwerk, das 2018 mit Tanzvideos und lippensynchronem Mitsingen (lipsyncen) bekannt wurde. Inzwischen sind die Videos, die meist zehn bis 30 Sekunden lang sind, inhaltlich diverser. Zwei Drittel der Nutzer sind 25 Jahre oder älter, in Deutschland nutzen 15 Millionen die App. Die Videos werden - anders als in anderen Sozialen Netzwerken - Menschen angezeigt, die dem eigenen Account nicht folgen. So erreicht man Nutzer außerhalb des eigenen Freundes- und Bekanntenkreises. 

 
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