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Wie groß ist die Brandgefahr von Windrädern?

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Brandgefahr und Brandschutz: Im Vorfeld des Baus neuer Windenergieanlagen erhitzen sie manche Gemüter. Die Gegner des geplanten Windparks Karlsfurtebene plakatieren Szenarien brennender Wälder. Doch wie groß ist das Risiko wirklich?

von Christian Nick
Hier in Südbaden drehen sich seit Jahren Windräder im Wald: Rund 730 Anlagen gibt es aktuell im Ländle, Brände gab es seit 2005 nur eine Handvoll.
Foto: Archiv/Seeger
Hier in Südbaden drehen sich seit Jahren Windräder im Wald: Rund 730 Anlagen gibt es aktuell im Ländle, Brände gab es seit 2005 nur eine Handvoll. Foto: Archiv/Seeger  Foto: Patrick Seeger

Wer die Plakate sieht, kann mächtig Angst bekommen: "...und drunter brennt unser Wald", hat die Bürgerinitiative "Gegenwind" als Schriftzug neben ein lichterloh in Flammen stehendes Windrad montiert. Auch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats artikulierten Bürgermeister und Räte erneut ihre Besorgnis ob der Brandgefahr einer der Anlagen des geplanten Windparks Karlsfurtebene.

Die Ökostrom-Generatoren seien am geplanten Standort eine "unvertretbare Gefahr", so Rathauschef Bernd Herzog im Plenum - und Gemeinderat Rolf-Dieter Kempis (Freie Wählergemeinschaft) präsentierte in seinem Vortrag eine Folie, die für ganz Deutschland allein zwischen Oktober 2015 und August 2016 zehn Brandereignisse in und an Windrädern auswies.

Doch wie groß ist das Risiko wirklich? Wie viele Anlagen fangen Feuer - und wie oft verursachen diese dann auch einen Waldbrand? Unstrittig ist: Windräder können brennen: etwa durch Blitzeinschlag oder Getriebeschaden. "Eine reale Gefahr, kein Fake", so Rat Kempis. Die Taktik der Feuerwehr in einem solchen Fall: Kontrolliert abbrennen lassen und die Umgebung außerhalb eines 500-Meter-Radius schützen. Ein Waldbrand? "Ein Gefahrenpotenzial, das wir nicht eingehen wollen", so Bernd Herzog. Es bestehe schließlich Gefahr für "Leib und Leben" hunderter Menschen, etwa im Albert-Schweitzer-Kinderdorf.

"Wir wollen diese Windräder nicht!": Bürgermeister Bernd Herzog gab bei der jüngsten Gemeinderatssitzung erneut seiner Ablehnung Ausdruck. Screenshot: Nick
"Wir wollen diese Windräder nicht!": Bürgermeister Bernd Herzog gab bei der jüngsten Gemeinderatssitzung erneut seiner Ablehnung Ausdruck. Screenshot: Nick  Foto: privat

30.000 Windräder - eine Handvoll Brandereignisse pro Jahr

Versuch eines Faktenchecks: In Deutschland drehen sich aktuell rund 30.000 Windräder. Wer nun wissen will, wie viele Brände - und vor allem: Waldbrände - es im vergangenen Jahrzehnt tatsächlich gegeben hat, stößt auf eine Schwierigkeit: "Es gibt kein offizielles, zentrales Register für Schadensfälle", sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer der Branchenvereinigung "Bundesverband Windenergie" (BWE). Die Bundesnetzagentur sowie das Fraunhofer-Institut, die ebenfalls von der HZ angefragt wurden, konnten ebenfalls kein entsprechendes Zahlenwerk vorlegen.

Der BWE indes führt eine eigene Statistik, in der die außergewöhnlichen Vorkommnisse an Windrädern dokumentiert sind. Das Papier liegt der HZ vor. Nach diesem hat es in dem von Rolf-Dieter Kempis genannten Zeitraum deutschlandweit tatsächlich zehn Brandereignisse gegeben. Allerdings war das eine ungewöhnliche Häufung, die nicht repräsentativ ist. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum des Folgejahres 2016/2017 etwa weist die Liste vier Brände in Windrädern aus; in der Phase zwischen Oktober 2014 bis August 2015 waren es sechs.

Die Statistik reicht zurück bis 2005: 57 Brände gab es in diesen 15 Jahren bei allen Windrädern, die sich in Deutschland drehten und drehen. Im Durchschnitt sind das statistisch also knapp vier pro Jahr. Exakt eine einzige Person wurde dabei verletzt: ein Wartungsarbeiter 2016 im Kreis Kleve in Nordrhein-Westfalen. Die Monteure hatten den Brand selbst ausgelöst.

Horrorszenario: Plakate der Bürgerinitiative "Gegenwind Waldenburg, Michelbach, Öhringen" schüren gezielt die Angst vor einem großen Feuer im Wald. Foto: privat
Horrorszenario: Plakate der Bürgerinitiative "Gegenwind Waldenburg, Michelbach, Öhringen" schüren gezielt die Angst vor einem großen Feuer im Wald. Foto: privat  Foto: privat

Windkraft-Experten: Kein einziger Waldbrand

In Baden-Württemberg gab es laut des Papiers in allen Anlagen innerhalb der vergangenen 15 Jahre vier Brände. Verletzt wurde dabei niemand. 104 Schadensfälle - nur rund die Hälfte davon durch Feuer - findet man in der Aufstellung: "Circa 10 Großschäden pro Jahr erscheinen bei einer Kapazität von 30.000 Anlagen verschwindend gering", sagt Wolfram Axthelm vom Branchenverband. Der Blitzschutz biete überdies einen "zuverlässig hohen Schutz" - und bei einem Standort im Wald werde durch Auflagen und Vorschriften Gefahr für Leib und Leben zusätzlich ausgeschlossen.

"Die jährlichen Brände von Windenergieanlagen in Deutschland lassen sich an einer Hand abzählen", sagt auch Daniel Duben, Sprecher beim Projektierer Abo Wind. "Zudem werden die Anlagen durch moderne Technik immer sicherer." Dennoch habe man ein "individuelles Brandschutzkonzept" vorgelegt.

Und wie groß ist nun die von den Windpark-Gegnern vielbeschworene Gefahr eines durch brennende Windräder erzeugten größeren Waldbrandes? In der Statistik ist offenkundig kein solcher Fall erkennbar - und sowohl Duben als auch Axthelm sagen zur Hohenloher Zeitung, dass ihnen kein einziger so entstandener Waldbrand bekannt sei.

Kritik am Gutachten

Verwaltung und Rat betrachten das Brandschutzgutachten als unzureichend: Eine Gefahr sieht man durch weggeschleuderte, brennende Rotorblatt-Teile. Dadurch könnte, so Bürgermeister Herzog, ein „gefährlicher Flächenbrand“ entstehen. Das Gutachten nehme „kaum Bezug zum Standort der Windräder im Wald, insbesondere mit naheliegender Bebauung“. Somit entfalte das von Abo Wind bei externen Gutachtern in Auftrag gegebene Sicherheitspapier „keinerlei Aussagekraft für den Standort Waldenburg“. 

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