Wenn Freddy Quinn durch die Halle rollt
Schlager trifft Kabarett:Wirschaftswunder und Klaus Birk in der Stadthalle

Schuld war nur der Bossanova" singen eine Blondine im schwarzgetüpfelten Cocktailkleid und ein junger Mann im schreiend roten Blazer mit Elvis Tolle. Die meisten der rund 200 Zuschauer in der Künzelsauer Stadthalle sitzen nicht mehr auf ihren Plätzen, sondern tanzen. Die sechsköpfige Band Wirtschaftswunder lässt die 50er Jahre wieder aufleben und spätestens bei "Let’s twist again" gibt das Publikum alles. Doch an diesem Abend geht es nicht nur um Schlager, sondern auch um die 50er allgemein. Kabarettist Klaus Birk weiß einiges darüber, vor allem über Beziehungen. "Das Frauenbild früher war besser für viele Männer. Du bisch hoim ond hasch gar nigs mehr g’macht", sagt Birk.
Erinnerungen Die Besuche bei der Verwandtschaft hat er in unguter Erinnerung. "Wenn du doa eiglade warsch, da hasch du vorher 14 Dag a intressiertes G’sichd macha, trainiere miesa". Die heutige Jugend müsse kein Interesse vortäuschen und schaue statt die Verwandtschaft, lieber das eigene Smartphone an.
Von wegen Smartphone, die 50er stehen auch für Telefonhäusle. Man konnte für 20 Cent unheimlich lang schwätzen, bloß wenn schon jemand vor der Zelle stand, konnte das zu Problemen führen, erklärt Birk. Das ruft bei Besucherin Heike Rüger (51) aus Künzelsau auch den Geruch der Telefonbücher wieder in Erinnerung. Von der Schlagerparty ist sie angetan, weil die Band Wirtschaftswunder das Publikum mitnimmt, sagt sie.
Immer wieder fordern die Sänger zum Tanzen, Klatschen oder sogar zum Winken mit weißen Taschentüchern auf. So auch bei einem der Höhepunkte des Abends, als Freddy Quinn (Wirtschaftswunder-Sänger Oswald) zum traurigsten Lied der Schlagergeschichte, "Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong" durch das mit Taschentüchern winkende Publikum rollt. Er singt und schüttelt die Hände der Gäste. Ein anderer Mann macht’s möglich, indem er den Sänger auf einer schwarzen Box durch die Menge rollt.
Gags Doch bevor die Besucher zu sehr in Schlagern schwelgen, kommt auch schon der Schnitt und Birk ist an der Reihe. Während er sich zuvor eher an Allgemeinplätzen und schon bekannten Gags aufgehalten hat, überrascht er nun mit dem Thema Trump-Tower in Stuttgart. Beim Hochhausbau gibt es einiges, zu berücksichtigen. "Heut’ muss mer jedem Käfer ah Häusle uffm Baum baua. Früher hat mer den verdabbt ond nomkickt." Die Einflugschneiße von Zugvögeln verhindere ebenfalls manchen Bau. Birk kann nicht fassen, dass ein Vogel, der es bis nach Südafrika schafft, zu blöd sein soll, in Stuttgart um ein Hochhaus herum zu fliegen.
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