Was tun, wenn sich Jugendliche radikalisieren?
Gegen Hass und Hetze: Ein Fachtag am Schlossgymnsium in Künzelsau beschäftigt sich mit Rassissmus, Radikalisierung und Ratlosigkeit unter Jugendlichen. Dabei zeigt sich, allgemeingültige Definitionen zu finden, ist nicht so einfach.

Zu Beginn gibt es für die Besucher gleich ein Fallbeispiel. "Wir haben hier nicht das große Problem mit rechten Gruppen", schickt Dieter Hummel, Schulleiter des Schlossgymnasiums Künzelsau, in seiner Begrüßung voraus. Dann berichtet er aber von einem Schüler, der ein T-Shirt einer Marke getragen habe, die in rechtsextremen Kreisen als Erkennungszeichen gelte.
Von anderen Schülern und Kollegen darauf aufmerksam gemacht, suchte Hummel das Gespräch mit dem Jungen. "Er hat es dann nicht mehr angezogen", sagt der Schulleiter, der generell jedoch beklagt, dass mit derlei Situationen schwierig umzugehen sei. "Man hat kaum eine Handhabe", so Hummel.
Experte: Es gibt auch eine positive Form von Radikalisierung
Um über Rassismus, Radikalisierung und Ratlosigkeit bei Jugendlichen zu informieren, veranstalten die Jugendreferate des Hohenlohe- und Main-Tauber-Kreises sowie des Landkreises Schwäbisch Hall und das Demokratiezentrum Baden-Württemberg im Schlossgymnasium einen Fachtag. Sein Titel: "Jugendliche im Spannungsfeld extrem versus egal". Rund 70 Interessierte sind gekommen, darunter sind Jugendarbeiter, Schulsozialarbeiter und Präventionslehrkräfte.
"Ab welcher Schwelle ist etwas radikal?", fragt Jens Ostwaldt in seinem Einführungsvortrag. Der Extremismus-Experte und Fachstellenleiter beim Demokatiezentrum unternimmt einen Ritt durch die einschlägige Forschung, liefert Definitionen, behandelt Einflussfaktoren, erläutert die Stufen der Radikalisierung und zeigt Handlungsmöglichkeiten auf.
Dabei spart er nicht mit eigenen Thesen. "Es gibt auch eine positive Form von Radikalisierung", lautet zum Beispiel eine davon. Denn: "Gesellschaften sind nur dann vorwärts gekommen, wenn es Menschen gab, die radikal gedacht haben", so Ostwald. Vor allem sind es aber die negativen Aspekte des Phänomens, die der Experte behandelt.
Auch Antisemitismus und Waffengewalt werden angesprochen
Danach geht es mit verschiedenen Workshops weiter. Zwischen den Schwerpunktthemen Antisemitismus heute, Faszination Waffengewalt oder Radikalisierungsverläufe haben die Fachtag-Besucher hier beispielsweise die Wahl. In den Pausen bleibt zudem Zeit, um sich an den Infoständen mit weiterführenden Materialien einzudecken.
Bei den Teilnehmer kommt das Angebot gut an. "Sehr informativ" findet zum Beispiel Bettina Schniggenberg von der Evangelischen Jugenhilfe Friedenshort in Öhringen die Programmpunkte, die sie am Vormittag besucht hat. Die Beispiele der Referenten seien sehr anschaulich, beim Workshop zum Thema Antisemitismus hätte sich Schniggenberg jedoch mehr Tipps zum Umgang damit gewünscht. "Wir hatten in einer Gruppe mal zwei Jugendliche, die rechtes Gedankengut hatten", berichtet die Sozialpädagogin über ihre Arbeit mit Heranwachsenden im Alter von 16 bis 19 Jahren.
Teilnehmer berichten aus ihrem Arbeitsalltag
"Ich bin nicht wegen eines Problems hier, sondern weil ich es generell wichtig finde, auch präventiv was zu machen", sagt Sebastian Janocha, Schulsozialarbeiter an der Eugen-Grimminger-Schule in Crailsheim. Er hat sich in einem Workshop mit Möglichkeiten der Radikalisierung und wie man ihnen entgegenwirken kann auseinandergesetzt. "Das ist was, was man direkt mitnehmen und in der Praxis umsetzen kann. Und das ist auch genau das, was ich so erwartet habe", lobt Janocha, der noch einen weiteren Workshop vor sich hat.
"Da für uns immer wichtig ist, auch in Zusammenarbeit mit den Schulen auf dem Laufenden zu sein und uns immer die neuesten Entwicklungen anzuhören, nehmen wir an solchen Gelegenheiten auch immer teil", erklärt Simon Laidig vom Referat Prävention bei der Polizei in Schwäbisch Hall. Zum Glück, wie er erzählt, habe er im Bereich Prävention mit Radikalismus und Rassismus wenig zu tun. "Aber natürlich ist es durchaus möglich, dass sich solche Tendenzen auch ändern, und dann muss man eben vorbereitet sein", so Laidig.
Eine allgemeingültige Definition zu finden, ist nicht einfach
"Radikalisierung bezeichnet die Entwicklung von unproblematischen hin zu problematischen Verhaltens- und Einstellungsmustern auf Grundlage eines religiösen, politischen, ideologischen Wertesystems", so definiert Jens Ostwald, Fachstellenleiter beim Demokratiezentrum Baden-Württemberg, das Phänomen. Der Extremismus-Experte räumt jedoch ein, dass diese Begriffsbestimmung selbst nicht unproblematisch sei - und einige Worte ihrerseits wiederum genauer beschrieben werden müssten.
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