Ulf und Sabine Kretschmer verlassen das Schlosscafé Öhringen: Kaffeehaus-Atmosphäre wird fehlen
Für die Familie Kretschmer wird es ein Abschied mit einem lachendem und einem weinendem Auge. Das Café wird weiterhin existieren - unter neuer Leitung und neuem Namen.

Es hat was von Kaffeestündchen mit Oma und Opa oder dem Plausch mit der besten Freundin: Wenn sich die Glasschiebetür zum Schlosscafé in Öhringen öffnet, dann duftet es nach frischgebackenem Kuchen. Zentimeterhoch steht die Käsesahne neben dem mit Erdbeeren und Kiwi belegten dunklen Biskuit. Der Duft nach Süßem mischt sich mit dem Aroma von frisch gebrühtem Kaffee, der gerade durch die Maschine gedrückt wird. Hinter der Theke steht im weißen Konditorkittel Ulf Kretschmer und legt den nächsten Kuchen in die Auslage. Doch damit ist bald Schluss: Zur Öhringer Messe werden neue Pächter das Schlosscafé bewirtschaften, dass dann Café Louise heißt.
Geschirr und Deko auf dem Hausflohmarkt
Die letzten Stunden im Schlosscafé sind angebrochen. In der Weinstube stehen beim Hausflohmarkt Teller, Tassen, Gläser und Deko-Artikel. Alles Dinge, die Ulf (55) und Sabine (49) Kretschmer in ihrem neuen Leben ohne Café nicht mehr gebrauchen können. Die Eismaschine und das Werkzeug zum Schokolade gießen, das sind Dinge, die Ulf Kretschmer nicht hergeben wird. In welcher Form sie seinen weiteren Lebens- und Arbeitsweg begleiten, das wird er die nächsten Tage und Wochen in aller Ruhe entscheiden.
Die wichtigste Entscheidung hat Ulf Kretschmer schon getroffen: die gegen das Café und für sich und die Familie, zu der die zwei 13 und 16 Jahre alten Jungs gehören. "Mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt Ulf Kretschmer, gebe er den Schlüssel des Schlosscafés weiter.
Warmer Rhabarberkuchen ist immer noch etwas Feines
Süßes mag er immer noch, schwärmt er von dem noch warmen Kuchen mit dem ersten Rhabarber des Jahres, den er eben aus dem Ofen genommen und zusammen mit seiner Mitarbeiterin angeschnitten hat. "Schmeckt schon besonders, der erste im Jahr", sagt Ulf Kretschmer. Auch die Torten mag er immer noch gern. Nicht viel, so ein viertel oder halbes Stück, oder eine Praline zum Espresso.

Aber das sei dann eben auch die Kehrseite der Medaille: Personal, das schwer zu finden und zu halten sei. Zehn bis 14 Personen brauche man, wenn alle Tische besetzt sind. Und das seien sie oft. "Und wir wollten eben immer mit guten Mitarbeitern arbeiten", betont Ulf Kretschmer den Qualitätsanspruch.
Lindt-Schokolade war früher etwas Seltenes
Früher, als sein Vater am 21. März 1964 das Café Nussknacker im Nussbaumweg eröffnet habe, da sei sie normal gewesen, die Kaffeehaus-Atmosphäre. In der Backstube entstanden die Nussknacker-Torte und die Schwarzwälder, der Käsekuchen und die Plunderstücke. Vorne saßen die Gäste beim Kännchen Kaffee auf dem silbernen Tablet. Schokolade gab es damals auch schon zu kaufen: "Und zwar von Lindt. Die gab es damals noch nicht im Supermarkt", erinnert sich Ulf Kretschmer an seine Kindheit zurück.
1998 hat er mit seiner Frau Sabine das Café übernommen. 2015 folgte der Umzug ins Öhringer Schloss, da das Gebäude an der Ecke zum Hofgarten abgerissen und neu aufgebaut wurde.
Schokolade nimmt mehr und mehr Raum ein
Schon vor dem Umzug hat Ulf Kretschmer sich mehr und mehr mit Schokolade beschäftigt. Erst waren es nur vier verschiedene Sorten. Heute ist die Auswahl riesig, dazu kommen Osterhasen und Weihnachtsmänner.
Im Café selbst, meint Ulf Kretschmer, habe sich gar nicht so viel verändert: Die Kuchen und Torten sind nach wie vor beliebt bei den Kunden. Wenn das Geschäft mit österlichen Figuren vorbei sei, dann kommen die Hochzeitstorten. Im Herbst werden dann Früchtebrot und Stollen und Naschwerk für den Plätzchenteller gebacken. Verschoben hätten sich allerdings die Publikumsanteile: Hätte Frühstück früher kaum eine Rolle gespielt, sei nun gerade das ein großes Frequenzbringer: "Früher gab es gerade mal drei verschiedene Frühstücke", deutet Ulf Kretschmer auf die momentane Speisekarte, die eine große Auswahl bereit hält.
Künftig hat er dann auch mal Zeit, mit seiner Familie irgendwo frühstücken zu gehen. Oder aber er macht einfach daheim ein leckeres Sonntagsfrühstück und deckt dazu den Tisch besonders schön. Vielleicht mit drei oder vier der 70er-Jahre-Vasen, die gerade noch einige Tage mit einer einzelnen Tulpe bestückt auf den Tischen stehen. "Die Vasen sind wieder richtig hübsch", freut sich Ulf Kretschmer über eine Entdeckung, die er beim Ausräumen gemacht hat.
Anfang April haben die neuen Pächter den Vertrag unterschrieben. Als Schlosscafé Louise wird zur Öhringer Messe mit verändertem Konzept eröffnet. Neben Cafébetrieb tagsüber wird es auch abends eine Bar und kulturelle Veranstaltungen geben.

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