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Steht HVO-Diesel vor dem Durchbruch?

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Eine Gesetzesänderung ermöglicht ab Mitte April den breiten Einsatz von erdölfreiem HVO-Diesel aus Altfett. Warum das manche Hohenloher besonders erfreut.

von Christian Nick
Was kommt rein ins Auto? Ab Mitte April dürfen Tankstellen erdölfreien Diesel, wie er durch das Modellprojekt im Kreis gewonnen wird, für alle anbieten.
Foto: dpa
Was kommt rein ins Auto? Ab Mitte April dürfen Tankstellen erdölfreien Diesel, wie er durch das Modellprojekt im Kreis gewonnen wird, für alle anbieten. Foto: dpa  Foto: Daniel Reinhardt

Roland Weissert freut sich: "Wir haben zehn Jahre dafür gekämpft, dass dies ermöglicht wird", sagt der Geschäftsführer des Hohenloher Energie-Handelsbetriebs Edi. Grund seines Frohsinns: Kürzlich haben Bundestag und Bundesrat nach langer Hängepartie eine Gesetzesänderung beschlossen, die erdölfreien Biodiesel - wie er beim Modellprojekt "Jeder Tropfen zählt" seit 2021 im Hohenlohekreis gewonnen wird - flächendeckend zulässt.

Über 50 000 dieser Altfett-Sammelbehälter wurden im Kreis verteilt.
Über 50 000 dieser Altfett-Sammelbehälter wurden im Kreis verteilt.  Foto: privat

Jener sogenannte HVO-Sprit, der im Hohenlohekreis als "Care-Diesel" bereits an einzelnen Edi-Tankstellen erhältlich war, wird laut Hersteller aus alten Speiseölen und anderen Abfällen gewonnen - wurde aber bisher in privaten Autos und Lastwagen lediglich zu geringem Anteil als Beimischung erlaubt.

Biodiesel: Öhringer Brennstoffhändler bereitet Ausweitung vor

Ab Mitte April dürfen nun offiziell alle Dieselfahrzeuge komplett mit dem Bio-Synthie-Sprit betankt werden. "Das finden wir natürlich klasse", sagt Weissert. "Wir bereiten uns nun auf den Verkaufsstart vor und werden den Sprit zunächst an acht unserer Tankstellen anbieten", kündigt der Edi-Chef an.

Im Laufe des Jahres soll der Altfett-Diesel dann an weiteren zwei Tankstationen verfügbar sein. In Öhringen, Neckarsulm, Weinsberg, Erlenbach, Kirchberg an der Jagst, Obersontheim, Langenburg und perspektivisch auch in Jagsthausen können die Autofahrer künftig bei Edi ihr Dieselauto mit dem neuen Kraftstoff, der offiziell nun das Kürzel XTL tragen wird, betanken.

Doch ist das überhaupt empfehlenswert? Laut ADAC sind nur die Motoren der Hersteller Audi, BMW, Citroën, Peugeot, Opel, Nissan, Renault, Dacia, Seat, Cupra, Skoda, Toyota, Volvo und VW für Biodiesel explizit zugelassen. "In der Tankklappe stehen die Informationen drin", sagt Weissert und rät dazu, im Zweifel lieber nochmals nachzusehen. "Aber aus Erfahrung: Jeder Dieselmotor funktioniert mit dem Kraftstoff hervorragend."

Dass sich der aktuelle Preisunterschied von rund 20 Cent pro Liter im Vergleich zu konventionellem Diesel zeitnah nivelliert: Darauf dürfen die Verkehrsteilnehmer indes nicht hoffen. "Der Kraftstoff wird teurer bleiben", prognostiziert der Fachmann. Denn er beinhalte die volle Energiesteuer von 55 Cent je Liter. Weissert hofft, dass der auf europäischer Ebene ventilierte Vorschlag, besagte Abgabe anhand des CO2-Ausstoßes zu berechnen, perspektivisch von Erfolg gekrönt sein könnte. Falls nicht, sorgten die Kosten für Sammlung und Aufbereitung des Altfetts weiter für den höheren Preis an der Zapfsäule.

Mineralölkonzerne offenbar noch zurückhaltend

Ist für Großhändler überhaupt schon genug des neuen Sprits am Markt verfügbar? Noch sei jener knapp, sagt Weissert. Doch Edi habe sich rechtzeitig eingedeckt. Schließlich ist sein Unternehmen Vertriebspartner von Neste - dem weltweit größten Hersteller von HVO-Kraftstoffen. "Wir haben die nötigen Mengen, aber die hat nicht jeder Händler in Deutschland."

Werden auch die großen Unternehmen nun auf HVO setzen? "Wir prüfen alle Optionen zur Einführung von HVO, können aktuell aber noch keine Angaben machen, wann mit der Einführung bei Aral konkret zu rechnen ist", sagt etwa Eva Kelm, Pressesprecherin des Mineralölkonzerns BP/Aral. Nach Stimme-Informationen sind Betreiber auch deshalb noch zurückhaltend, weil für jede Tankstelle zunächst auch die Genehmigung der zuständigen Wasserbehörde eingeholt werden muss.

"Jeder Tropfen zählt": Pilotprojekt wird über Hohenlohekreis ausgedehnt

Für etwas mehr altes Fett aus Privathaushalten, das zum Biosprit werden kann, wird jedenfalls die Ausdehnung des Pilotprojekts "Jeder Tropfen zählt" sorgen: War das Start-up lange nur in Bayern aktiv, ehe man sich auf den Hohenlohekreis ausdehnte, gibt es das Angebot mittlerweile in einer Gemeinde im Landkreis Konstanz. Und auch im Neckar-Odenwald-Kreis gehen die grünen Sammel-Automaten gerade an den Start. Sebastian Damm, vormaliger Chef der Abfallwirtschaft des Hohenlohekreises, hat die Idee dort etabliert.

HVO-Sprit: Umweltverband kritisiert vermeintliches Greenwashing

"Dass der Abfallwirtschaftsbetrieb im Neckar-Odenwald-Kreis nun auch ein Pilotprojekt zur dezentralen Sammlung startet, freut uns sehr", sagt Anja Kohr, Sprecherin der Abfallwirtschaft des Hohenlohekreises. "Je mehr Landkreise und Kommunen mitmachen, umso größer wird der Effekt für unser Klima."

Doch es gibt auch bereits Kritik am als nachhaltig gelabelten Kraftstoff: Zwar ist der zur Aufbereitung nötige Energiebedarf laut Roland Weissert kleiner als bei E-Fuels, die Deutsche Umwelthilfe (DUH) jedoch kritisiert, das verwendete Altfett stamme nicht nur aus Abfällen, sondern auch aus frischem Palm- oder Rapsöl. HVO-Kraftstoffe seien fatal für Klima und Umwelt. Regenwald werde zerstört - und die Altfette seien lediglich ein Feigenblatt, um Biodiesel nachhaltiger erscheinen zu lassen, als er eigentlich sei.


Zum Jahreswechsel hat die hiesige Abfallwirtschaft eine Zwischenbilanz gezogen. Demnach wurden im Hohenlohekreis 2023 fast 20.000 Sammelflaschen in die Automaten gesteckt. Das entspricht 17 Tonnen an Altfett. Im Herbst hat man das seit 2021 in Öhringen und Dörzbach getestete System nun auf (fast) den ganzen Landkreis ausgeweitet.

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