Spritztour mit dem Bemberle in Dörzbach
Der Museumszug der Jagsttalbahnfreunde kommt jetzt auch öffentlich in Fahrt. Noch misst die Strecke nur 500 Meter. Der Verein will am liebsten bis nach Jagsthausen durchfahren. Doch Krautheim stellt sich quer.

Lisa Diedert schwärmt und strahlt in einem fort. Kaum hat sich das Bemberle in Bewegung gesetzt, springt die rüstige Rentnerin aus dem hessischen Wetzlar von ihrem Sitz im Sommerwagen auf und lehnt sich weit hinaus, winkt den Besuchern auf dem Bahnsteig zu, lacht und ist glücklich, bei dieser Jungfernfahrt dabei zu sein. "Wissen Sie, Hohenlohe ist so wunderschön", hat sie ihr Herz an diesen Landstrich und seine Menschen verloren. Und jetzt darf sie auch noch mit dem Museumszug der Jagsttalbahnfreunde fahren, der an diesem Samstag und Sonntag erstmals für die Öffentlichkeit aus dem Dörzbacher Bahnhof rollte.
"Was, es geht schon wieder zurück?"
Im Schneckentempo geht es voran, mit zehn Kilometern pro Stunde. Die Urlauberin ist immer noch voll in ihrem Element, als das Bähnle nach 500 Metern plötzlich bremst. "Was, es geht schon wieder zurück?", fragt die 79-Jährige. "Wie schade!" Damit spricht sie all jenen aus dem Herzen, die liebend gerne viel weiter vorstoßen würden. Etwa Arnulf von Eyb, seines Zeichens Aufsichtsratsvorsitzender der Jagsttalbahn AG. "Wir hätten gerne freie Fahrt bis Jagsthausen", ruft er den Gästen zu. Dort ist Roland Halter Bürgermeister. Der steht schmunzelnd am Bahnsteig und nickt.
Ein Kompromiss muss her, sonst geht nichts vorwärts

Halter hat es sich nicht nehmen lassen, zur großen Eröffnungsfeier zu kommen. Krautheims Rathauschef Andreas Köhler ist nicht da. Und das aus gutem Grund. Denn zwischen Dörzbach und Jagsthausen liegt eben unter anderem diese Stadt, "mit der wir über die Zukunft der Jagsttalbahn nicht ganz einig sind", wie von Eyb den jahrelangen Streit so diplomatisch wie möglich umschreibt. Denn er weiß: Obwohl sich beide Seiten juristisch seit Monaten beharken, kann es am Ende nur vorwärts gehen, wenn ein Kompromiss gefunden wird. Und genau der wird hinter den Kulissen gerade verhandelt, wie an diesem Tag von mehreren Seiten zu erfahren war.
Darum geht es bei dem Streit
Ist die durchgängige Fahrt mit dem Museumszug (oder irgendwann in ferner Zukunft sogar mehr als das?) ab Dörzbach jagstabwärts wichtiger oder die Neugestaltung des Krautheimer Bahnhofareals? Soll die Widmung der Bahntrasse weiter Bestand haben, was die Dörzbacher fordern, oder soll diese entwidmet werden, was die Krautheimer verlangen, um ihr städtebauliches Projekt durchziehen zu können, dem die Jagsttalbahntrasse im Wege steht? Darum geht es.
Arnulf von Eyb hat dazu eine klare Haltung: Die Jagsttalbahn sei nicht beschränkt auf einen "kleinen Kreis von Idealisten", sondern sie könnte sich zu einer echten "touristischen Attraktion" entwickeln, "die große Anziehungskraft" hätte. Etwas "heute" aufzugeben, das seit 1899 Bestand habe, nämlich die Widmung dieser Strecke zur eisenbahnrechtlichen Nutzung, sei "falsch", zumal man die Trasse "morgen" womöglich "dringend brauchen" könnte, denkt der CDU-Landtagsabgeordnete schon viel weiter. Doch im Fokus steht jetzt erst einmal die touristische Nutzung. Und auch dafür haben die Dörzbacher schon eine Idee: "Wir könnten uns vorstellen, dass die Bahn autonom fährt, also ohne Zugführer." In Frankreich gebe es dafür ein gutes Beispiel.
Der Aufsichtsratschef träumt schon mal

Schon träumt von Eyb: Mit dem Bemberle von Dörzbach nach Jagsthausen zu den Freilichtspielen fahren und danach "mit zwei Viertele" wieder zurück: "Was für eine Perspektive, die dürfen wir uns doch nicht kaputt machen." Auch Lisa Diedert würde das sicher gefallen.
Fahrtage in diesem Jahr
Nach den Jungfernfahrten an diesem Samstag und Sonntag im Rahmen der Jagsttal-Wiesen-Wanderung bieten die Jagsttalbahnfreunde im Jahr 2022 folgende Fahrtage für die Öffentlichkeit an: 12. Juni, 10. Juli, 14. August und 11. September. Der Museumszug startet dann zwischen 11 und 17 Uhr nach Bedarf im Bahnhof Dörzbach - gezogen von der Diesellok 22-02. Außerdem können die historischen Bahnanlagen und Fahrzeuge besichtigt werden. Sonderfahrten sind auf Anfrage möglich. Fahrkarten sind nur vor Ort erhältlich und kosten drei Euro für Erwachsene und 1,50 Euro ermäßigt.

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