Seit 40 Jahren verbindet die Kochertalbrücke Ost und West
Die A6 führt vom Osten in den Westen Europas und wieder zurück. Seit 40 Jahren ist die Kochertalbrücke Bestandteil der Autobahn. Zum Jubiläum war ein Blick ins Innere möglich.

Schwindelfrei mussten sie sein, die Bauarbeiter, die vor 40 Jahren die Kochertalbrücke errichteten. Bei einer Höhe von 185 Metern würde die 64 Meter hohe Kilianskirche fast dreimal darunter passen. Auch den höchsten Kirchturm der Welt, das Ulmer Münster (161 Meter) überragt das Bauwerk. Es ist damit Deutschlands höchste Talbrücke.
In nur 33 Monaten fertiggestellt, fuhren 1979 die ersten Autos über das Bauwerk. Acht Kilometer Straßenweg lagen zwischen den einzelnen Baustellen. Mit einer Gesamtlänge von 1128 Metern würden 250 aneinandergereihte Fahrzeuge auf die Brücke passen. Bis ins Jahr 2004 waren die 185 Meter hohen Brückenpfeiler sogar die höchsten der Welt. Die Kochertalbrücke ist, als Teilstück der A6, eine wichtige Fernverbindung zwischen Paris und Prag. Es gibt Stimmen, die fordern, sie deshalb in "Europabrücke" umzubenennen.

Im Inneren der Brücke
Neben ihrer beeindruckenden Größe und der Bedeutung für den Fernverkehr ist sie auch Kulturdenkmal. "Mit innovativen technischen Verfahren ist eine Brücke konstruiert worden, die auch durch ihre Ästhetik besticht", heißt es in dem Denkmalporträt der Denkmalpflege Baden-Württemberg. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass die Kochertalbrücke nicht, wie viele andere Bauwerke dieser Art, als eher notwendiges Übel von den Anwohnern wahrgenommen wird.
Im Gegenteil: Die Braunsbacher sind stolz auf ihre Brücke. Das schlanke Bauwerk zerstört den Anblick des Kochertals nicht. Vielmehr wird er durch sie noch akzentuiert: "Die Kochertalbrücke lässt die Linie ihres Flusstals als wichtigste lesbare Signatur an diesem Ort", schreibt Jürgen Braun in dem eigens zum Jubiläum herausgegebenen Bildband zur Kochertalbrücke. Und nicht auszudenken, würden sich die ganzen Autos und Laster durchs Tal schlängeln.

Brücke ist Bestandteil des Gemeindewappens
Der Stolz der Gemeinde äußert sich auch darin, dass die Brücke ein zentraler Bestandteil des Stadtwappens ist. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens ihrer Brücke veranstalteten die Braunsbacher ein großes Fest. Im Rahmen dieser Feier war es möglich das Bauwerk von innen zu sehen: Ein Hohlkörper durchzieht die Kochertalbrücke in ihrer gesamten Länge. Circa 1900 Eintrittskarten verkaufte die Stadt für dieses einmalige Erlebnis, erzählt Bürgermeister Frank Harsch. Aber wie genau ist es, im Inneren einer Brücke, direkt unter der Fahrbahn, herumzulaufen?
Der geräumige Hohlkörper ist mit Lichtstrahlern ausgeleuchtet. Zum Glück, denn das einzige Tageslicht kommt aus vereinzelt in den Beton gehauenen Löchern mit einem Umfang von circa fünf Zentimetern. Auch im Boden sind solche Löcher zu entdecken. Straßen, Bäume und Autos scheinen von dort aus winzig, wie Spielzeug.

Die Zugänge zu den begehbaren Pfeilern sind mit Stahlgittern bedeckt. Der Boden ist zu weit weg, als könnte man ihn noch mit dem Auge ausmachen. Das Dröhnen der direkt über dem Kopf hinweg fahrenden Fahrzeuge ist nicht zu hören. Wäre nicht das Geplauder der vielen Besucher, das an den Wänden widerhallt, wäre es wohl mucksmäuschenstill in dem Hohlraum. Bis zur Mitte durften die Besucher die Brücke durchlaufen. Dann ging es wieder zurück.
Sanierung bei fließendem Verkehr

Dass die Brücke noch heute so steht, wie vor 40 Jahren, liegt auch an einer Sanierung, die von 2013 bis 2015 vorgenommen wurde. Bei fließendem Verkehr. Zwölf Tonnen schwere Topfgleitlager, die auf den Pfeilern liegen und dafür sorgen, dass sie flexibel bleibt, mussten ausgetauscht werden. "20 Hydraulikpressen mit jeweils 500 Tonnen Hubkraft waren hierfür notwendig, um den Brückenüberbau um 15 Millimeter − unter laufendem Verkehr − anzuheben", schreibt Thomas Lehmann, in seinem Beitrag zum Jubiläumsband.
2016 wurde die Sanierung der Kochertalbrücke mit dem Deutschen Brückenpreis ausgezeichnet. "Die Instandsetzung dieser Ikone der deutschen Ingenieurbaukunst tilgt nicht nur die Spuren aus 35 Jahren Autoverkehr, sondern verbessert die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit der Brücke über den Ursprungszustand hinaus. Damit ist die Sanierung wegweisend für die anstehenden Aufgaben im Brückenbau", schreibt die Jury.