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Public Viewing zur Fußball-WM: So reagieren Hohenloher Veranstalter auf Boykott-Aufrufe und Verbote

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Widerstand regt sich gegen Public-Viewing-Events zur Fußball-Weltmeisterschaft, auch Fan-Initiativen fordern, dass Fernseh-Übertragungen des Turniers boykottiert werden sollen. Ein Zeichen gegen die Politik von Fifa und Katar soll gesetzt werden. Wir haben uns umgehört, wie Veranstalter in Künzelsau und Öhringen mit der Situation umgehen und was sie planen.

von Philip-Simon Klein
Gegen diesjährige Public-Viewing-Events − wie hier zur EM 2012 auf der Burg Stettenfels − formiert sich Widerstand. Faninitiativen fordern, wegen der Menschenrechtslage die WM in Katar zu boykottieren.
Foto: Archiv/Guido Sawatzki
Gegen diesjährige Public-Viewing-Events − wie hier zur EM 2012 auf der Burg Stettenfels − formiert sich Widerstand. Faninitiativen fordern, wegen der Menschenrechtslage die WM in Katar zu boykottieren. Foto: Archiv/Guido Sawatzki  Foto: Sawatzki

In eine "menschliche und ökologische Katastrophe" habe sich der Wettbewerb allmählich verwandelt - so begründet die Stadt Marseille laut der Zeitung Le Monde, warum dort keine Public-Viewing-Veranstaltungen zur Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar stattfinden dürfen. Nachdem einige Städte und Gemeinden in Frankreich sowie in Belgien solche Verbote auf den Weg brachten, richtet sich der fragende Blick auf die deutsche Rheinseite - und auf den Südwesten.


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Amtliche Verbote soll es nicht geben, erklären die Rathaus-Sprecherinnen

Für die Rathäuser von Öhringen und Künzelsau betonen die Sprecherinnen, dass es keine Verordnungen geben wird, die Public Viewing zur Fußball-WM untersagen. Unterschiedlich gehen die Städte mit der Frage um, ob sie selbst im öffentlichen Raum aktiv werden wollen: Während in Öhringen kein Event stattfindet, ist in Künzelsau geplant, das erste Spiel der deutschen Mannschaft am 1. Dezember auf der Bühne am Schloss zu zeigen.

Als Gründe für einen Übertragungsboykott der Spiele zwischen dem 20. November und dem 18. Dezember nennen Initiativen von kritischen Fußballfans und Städte wie Paris, Straßburg oder Waterloo die ökologischen und sozialen Umstände des Turniers. Auch wird argumentiert, dass die WM im Winter sei, also Open-Air-Events witterungsbedingt kaum durchführbar sind. Auch in Brüssel erklärten Gemeinden und Cafés, auf Public Viewing verzichten zu wollen.

Gastro-Viewing: Wirte wollen unterschiedliche Wege gehen

Die Alte Schmiede in Künzelsau hatte früher Fans für sportliche Großereignisse im TV willkommen geheißen. Für die WM in Katar habe er aber "gar nichts geplant", sagt Inhaber Josef Sotirelis. Nur auf Nachfrage würde Sotirelis die WM-Spiele einschalten. Doch es gelte stets: "Das ist immer noch mein Laden, ich entscheide, ob geguckt wird, oder nicht". Er plane gar keine großen Fußball-Events mehr.

Auf einen Fernseh-Boykott blickt Josef Sotirelis skeptisch. "Das bringt jetzt nichts mehr", sagt er, "boykottieren hätte man das früher schon sollen." Zudem falle das "eh nicht ins Gewicht". Und wie steht er generell zur WM in Katar? "Das ist kompletter Schwachsinn", sagt Sotirelis und betont, "gerade die Stadien braucht hinterher kein Mensch mehr". Auch dass bei deren Bau viele Bauarbeiter zu Tode kamen, habe er er mitbekommen, "das kam in den Nachrichten", sagt Josef Sotirelis.

Auch im Oxn ist die Fußball-Übertragung Thema, wie der Betreiber des Künzelsauer Lokals, Konstantin Papadopoulos, berichtet. Sein Plan war zunächst, im Gastraum mit 50 Plätzen alle Spiele der WM zu zeigen. Papadopoulos sagt, er habe die neuen Diskussionen erst kürzlich mitbekommen und ist nun am Grübeln. "Ich bin mir etwas unsicher, man weiß nicht recht, wie man sich verhalten soll", räumt der Gastwirt ein. Die Boykott-Appelle kann er nachvollziehen, aber "uns Gastwirte treffen die Einbußen durch die Pandemie sehr hart", zudem würden die Coronahilfen bereits wieder zurückverlangt. "Da überlegt man, wo man eine Einnahmequelle riskiert." Papadopoulos will sich umhören, wie sich seine Gäste äußern und "wie die Leute damit umgehen". Froh sei er, dass noch etwas Zeit sei, um eine Abwägung zu finden.

Viele Sport-Fans kommen ins Grübeln

Stefanos Stefanidis vom Café de Paris in Öhringen sagt zur WM: "Die Euphorie wird weniger sein". Sehr erschreckend finde er die "Umstände des Stadienbaus" in Katar. Aber er sei nun mal "fußballverrückt", wie Stefanidis sagt, so gehe es auch seinen Gästen, bei denen er annimmt, dass sie für Spiele der Nationalelf kommen werden. Im Gewölbekeller will Stefanidis alle Begegnungen zeigen und hat dort für 80 Fans Platz.

In den Jahren zuvor waren es auch Vereine, die Public Viewing angeboten hatten. Martin Poddig, Vorstand des TSV Ohrnberg, erklärt, die letzte Sitzung habe ergeben, dass es "sicher kein groß angelegtes Public Viewing in der Turnhalle geben wird". Der Verein habe so entschieden wegen "Boykott, Energiekosten und Pandemie", so Poddig und fügt hinzu: "Und zwar in dieser Reihenfolge." Unsicherheiten durch Corona und explodierende Strom- und Heizkosten kämen hinzu, aber die "humanitären Aspekte" und der "Finanzwahn" der WM seien die wichtigsten Gründe.


Kritischer Blick

Das Emirat Katar steht wegen Menschenrechtsverstößen und des Umgangs mit Gastarbeitern seit Langem in der Kritik. Auf den WM-Baustellen hatte es gehäuft tödliche Unfälle gegeben. Die Regierung in Doha betont eigene Reformen und weist die Kritik zurück. Die in Deutschland ansässige Faninitiative Boycott Qatar 2022 konnte viele Unterstützer gewinnen - Fangruppen, aber auch Gaststätten. Zu ihren Anliegen heißt es auf der Website: "Wir begleiten Vorbereitung und Ablauf der WM 2022 kritisch in Hinblick auf die Politik der Fifa und die Menschenrechtslage im Gastgeberland."

 

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