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ÖPNV fast rund um die Uhr für alle Orte im Land?

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Im Bereich Mobilität spricht Grün-Schwarz in den Koalitionsverhandlungen über eine flächendeckende Versorgung durch den ÖPNV in Baden-Württemberg - und das von frühmorgens bis Mitternacht. Der Hohenlohekreis managt den dortigen Nahverkehr, wie beurteilen Landratsamt und Kreistag diese Pläne?

Bisher fahren nur zwei Buslinien täglich von früh morgens bis spät abends mindestens im Stundentakt: der Regiobus 7 und Regiobus 19 ab und nach Künzelsau. Foto: Reichert
Bisher fahren nur zwei Buslinien täglich von früh morgens bis spät abends mindestens im Stundentakt: der Regiobus 7 und Regiobus 19 ab und nach Künzelsau. Foto: Reichert  Foto: Reichert

Grüne und CDU verhandeln seit 8. April über eine Regierungskoalition in Baden-Württemberg. Bereits im Vorfeld wurden in den Sondierungsgesprächen viele Vorhaben festgeklopft. Die Pläne im Bereich Mobilität haben es in sich: Von fünf Uhr morgens bis Mitternacht sollen alle Orte in Baden-Württemberg mit dem Öffentlichen Personennahverkehr erreichbar sein.

Kommunen können mit einem Mobilitätspass von Autofahrern Abgaben verlangen und dieses Geld in den ÖPNV investieren. Wenn Grün-Schwarz diese flächendeckende Versorgung so beschließt, hätte das gravierende Auswirkungen auf die Organisation und Finanzierung des Nahverkehrs, den der Hohenlohekreis managt.

Hohenlohekreis müsste Angebot massiv ausweiten

Was halten Kreisverwaltung und Kreistag von einer ÖPNV-Garantie für alle Orte? Die einen sind zugeknöpft, die anderen zeigen klare Kante. Das Landratsamt möchte die Pläne erst kommentieren, wenn "die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen und Einzelheiten bekannt sind". Fest steht: Der Hohenlohekreis müsste sein Angebot massiv ausweiten, denn bisher fahren nur zwei Buslinien täglich von früh morgens bis spät abends mindestens im Stundentakt: der Regiobus 7 (5 bis 23 Uhr) und der Regiobus 19 (5 bis 24 Uhr) ab und nach Künzelsau.

FDP fürchtet ein finanzpolitisches Fiasko

Die FDP-Fraktion im Kreistag ist dagegen: "Für den ländlich strukturierten Hohenlohekreis wäre das ein finanzpolitisches Fiasko", sagt Kreisrat Michael Schenk. Zuerst sollten die Kommunen gezwungen werden, hohe Zusatzkosten in Kauf zu nehmen, dann müssten sie "aus der faktischen Not heraus eine neue Steuer zur Schröpfung der Bürger einführen", moniert Schenk. "Wenn die Landesregierung diesen Standard im ÖPNV einführen will, dann soll sie gemäß dem Konnexitätsprinzip unserer Landesverfassung die Kosten tragen." FDP-Kreisrätin Ute Oettinger-Griese ergänzt: "Mich macht es sprachlos, dass die CDU solche finanzpolitischen Taschenspielertricks mitträgt."

Catherine Kern von den Grünen wirbt für die "Mobilitätsgarantie"

Catherine Kern, Landtagsabgeordnete und Kreisrätin der Grünen, sieht das natürlich ganz anders: Diese "Mobilitätsgarantie" sei elementar, um die Zahl der Fahrgäste im ÖPNV bis 2030 zu verdoppeln. Aber sind die Pläne überhaupt umsetzbar? "Ja, wenn vielleicht nicht von heute auf morgen." Vorbilder aus ländlichen Räumen in Österreich und der Schweiz zeigten, dass die Nachfrage schnell steige, wenn das Angebot stimme.

Heißt für sie alle Orte auch alle Dörfer bis zu den kleinsten Weilern? "Ja, das wäre der perfekte Zielzustand. Es muss ja nicht in jedem Weiler an jedem Tag der 18-Meter-Gelenkbus sein. Wir werden auch auf innovative, flexible Angebote setzen und wollen die Chancen der Digitalisierung nutzen." Die Finanzierung erfordere eine "gemeinsame Kraftanstrengung vom Land und von der kommunalen Familie". Man wolle den Kommunen die Möglichkeit geben, "eine Umlage zu erheben, um dann den Menschen passgenaue Angebote im ÖPNV zu machen. Welche Ausprägung eines Mobilitätspasses für welche Kommune passt, wissen die Verantwortlichen vor Ort am besten".

AfD-Mann Anton Baron: "Ausbau des Busverkehrs nicht auf Kosten der Autofahrer"

Anton Baron, Landtagsabgeordneter und Kreisrat der AfD, kritisiert: Ein "sinnvoller Ausbau des Busverkehrs", für den seine Partei stehe, dürfe "nicht auf Kosten der Autofahrer geschehen". Baron kündigt "erbitterten Widerstand an", sollten die Pläne Realität werden. "Die Autofahrer werden bereits jetzt durch Mineralöl- und CO2-Steuer übermäßig belastet."

Baron plädiert dafür, "die Bekanntheit von Apps für Mitfahrgelegenheiten" zu steigern. Und betont: "Es gibt gar nicht genügend Busfahrer und Busse, um jedes Dorf in Baden-Württemberg einmal pro Stunde anzufahren." Ganz abgesehen von den Milliardenkosten. Das Geld sei in der aktuellen Krise gar nicht vorhanden.

CDU, SPD und Freie Wähler halten sich bedeckt

Torsten Kunkel, Chef der CDU-Fraktion im Kreistag, will warten, bis der Koalitionsvertrag steht: "Alles andere ist Kaffeesatzleserei." Vom Land erwartet er klare Ansagen zur Finanzierung. "Der NVH ist schon heute ein Zuschussbetrieb. Ich hoffe, dass das Land das Subsidiaritätsprinzip nicht vergisst."

Irmgard Kircher-Wieland, Vorsitzende der SPD-Fraktion, winkt ebenfalls ab: "Teile von Koalitionsverhandlungen wollen und können wir nicht kommentieren." Unabhängig davon, kämpfe die SPD schon lange dafür, "den Bürgern in Zukunft eine hohe Mobilität durch den ÖPNV zu bieten". Dazu gehörten eine bessere Taktung und günstige Tarife. Aber: Die Kosten dürften keinesfalls auf die Kreise und Kommunen abgewälzt werden. Achim Beck, Fraktionschef der Freien Wähler, enthält sich jeglicher Bewertung.

 

Seit 28. Februar 2016 gibt es einen durchgängigen Stundentakt an allen Werktagen und Wochenenden von früh morgens bis spät abends (5 bis 23 Uhr) auf der RB 7 zwischen Künzelsau und Waldenburg, seit 12. Dezember 2016 auf der RB 19 zwischen Künzelsau und Bad Mergentheim (5 bis 24 Uhr). Diese Taktung dient der besseren Anbindung Künzelsaus an die Bahn und ist eine Ausnahme. Das Land zahlt die eine Hälfte der Mehrkosten, der Kreis die andere zuzüglich 100.000 Euro. Das Busangebot des NVH hält ansonsten eher den Status Quo, als große Sprünge zu machen. Fast fünf Millionen Euro buttert der Kreis jährlich in den Eigenbetrieb, um die Defizite auszugleichen. Zuletzt wurde über ein Rufbus-System nachgedacht. 

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