Notstand an der Ärztefront
Mulfingen - Der Termin stand fest. Am kommenden Montag wollte der Mulfinger Arzt Dr. Horst Geiger seine Praxis in die Hände eines Nachfolgers übergeben. Die Nachfolgefrage schien geregelt. Nun ist der potenzielle Nachfolger abgesprungen.
Mulfingen - Der Termin stand fest. Am kommenden Montag, 1. Juli, wollte der Mulfinger Arzt Dr. Horst Geiger seine Praxis in die Hände eines Nachfolgers übergeben.
Die Nachfolgefrage schien geregelt. Es gab, so sagt Horst Geiger, einen Kandidaten, und für ihn war klar: "Es sah aus, als wolle er das machen." Doch nun macht er weiter wie bisher. Der potenzielle Nachfolger ist kurzfristig abgesprungen.
Aus familiären Gründen, wie es vor Ort heißt. Es sei nicht gelungen, der Familie das Leben auf dem Lande schmackhaft zu machen. Nun will der 65-jährige Horst Geiger selbst den Praxisbetrieb aufrecht erhalten. "Bis zum Jahresende", sagt er.
Keine Nachfrage
Mulfingen ist kein Einzelfall. Die Neu- und Wiederbesetzung von Landarztpraxen ist längst zum Politikum geworden. Dass es noch nicht einmal in der wohlhabenden Gemeinde Mulfingen mit seinen guten infrastrukturellen Voraussetzungen gelingt, die Praxis des Arztes neu zu besetzen, wirft für Dr. Horst Geiger ein Schlaglicht auf die gesamte Entwicklung in der Ärzteschaft. Wer sich die einschlägige Ärzte-Fachpresse anschaue, sehe das Missverhältnis, sagt er.
Im Deutschen Ärzteblatt würden pro Ausgabe über 30 bis 40 Praxisaufgaben verkündet. Diesen Zahlen stünden "nur eine Handvoll Interessenten" für eine Übernahme gegenüber. Er selbst hat den Eindruck: Es ist kein Problem, einen Arzt im Angestelltenverhältnis zu finden. Aber bei der Praxisleitung winkten die jungen Kollegen dankend ab. Ein Grund: Zu viel Bürokratie. Wobei Dr. Geiger die Bürokratie nicht rundweg schlecht reden will. Manches sei gut, weil es die Qualität verbessere. Anderes hingegen sei nicht sinnvoll.
Bürgermeister Robert Böhnel und auch der größte Arbeitgeber im Ort, das Unternehmen EBM-Papst, waren in die Suche eines Nachfolgers eingebunden. Gemeinde, EBM-Papst und Horst Geiger schalteten gegen Geld gemeinsam eine Anzeige im Deutschen Ärzteblatt. Dr. Geiger ist, neben seiner Hausarzttätigkeit, Betriebsarzt bei EBM-Papst. Ein Praxisvermittler wurde eingeschaltet.
Tatsächlich meldete sich ein interessierter Bewerber. Einmal sprach Dr. Geiger selbst mit ihm. Er bestätigt, dass der Mittvierziger großes Interesse signalisiert habe. Es gab auch Gespräche des Bewerbers mit Bürgermeister Robert Böhnel, in denen es nach Informationen der HZ um die "Rahmenbedingungen" ging, die für den neuen Arzt vor Ort geschaffen werden könnten. Horst Geiger: "Es ist nicht das Problem, jemandem etwas auf dem silbernen Tablett zu liefern. Nur, es kommt niemand."
Gerade jüngere Kollegen seien in Städten verwurzelt, unter Umständen habe dort auch die Ehefrau einen Arbeitsplatz. Dieses Leben wolle offenbar niemand für ein Leben auf dem Lande aufgeben.
Plan B
Hauke Hannig, Pressesprecher von EBM-Papst betont, dass das Unternehmen die Suche nach einem Nachfolger weiter unterstützen wolle. Man sehe die Bedeutung für die Infrastruktur des Ortes. Zumal, wie Dr. Horst Geiger betont, das Schicksal der Arztpraxis auch mit dem Schicksal der Apotheke im Ort unmittelbar verbunden ist. "Die macht keinen Sinn ohne Arzt im Haus." Eine Option bleibt noch, betont Dr. Geiger, der zum Jahresende definitiv in den Ruhestand gehen möchte: Sollte in Kürze kein Nachfolger gefunden werden, wäre eine Möglichkeit, dass externe Ärzte in Mulfingen Sprechstunden abhalten.