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Mehr Freiraum, weniger Stress für Tiere

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Bauer Kaninchen Spezialitäten eröffnet in Lohe Stallgebäude mit neuem Haltungssystem.

Von Frank Lutz
 Foto: Lutz

Jungtiere, die ohne Furcht in ihrer gewohnten Umgebung aufwachsen. Erwachsene Tiere, die genug Auslauf haben und stets in der Nähe ihres Nachwuchses verbleiben. So könnte die Zukunft der Kaninchenzucht aussehen, wenn es nach Manfred Bauer geht. Zusammen mit der italienischen Firma Meneghin hat der Betriebsleiter von Bauer Kaninchen Spezialitäten in Neuenstein-Lohe ein Haltungssystem entwickelt, das er als europaweit einzigartig bezeichnet. In diesem Monat wurde das neue Stallgebäude eingeweiht, jetzt werden die ersten der 1400 Häsinnen umgesiedelt. "Ich bin überzeugt, dass es funktioniert und dass wir das System auch für unsere anderen Gebäude verwenden können", gibt sich Bauer zuversichtlich.

Nistbox

Was macht das neue Gebäude so besonders? Grundidee ist, dass sich die Stallanlage aus Systemen zu je vier Kammern zusammensetzt. Jede Kammer wiederum besteht aus einer 25 mal 53 Zentimeter großen Nistbox für die Jungen, einer 53 mal 80 Zentimeter großen Box, die der Häsin als Rückzugsraum zur Verfügung steht, und einem 53 mal 45 Zentimeter großen Balkon darüber.

Die Häsin wird künstlich besamt und in eine Kammer gesetzt, wo sie nach etwa 31 Tagen wirft. Rund 35 Tage zieht sie ihre Jungen groß, muss aber nicht die ganze Zeit in der Nistbox verbleiben, sondern kann sich im Rückzugsraum frei bewegen und auf den Balkon springen. Dieser besteht aus einem eigens entwickelten perforierten Kunststoffboden, der sich leicht reinigen und desinfizieren lässt. Heuraufe, Nageholz, Futternapf und Tränke sollen zusätzlich dazu beitragen, dass sich die Tiere wohlfühlen und unter naturähnlichen Bedingungen leben.

Sichtkontakt

Wenn die Jungen in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen, wandert die Mutter in die nächste Kammer, wo sie weitere Junge bekommt und großzieht. Die Trenngitter zwischen den Boxen werden dann herausgenommen, so dass bis zu 58 Junge in einer Großgruppe aufwachsen. Der Vorteil für die Tiere: "Sie haben weniger Stress, weil sie nicht umgesetzt werden, kennen also das Umfeld und ihre Geschwister", sagt der stellvertretende Betriebsleiter Thomas Bauer, Sohn von Manfred Bauer.

Nach sechs Wochen in der Kammer wird die Häsin erneut versetzt. Eine der vier Kammern eines Systems bleibt immer jeweils für eine Woche frei, da die Jungkaninchen, wenn sie elf bis zwölf Wochen alt sind, geschlachtet werden. Die Schlachterei befindet sich gleich neben dem Hof der Bauers. "Dadurch haben die Tiere keinen Stress durch eine lange Fahrt", erklärt Thomas Bauer. Noch weitere Vorteile bietet das neue Stallgebäude, sagt Manfred Bauer: Eine Wärmepumpe soll die Luft, die nach oben entweicht, wieder ins Gebäude zurückführen. Dadurch könne die Temperatur zu jeder Jahreszeit bei 20 bis 28 Grad Celsius gehalten und Energie eingespart werden. Zur Beleuchtung benutzen die Bauers keine Neonröhren mehr, sondern LED-Lampen, die den Stromverbrauch noch einmal um die Hälfte senken würden.

Motivation

Was aber hat die Bauers angetrieben, das System zu entwickeln und das neue Gebäude zu bauen? Sicher spielt die in diesem Monat bundesweit in Kraft getretene Haltungsverordnung eine entscheidende Rolle, nach der eine Häsin mindestens 6000 Quadratzentimeter, also 0,6 Quadratmeter, Platz bekommen muss. Aber Thomas Bauer sagt auch: "Nur wenn es den Tieren gut geht, geht es uns auch gut." Sein Vater fügt hinzu: "Wir wollen so viele gesunde Tiere wie möglich haben. Dafür wollen wir an den Ursachen arbeiten, statt nur kranke Tiere zu kurieren." Tierschutz müsse Hand in Hand mit der Wirtschaftlichkeit gehen, und viele Kunden seien heute bereit, für bessere Haltungsbedingungen einen höheren Preis zu zahlen. "Tierhaltung ist immer ein Kompromiss", fasst Manfred Bauer zusammen. "Aber wir wollen sie so angenehm wie möglich machen - für die Kaninchen und auch für uns."

Kosten

Das 1200 Quadratmeter große Stallgebäude bietet Platz für 288 Häsinnen und rund 2000 Jungtiere. Es hat 700 000 Euro gekostet, das System zu entwickeln und das Gebäude zu bauen. Um festzustellen, ob die Tiere sich im neuen System tatsächlich wohler fühlen, will Sarah Eppler, Doktorandin der Uni München, in diesem Jahr mittels Blutproben das Wohlbefinden der Kaninchen messen und mit den Werten der Tieren aus der bisherigen Bodenhaltung vergleichen. Auch soll das Verhalten der Tiere mit einer Kamera dokumentiert werden.

Betriebsleiter Manfred Bauer (59, hinten), sein Sohn und Stellvertreter Thomas (25) und die Angestellte Verena Delle (25) in den neuen Ställen.
Fotos: Frank Lutz
Betriebsleiter Manfred Bauer (59, hinten), sein Sohn und Stellvertreter Thomas (25) und die Angestellte Verena Delle (25) in den neuen Ställen. Fotos: Frank Lutz  Foto: Lutz
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