Mahnen gegen das Vergessen
Gedenkstein für jüdisches Ehepaar Fleischhacker eingeweiht. Das Ehepaar war 1943 deportiert und ermordet worden.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet am Donnerstag an zwei ehemalige Dörzbacher Bürger erinnert wird. Auf den Tag 80 Jahre nach der sogenannten Wannseekonferenz, in der die Nazis den Holocaust strategisch planten und organisierten, sollen zwei deren Opfer, Albert und Therese Fleischhacker, ins Gedächtnis der Menschen zurückkehren.
Als einzige und letzte verbleibende Juden in Dörzbach sind sie im Frühjahr 1943 nach Theresienstadt deportiert und später ermordet worden. "Gegen das Vergessen" steht auf dem Gedenkstein geschrieben, der ihnen fortan auf dem Dörzbacher Friedhof gewidmet ist.
Die Idee dazu geht bereits auf das Jahr 2015 zurück, verrät Initiator Fritz Ebert, der sich in der Historie seines Heimatortes wie kaum ein anderer auskennt. Damals sei er mit einer ersten Anregung an Bürgermeister Andy Kümmerle herangetreten. Sieben Jahre hat es gedauert, bis aus der Anregung eine Umsetzung wurde, und doch komme der Stein zur rechten Zeit, findet Ebert. "In einer Zeit, in der krude Verschwörungstheorien demokratiefeindlichen Hass säen und neuer Antisemitismus – aus ominösen Quellen – unsere Gesellschaft vergiftet, werden mahnende Worte zunehmend wichtiger." Und der Gedenkstein könne ein wichtiges Zeichen setzen gegen das Vergessen der Verbrechen, deren "Schatten bis heute auf unserem Volk und unserem Land lasten".
Das Ehepaar Fleischhacker sei in Dörzbach nahezu vergessen gewesen, erklärt Ebert. Im Gemeindearchiv habe er einige wenige Informationen gefunden. Sie wohnten im sogenannten "Armenhaus" an der Ecke Laibacher Straße/Mühlgartenweg. Albert Fleischhacker stammte aus dem badischen Rosenberg im heutigen Neckar-Odenwald-Kreis. 1912 heiratete er die Dörzbacherin Therese Strauß. Albert war von Beruf Metzger, übte diesen aber nicht aus und verdiente sich sein weniges Geld mit dem Sammeln von Alteisen, Lumpen und Knochen. Sie lebten in ärmlichen Verhältnissen.

Aufschluss über den Tag ihrer Deportation gibt ein Augenzeugenbericht, den Ebert im Rahmen der Gedenkfeier vorliest. Er gibt die Erinnerung der Dörzbacherin Ilse Welz wieder, deren Elternhaus in direkter Nachbarschaft zum Haus des Ehepaars Fleischhacker stand: So habe "Frau Fleischhacker ihr Haus geputzt und ihr Gepäck in einen kleinen Leiterwagen verladen". Der kleinen Ilse habe sie noch eine Brezel aus schwarzem Brotteig geschenkt. "Sie sind dann zusammen an den Marktplatz gelaufen, zur Abholung bereit. Dort wurde ihnen gesagt, dass sie ihr Gepäck wieder zurückbringen müssen." Also hätten sie den Weg ein zweites Mal gemacht, bevor sie nicht wieder zurückkehrten.
Die beiden 61 und 65 Jahre alten Dörzbacher waren zu diesem Zeitpunkt die letzten Juden im Ort. Eine weitere, alleinstehende Frau jüdischen Glaubens namens Julie Stern war bereits 1940 im Alter von 82 Jahren eines natürlichen Todes gestorben. "Ihr Begräbnis auf dem Hohebacher Judenfriedhof", berichtet Fritz Ebert, "war das letzte, das dort noch stattgefunden hat".

Ein ordentliches Begräbnis wurde den Fleischhackers nicht zuteil. Um dem Ehepaar fast 80 Jahre nach ihrer Ermordung dennoch Ehre zu erweisen, setzt Fritz Ebert schließlich seine Mütze ab, zieht eine Kippa aus einer Tasche und bedeckt damit seinen Kopf. "Ich habe im Weinberg, 200 Meter Luftlinie vom Wohnort der Fleischhackers, Steine aus Muschelkalk gesammelt", sagt er. Er schreitet zum Gedenkstein und legt einen davon darauf ab. Ein bewegender Moment, der in Erinnerung bleiben wird. Genau wie das Ehepaar Fleischhacker, das zumindest in den Gedanken der Menschen nach Dörzbach zurückgekehrt ist.