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Öhringen
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Lkw-Fahrer überraschend freigesprochen

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Die Ursache des A6-Unfalls, bei dem im November 2012 vier Menschen starben, kann nicht restlos geklärt werden.

Von unserer Redakteurin Juliane Renk

 

Es ist das Schrecklichste, was passieren kann, wenn eine Familie ausgelöscht wird, von einer Sekunde auf die andere": So beginnt der Verteidiger am Dienstag im Öhringer Amtsgericht seine Schlussplädoyer. Angeklagt ist ein 46-jähriger Pole, der bei einem Unfall am 3. November 2012 auf der A 6 bei Öhringen mit seinem Lastwagen mit dem Auto einer Familie aus dem Raum Karlsruhe zusammenstieß. Vier Menschen starben am Unfallort: der 43-jährige Vater, zwei Mädchen im Alter von sieben und elf Jahren sowie ihr 13-jähriger Bruder. Die 41-jährige Mutter konnte schwer verletzt gerettet werden.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Lkw-Fahrer viermal fahrlässige Tötung und Körperverletzung zur Last. Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe spricht der Richter den 46-Jährigen nach mehr als vier Stunden überraschend frei.

"Es vergeht kein einziger Tag, an dem ich mich nicht an den Unfall erinnern werde. Ich frage mich immer, was die Ursache war und warum ich nichts tun konnte", sagt der 46-Jährige auf Polnisch. Eine Dolmetscherin übersetzt.

Auf die Frage des Richters, was geschehen sei, antwortet er: "Ich habe einen Knall gehört. Dann wurde mir mein Lenkrad aus der Hand gerissen. Dieser Knall war so stark, dass ich ein leichtes Anheben des Fahrzeugs bemerkt habe."

Sein Lkw, mit dem er in Richtung Nürnberg fährt, rast auf die Mittelleitplanke zu, durchbricht sie und entzündet sich wohl sofort. Auf der Gegenfahrbahn kollidiert er mit dem Wagen der Familie. Beide Fahrzeuge brennen. Der Truckfahrer verlässt das Fahrerhaus, so schnell er kann.

 

 

Den Zusammenstoß mit dem Auto habe er nicht bemerkt. "Erst am nächsten Tag habe ich vom Tod der Menschen erfahren", berichtet der Angeklagte. Der Staatsanwalt verweist auf das erste Vernehmungsprotokoll der Polizei. Darin habe er gesagt, es habe ihm zuerst das Lenkrad weggerissen, dann habe er den Knall gehört. Dies sei später handschriftlich verbessert worden, so der Staatsanwalt. Der 46-Jährige betont auf Nachfrage, dass zuerst der Knall erfolgt sei.

In einem weiteren Protokoll steht, dass der Lastwagenfahrer vermutet, ein Reifen sei geplatzt. Dies beschäftigt die Prozessbeteiligten fast drei Stunden. Drei Gutachten liegen vor. Denn das erste Gutachten - den Sachverständigen hatte die Polizei am selben Tag an den Tatort geschickt - zweifelte ein Privatgutachten an. Die Staatsanwaltschaft beauftragte eine dritte Person, einen Obergutachter.

Drei Gutachten

Während der erste Gutachter alle Spuren des Fahrzeugs erklären kann und zu dem Schluss kommt, dass kein technischer Defekt vorliegt und kein Reifen geplatzt sei, können der Zweit- und der Drittgutachter einen Reifenplatzer nicht ausschließen. Der Erstgutachter argumentiert, dass es dann Reifenteile gegeben hätte, er aber weder auf der 37 Meter langen Schleifspur des Lastwagens noch sonst im Umfeld des Fahrzeuge etwas gefunden habe.

Der Obergutachter kann eine Spur nicht deuten. Beide Gutachter gehen davon aus, dass der linke Vorderreifen des Lastwagens gegen den Fahrbahnrand stieß. Der Staatsanwalt glaubt dem Erstgutachter, weil dieser als einziger alle Fahrspuren mit dem Lkw in Einklang bringen kann. Der Staatsanwalt deutet an, dass sich der Angeklagte den Reifenplatzer auch zum Schutz zurechtgelegt haben könnte. Nicht weil er lügen wollte, sondern weil er keine Erklärung habe. "Es gab keine Außeneinwirkung. Wir müssen von einer momentanen Unaufmerksamkeit ausgehen, die in dieser Tragödie geendet hat", urteilt er.

Er fordert eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung, eine Geldstrafe von 2000 Euro und ein Fahrverbot durch Deutschland für drei Monate. "Er soll etwas spüren. Die Geldbuße in Raten soll ihn lang erinnern, was er angerichtet hat", schließt der Staatsanwalt. Die Nebenklägerin spricht für die hinterbliebene Mutter: "Sie hat mich gebeten, für ein mildes Urteil zu bitten, denn auch er hat seinen Anteil zu tragen."

Geschmacklos

"Ich halte das Strafmaß für geschmacklos", beurteilt der Verteidiger die Forderung des Staatsanwaltes. Der Angeklagte "ist genauso wie die Familie Opfer eines schrecklichen Ereignisses geworden, deswegen beantrage ich Freispruch." Diesen gewährt der Richter. "Der Sachverhalt lässt sich nicht so aufklären, wie man sich das wünschen würde." Daher gelte für ihn: im Zweifelsfall für den Angeklagten.

 

 

 

 

Schwerer Unfall auf der A6 - 03.11. auf einer größeren Karte anzeigen

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