Langsam stirbt Stadtmitte
Bürgerprotest in Künzelsau - Lebensmittelmarkt im Zentrum schließt

Von Barbara Griesinger
Schnell füllen sich Bögen mit Unterschriften, weiß Erika Kühner, in deren Bäckerei auch Unterschriftenlisten liegen und sie fügt hinzu: „Es unterschreiben nicht nur ältere Leute.“ Rewe gibt den HL-Markt in Künzelsaus Mitte auf, weil er „wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben ist“, erklärt Andreas Krämer, Pressereferent der Rewe-Gruppe auf HZ-Nachfrage. Zwar schreibt der Künzelsauer HL-Markt „keine roten Zahlen“, wie Marktleiterin Annegret Göhringer einräumt, dennoch sieht Rewe auf lange Sicht für das Geschäft keine Zukunft. Um mit ein Warenangebot zu präsentieren, das Kunden heutzutage in Lebensmittelmärkten erwarten würden, sei die Ladenfläche mit 465 Quadratmetern zu klein. 1800 Quadratmeter sei mittlerweile die übliche Marktgröße. Zweiter Nachteil des Standorts in der Innenstadt: das Fehlen von Parkplätzen. „Wir sind eine automobile Gesellschaft“, so Krämer. „Die Kunden stimmen mit den Füßen ab.“
In Künzelsau sieht man das anders. Bürger, die in der Innenstadt wohnen und dort ohne Auto einkaufen, fühlen sich im Stich gelassen. „Rewe lässt seine Kunden gern Treuemarken kleben, aber selbst hält er nichts von Treue. Wird ein Standort unlukrativ, da hat man es nicht nötig, zu suchen und intern umzudenken“, findet Wichtrud Haag-Beckert. Nicht nur sie kauft seit Jahren beim HL-Markt ein und denkt mit Sorge an die Senioren in Künzelsaus Mitte, die nicht nur die letzte Einkaufmöglichkeit verlieren, sondern auch ein Stück Lebensqualität. Denn Läden seien nicht nur Einkaufzentren, sondern auch „ein Umschlagplatz von Ideen und Informationen.“
Die Unterschriftenaktion, die Künzelsauer Bürger um Karin Schulz auf die Beine gestellt haben, zeigt, dass sie damit nicht allein steht. Bereits nach knapp 14 Tagen sind 13 Bogen à 60 Unterschriften gefüllt. Mit zehn weiteren Bögen rechnet Schulz bis zur Bürgerversammlung am Aschermittwoch in Künzelsau. Dort soll das Thema angeschnitten werden.
„Das ist ein Drama“, kommentiert auch Frieder Uebele, Vorsitzender der Werbegemeinschaft Künzelsau, die Schließung des HL-Markts. Im Gespräch mit Bürgermeister Volker Lenz und dem Kreis aktiver Bürger versuche die Werbegemeinschaft, Ersatz zu schaffen. Die Versorgung der Bewohner in der Innenstadt müsse weiter gewährleistet bleiben. Möglicherweise in kleinerem Rahmen, und wenn alle Stricke reißen, durch einen Kurierdienst, so Uebele. Unter dem Verlust würden nicht nur die Kunden leiden, sondern auch andere Einzelhändler. Schließlich ziehe ein Lebensmittelgeschäft Kunden an und ergänze sich mit dem Angebot weiterer Einzelhändler. „Die Schwierigkeit wird sein, einen Betreiber zu finden, der das Risiko trägt“, schätzt Michael Schierle, Spielwarenhändler und HL-Nachbar. HL-Marktleiterin Göhringer will diese Rolle nicht übernehmen. Sie sieht ihre berufliche Zukunft weiter als Rewe-Angestellte. „Kunden haben mich schon angesprochen , ob ich das machen will“, bestätigt sie.
Prinzipiell bestünde die Möglichkeit, dass ein selbstständiger Kaufmann weiterhin Waren über Rewe als Großhändler bezieht und anbietet, sagt auch Andreas Krämer von der Rewe-Gruppe. „Wir würden uns dem wahrscheinlich nicht verschließen. Aber wir haben niemand in der Hinterhand.“