Ihr Schicksal bleibt unvergessen
Sieben weitere Stolpersteine erinnern vor den Wohnhäusern einstiger jüdischer Bürger an die im Nationalsozialismus Ermordeten.
Zarte Klänge einer Geige läuten am Dienstag in der Wintergasse eine bewegende Feierstunde ein. Im Beisein von rund 140 Menschen, unter ihnen über 100 Schüler von Realschule, Agrarwissenschaftlichem Gymnasium und Konfirmanden, werden in einer gemeinsamen Aktion von Stadt, Ökumene und Volkshochschule in Wintergasse, Poststraße und Karlsvorstadt sieben Stolpersteine vor den Wohnhäusern einstiger jüdischer Bürger verlegt, die 1933 in Öhringen lebten und von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Bereits 2011 hatte der Kölner Künstler Gunter Demnig, der 1995 deutschlandweit die Idee der Stolpersteine initiiert hat, in der Öhringer Innenstadt 21 dieser kleinen Mahnmale in den Boden eingebracht.
Diesmal wird die Verlegung der pflastergroßen Steine mit einer Messingplatte, auf der Namen, Geburts- und Todesdatum der Ermordeten stehen, von Realschülern der Klasse 10c von Lehrerin Elisabeth Kraus übernommen. Auch für diese zweite Verlegung haben sich wieder Paten gefunden, die ihre persönlichen Beweggründe für die Patenschaft schildern und über das Schicksal der ermordeten jüdischen Bürger berichten. Als Grundlage dienen ihnen die Recherchen des Arbeitskreises Zeitgeschichte der Volkshochschule und insbesondere in den vergangenen Jahren von Walter Meister und Kurt Steinbacher. Beide haben auch die Texte für die Broschüre "Unvergessene Mitbürger" verfasst, die die Stadt aus diesem Anlass herausgegeben hat.
Bis auf Max Kocherthaler, der in der Poststraße 30 lebte und mit 46 Jahren bei den Euthanasiemorden der Aktion T4 in Grafeneck getötet wurde, erinnern diesmal die Stolpersteine an ältere und betagte Menschen: Nannchen Engelbert (71), Mathilde Weil (63), Lina Strauss (74), Eva (Chaja) Gutmann (83), Karoline (74) und Isak Kaufmann (82). Alter und Verdienste schützten sie nicht vor den Nazi-Schergen.
Misshandelt
Wie bei dem Ehepaar Kaufmann, deren Schicksal hier beispielhaft genannt sei. Der wohlhabende Immobilienmakler lebte 23 Jahre mit seiner Frau Karoline in der Karlsvorstadt 15. Sie waren vornehme und angesehene Bürger, haben oft für Vereine und bedürftige Öhringer gespendet. Am 18. März 1933 war Isak Kaufmann unter den Öhringer Juden, die von einem SA-Trupp misshandelt und für einige Tage im Heilbronner Gefängnis festgehalten wurden. Gequält und gedemütigt hielt ihn danach nichts mehr in Öhringen.
Noch 1933 zogen die Eheleute nach Stuttgart. Im August 1942 wurden sie nach Theresienstadt deportiert, von dort mussten sie im September 1942 auf einen Transport nach Treblinka. Ob sie noch auf dem Weg in das Vernichtungslager in Polen starben oder dort vergast wurden, ist ungeklärt. "Ihre Spur verlor sich im grausamen Geschehen jener Zeit", so Heinrich Kluth. "Uns, die wir unseren Lebensabend im Frieden, in gesicherten Verhältnissen und ohne Anfeindung erleben dürfen, geht ihr Schicksal besonders nahe", erklärt der sichtlich bewegte Stolperstein-Pate. "Gleichzeitig erkennen wir unsere Verantwortung für das, was heute in unserer Stadt und in unserem Land geschieht." Die Stolpersteine als Steine des Anstoßes sollten dazu auffordern, sich jedem Wiederauftreten von Ausgrenzung und Nationalismus unter uns entgegenzustellen.
Schicksal
Dazu sind auch Realschüler und Agrargymnasiasten bereit, die sich im Unterricht intensiv mit dem Schicksal der Öhringer Juden befassten. "Wir wollen nicht vergessen, wie es in Öhringen war", sagt Selina Theiss (16), die zusammen mit ihrer Klassenkameradin Annika Jakob am Stolperstein für Nannchen Engelbert Blumen niederlegt und zum Gedenken aufruft. Ein Jahr lang hat die Klasse 10c das Projekt Stolpersteine begleitet und vorbereitet, unter anderem auch die KZ-Gedenkstätte in Buchenwald besucht. Nun setzen die Zehntklässler die Steine in den Boden, die Sven Heidemann vom Baubetriebshof befestigte. Und Lehrerin Elisabeth Kraus meint: "Mein Ziel ist es, dass es nachhaltig wirkt." Diese Generation müsse die Erinnerung weitergeben.

Stimme.de
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