Hier spricht ein Hohenloher Amateurfunker
Georg Müller aus Obersteinbach hat ein Hobby, das auszusterben droht: Amateurfunk. Früher war es ein elitäres Vergnügen, mit Menschen in anderen Ländern und Erdteilen zu sprechen. Dann kamen die 90er mit Handy und Internet. Ein Besuch in einer anderen Welt.

Das Signal ist klar und deutlich. Es klingt, als säße der Gesprächspartner nicht irgendwo an der Schweizer Grenze, sondern maximal in Georg Müllers Vorgarten. "Delta Lima 7 Sierra Foxtrott Echo" ruft nach Gesprächspartnern - und erhält prompt Antwort aus dem tiefen Süden: "Hallo Schorsch!", spricht es aus dem schwarzen Kasten. "Wie ist das Wetter bei Euch?", fragt "Schorsch" Müller. Piep. "23 Grad und bewölkt."
Kindliche Freude und heiliger Ernst
Kurzer Smalltalk. Müller ist sichtlich stolz, dass es an Gesprächspartnern nicht mangelt - jetzt, als die Presse da ist. Ebendiese will dann auch mal ein Wort der Begrüßung an die Mithörer über den Äther schicken. Doch schon nach ein, zwei Sätzen signalisiert Müller, dass der Journalist das eigentlich gar nicht darf: keine Lizenz, es droht Ärger mit der Bundesnetzagentur. Schon hier wird klar: Der 61-Jährige sieht die Sache seriös, betreibt sein Hobby, das er in Deutschland - noch - mit rund 70.000 anderen Menschen teilt, mit kindlicher Freude, aber fast heiligem Ernst.
"Mikrophon zurück!" Günther aus Würselen klinkt sich in den Digitalfunk-Kanal. Er ist Schwabe, seit 20 Jahren aber in Nordrhein-Westfalen. Dann ist kurz Ruhe im Funkverkehr, ehe sich ein weiteres Rufzeichen meldet, das "Jan" heißt und in Nordslowenien vor dem schwarzen und sprechenden Kasten sitzt.
Leidenschaft, die verbindet
Müllers Augen bekommen Patina. Das ist es! "Das einzige Hobby, das ich wirklich mit jeder Faser liebe und lebe", sagt er wenig später, als er schweren Herzens dann den schwarzen Kasten und die Verbindung in die nahe und fernere Welt ausgeschaltet hat.
Einfach so mit einer Vielzahl von Menschen in anderen Ländern und Erdteilen sprechen - das konnten einst nur wenige: Amateurfunker eben. Dann kamen die 90er - und Handy sowie Internet. Was zuvor ein elitäres Vergnügen war, wurde nun zur Selbstverständlichkeit, und die Zahl der Hobbyfunker schrumpft seitdem dahin.

Ruf in die Sphären des Äthers
Doch für Müller geht es nicht nur um die Kommunikation, sondern um die Technik und den fast wie eine religiöse Handlung zelebrierten Ruf in die Sphären des Äthers. Wenn er über das Funken spricht, dauert es nicht lange, ehe er sich mit elektrisierter Stimme in technischen Details verliert.
Als die digitale Kommunikation damals ihren Siegeszug antritt, ist der gelernte Elektrotechniker Fernmelder bei der Bundeswehr. Doch die erste "Handgurke", das Handfunkgerät, hält er schon mit 15 Jahren in den Fingern. Das war noch CB-Funk: "der Trabi", sagt Müller. Seit 25 Jahren verkehrt er im "Mercedes" und betreibt den prüfungspflichtigen Amateurfunk.
Müller und Co. plagen Zukunftsängste
Und es könnte alles so schön sein. Doch Müller und seine Gleichgesinnten haben "Zukunftsangst", fürchten, dass - wenn die Teilnehmerzahlen weiter sinken - irgendwann die Anzahl der nutzbaren Frequenzen immer geringer werden wird. Denn ebendiese sind ein Wirtschaftsgut: Die Industrie schnappt den Funkamateuren gerne die ein oder andere Welle weg. "Wir wollen nicht verramscht werden", sagt Müller - und klingt fast verzweifelt dabei.

Deswegen macht er fleißig Werbung , um den Nachwuchs für seine Passion anzufunken: "Die Faszination ist, dass man mit wenig Aufwand kreativ sein kann." Denn die Funker bauen sich ihr Netz selbst: durch entsprechende Antennen. In Müllers Garten stehen gleich zwei. Recht große und teure Exemplare. Aber der Funk-Fanatiker betont: "Es geht schon ab 50 Euro los." Und auch den schwarzen Kasten für rund 2000 Euro braucht es gar nicht unbedingt - Handgeräte gibt es schon für deutlich weniger Geld.
Verhaltenskodex und Funk-Polizei
Der Kosmos der Funker ist eine eigene Welt. Es gibt einen Verhaltenskodex und auch eine Art Funk-Polizei: Werden die Bevollmächtigen auf Leute ohne Lizenz oder Ausfälligkeiten aufmerksam, wird derjenige flugs abgeschaltet.
Viele Menschen hat Müller in all den Jahren kennengelernt - oder zumindest ihre Stimmen. Und manchmal auch die Gesichter dazu: Mit einigen Öhringer oder Haller Kollegen trifft er sich regelmäßig. Und die wichtigste Frage ganz am Ende: Worüber wird denn so gesprochen im Funkwellenmeer? Auch mal über Eheprobleme? "Nein", sagt Müller und schaut fast irritiert. Viel zu profan! "Eher über Technik." Klar. Funken ist halt eine sehr ernste Sache.