Helfer brauchen Hilfe
Öhringen - Pfarrer Jochen Mayer war gerade wieder nach Hause gekommen und wollte Anrufe erledigen, als sein Telefon klingelte und ihn am Samstag auf die Autobahn rief. Schon um 18.30 Uhr war Mayer an der Unfallstelle, an der eine Frau ihren Mann und ihre drei Kinder bei einem schrecklichen Unfall verlor.
Öhringen - Pfarrer Jochen Mayer war gerade wieder nach Hause gekommen und wollte Anrufe erledigen, als sein Telefon klingelte und ihn am Samstag auf die Autobahn rief. Schon um 18.30 Uhr war Mayer an der Unfallstelle, an der eine Frau ihren Mann und ihre drei Kinder bei einem schrecklichen Unfall verlor. Gut war, dass Mayer angesichts des Ausmaßes der Tragödie auch Pfarrer Dirk Grützmacher nachalarmierte. Der Seelsorger aus Künzelsau machte sich auf den Weg und nahm auch Pfarrer Ralph Binder aus Öhringen mit. Weitere Notfallseelsorger waren im Einsatz, um Angehörige der Familie aus dem Landkreis Karlsruhe zu informieren.
Zuhören
"Etwas Vergleichbares habe ich noch nie erlebt", berichtet Pfarrer Mayer. Seinen Part auf der Autobahn übernahm Dirk Grützmacher. Mayer ging ins Krankenhaus zu den Überlebenden. Was sagt man einer Frau, die ihre ganze Familie verloren hat? "Es kommt in so einer Situation nicht darauf an, dass ich etwas sage, sondern dass ich da bin für die Menschen, zum Zuhören", erklärt Pfarrer Mayer. Was sich einfach anhört, ist in der Realität auch für erprobte Notfallseelsorger nur schwer auszuhalten. Mayer ist seit 2007 in der Hohenloher Notfallseelsorge aktiv.
Barmherzig
Gerade am Reformationswochenende, an dem in vielen Predigten von Luthers Suche nach dem barmherzigen Gott die Rede war, ist eine derartige Tragödie wie auf der Autobahn nur schwer zu verstehen. "Die Barmherzigkeit zeigt sich in der Begegnung mit den Menschen", widerlegt Mayer das Bild eines barmherzigen Vaters im Himmel. "Gott zieht nicht die Fäden wie bei einem Planspiel Leben", sagt Mayer. "Er zeigt sich in den Beziehungen."
Große Barmherzigkeit, sagt Mayer, habe er im Miteinander all der Menschen gespürt, die sich um die Opfer kümmerten. Binder ergänzt: "Man kann unmöglich einen Sinn hinter einem solchen Geschehen finden", sagt der Öhringer Seelsorger. "Es bleibt die Hoffnung, dass Gott noch etwas vorhat mit diesen Menschen, dass der Tod nicht umsonst war."
Großen Respekt zollt Mayer den Feuerwehrleuten und Polizeibeamten, die umsichtig und taktvoll reagieren. Und den Ärzten und Schwestern. "Aber alle müssen ihre Aufgabe erfüllen, sich um das Körperliche kümmern", weiß Mayer. "Und wir Notfallseelsorger können uns Zeit nehmen."
Von Montag bis Montag geht der Dienst der Notfallseelsorger. Mayer hat seinen Koffer Montag früh abgegeben. Doch den Kontakt zu der verwaisten Frau wird er halten. "Ich bleibe ihre Kontaktperson, bis der Pfarrer an ihrem Heimatort übernimmt", versichert Mayer. Ralph Binder bleibt Ansprechpartner für die Feuerwehrleute. Er saß noch lange nach dem Einsatz bei ihnen in der Feuerwache. Da wurde über den Einsatz geredet. "Aber tiefergehende Gespräche brauchte an dem Abend niemand", sagt Binder.
"Wir haben auf eine handvoll Kameraden ein Auge", sagt Timo Kieber. Der stellvertretende Kommandant der Öhringer Wehr war am Samstag Einsatzleiter vor Ort. Und nach all den vielen Jahren im Einsatz, sagt Kieber, wisse man schon, wer was aushalten könne. Sicher, anfangs nehme das Einsatzgeschehen keine Rücksicht auf Befindlichkeiten. "Doch als es darum ging, dem Bestatter bei der Bergung der drei Leichen zu helfen, habe ich nach Freiwilligen gefragt", sagt Kieber. "Auch ganz vorne am Auto haben nicht alle 80 Kameraden gearbeitet", sagt Kieber. Kieber ist froh um den guten Kontakt zu den Notfallseelsorgern. "Das war gleich in der Nacht noch gut", sagt Kieber. "Und Pfarrer Binder steht auch weiterhin den Kameraden für Gespräche zur Verfügung", ist Kieber froh. Denn das Verarbeiten des Einsatzes hat eben erst begonnen.
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