Ganz locker nach den Sternen greifen
Spitzenkoch Boris Rommel vom Wald- & Schlosshotel Friedrichsruhe lässt sich vom Erfolgsdruck nicht auffressen. Sein junges Team sei nach der Auszeichnung mit zweitem Stern hoch motiviert, sagt der 34-Jährige im Interview.

Er ist eine auffällige Erscheinung, trägt ein Tattoo, eine Mütze und wirkt lässig. Doch Boris Rommel hat schon in jungen Jahren geschafft, wovon viele ein Leben lang vergebens träumen. Der 34-Jährige hat sich im Wald & Schlosshotel Friedrichsruhe zwei Sterne im Guide Michelin erkocht − als einer von 39 Köchen in Deutschland. Bei solchen Höhenflügen muss man lernen, mit Druck umzugehen.
Boris Rommel, im November 2017 wurden Sie mit dem zweiten Michelin-Stern geadelt. Wirkt diese Auszeichnung auch heute noch nach, wenn Sie morgens in Ihre Küche im Wald & Schlosshotel Friedrichsruhe kommen?
Boris Rommel: Ja, immer noch. Es wäre auch traurig, wenn das nicht so wäre. Wir haben es innerhalb von zwei Jahren geschafft, zwei Sterne zu kochen und mein Team und ich sind immer noch total begeistert. Das spüre ich auch jeden Tag, weil die Leute noch motivierter arbeiten. Das Team ist dadurch gewachsen und es macht einfach Spaß mit Leuten zu arbeiten, die Leistung bringen wollen und die an einem Strang ziehen. Ich kann mich darauf verlassen, dass alles läuft, auch wenn ich mal einen Termin habe und das ist top.
Der Druck in Ihrem Beruf muss extrem hoch sein. Jeder erwartet ja wahre Wunderdinge auf dem Teller, wenn er in ihr Restaurant geht. Wie hält man diesen Druck aus?
Rommel: Es muss jeden Tag alles perfekt sein. Egal ob jemand krank ist oder die Ware später geliefert wird. Den Gast interessiert das abends nicht. Er kommt und erwartet die zwei Sterne und es muss jeden Abend alles perfekt sein, egal ob in der Jägerstube, in der Waldschänke oder im Gourmet-Restaurant Le Cerf. Das ist stressig, auch die Mitarbeiter immer so zu führen, dass das Beste auf dem Teller liegt. Da steckt schon ein gewaltiger Druck dahinter. Deshalb ist es wichtig, dass man sich sagt, wenn man zu Hause ist, jetzt ist Schluss.
Gibt es ein Mittel oder ein Hobby, um richtig abzuschalten?
Rommel: Früher habe ich öfter geangelt, aber ein richtige Hobby habe ich heute nicht mehr. Das lässt die Zeit auch gar nicht zu. Es ist aber wichtig sich zu sagen: Wenn ich hier bin, muss ich perfekt funktionieren und wenn ich raus bin, bin ich richtig raus. Und wenn Urlaub ist, muss man auch weg sein − auch gedanklich.
Über welche Fähigkeiten muss man verfügen, um diesen Alltag zu bewältigen?
Rommel: Ich habe mit 16 mit der Lehre begonnen und habe seither viele Köche erlebt, die zerbrochen sind oder Burn-out bekommen haben. Wenn ich hier bin, kommen am Tag rund 80 Fragen von Lieferanten, Kollegen und Gästen auf mich zu. Da darf man nicht jedes Problem zu sehr an sich rankommen lassen. Ich bin zwar der Küchenchef und trage die Verantwortung, aber wenn ich mir über alles tagelang Gedanken mache, frisst es mich auf. Die zweite große Herausforderung, die man bewältigen muss, ist die Organisation. Die wichtigsten Punkte im Tagesablauf übernehme ich selbst und gebe sie auch ungern aus der Hand. Weitere wichtige Aufgaben im Tagesablauf übernehmen meine Stellvertreter. Ich musste früh lernen, Aufgaben auch zu delegieren.
Viele erfolgreiche Menschen wollen immer besser werden. Setzen Sie sich derzeit weitergehende Ziele, zum Beispiel den Status des Drei-Sterne-Kochs zu erreichen?
Rommel: Jetzt zu sagen, wir haben alles erreicht, das geht nicht, denn man darf nie stehen bleiben. Ich bin jetzt zwei Jahre im Wald & Schlosshotel und es wurde noch nie ein Gericht wiederholt. Wir bieten immer etwas Neues und wir müssen auch immer wieder etwas Neues bringen. Darauf freut man sich auch, wenn eine Speisekarte einige Wochen gelaufen ist. Die Freude an der Arbeit ist wichtig und die erhält man sich auch, indem man immer neue Produkte ins Haus bekommt.
Und wie ist es mit den drei Sternen?
Rommel: Die Auszeichnung mit zwei Sternen ist wirklich top. Wir sind unter den besten 40 Restaurants, aber es gibt nur elf Dreisterneköche in Deutschland. Das ist noch einmal eine ganz andere Liga. Das sind Persönlichkeiten, die acht oder zehn Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet haben. Da wäre es vermessen zu sagen, wir machen jetzt in drei Jahren drei Sterne. Das hat auch noch nie jemand geschafft. Da muss man nochmal zwei Stufen draufsetzen. Deshalb ist es im Moment nicht das Ziel zu sagen, wir möchten die drei Sterne. Wir sind mit dem Erreichten sehr zufrieden und es ist auch eine Herausforderung, die zwei Sterne zu halten. Es wird ja jetzt nicht einfacher. In diesem Jahr kommen die Tester wieder drei, vier, fünf Mal und es muss immer alles passen.
Denkt man häufig daran, dass vielleicht gerade ein Tester vor der Tür steht?
Rommel: Darüber können Sie sich keinen Kopf machen. Der Tester erwartet, dass alles perfekt ist und der Gast will das genauso. Deshalb kann ich gar nicht sagen, ich koche jetzt für den Tester. Das bringt nichts.
Für ein echtes Hobby bleibt kaum Zeit. Aber Sie gehen als Koch auch gerne Essen.
Rommel: Ich gehe sehr gerne essen. Bei Freunden und auch gerne mal bei Kollegen, die auch Stern kochen oder einfach nur so gut kochen. Zum Beispiel nach Heilbronn in den Ratskeller, da ist es super. Oder auch in der Jagstmühle in Mulfingen, da ist es auch perfekt. Es muss nicht immer Stern sein. Hinsetzen, ein paar Stunden gut essen und ein bisschen was trinken. Das macht einfach Spaß.
Wenn Sie zum Essen gehen oder bei Freunden eingeladen sind − denkt man da nicht ständig daran, das hätte ich jetzt aber anders gekocht?
Rommel: Oft wird, wenn ich bei Freunden eingeladen bin, auch gleich angefragt, ob ich nicht Lust habe, ein bisschen was zu kochen (lacht). Aber wenn ich Essen gehe, dann fange ich nicht an, darüber nachzudenken, ob ich die Spätzle nicht anders gekocht hätte. Und die Freundin macht auch mal daheim Pasta mit Gorgonzolasauce. Das ist völlig in Ordnung, genauso wie eine gute Tiefkühlpizza. Das schmeckt und ist auch okay. Nur Dosenravioli, das geht nicht.
Es gibt Kollegen, die von einem Burn-out betroffen waren. Der Fernsehkoch Johann Lafer beispielsweise spricht offen darüber. Macht man sich darüber Gedanken, dass man in dem Beruf gefährdet ist?
Rommel: Ich kann mir das schon vorstellen, dass das passieren kann, wenn man sich zu sehr reinsteigert, Wir sind keine Maschinen, die kochen und es ist wichtig, dass man auch damit umgehen kann, wenn einmal ein kleiner Fehler passiert.
Sie wirken generell sehr locker, sind mit Mütze und Tattoo auch locker gekleidet. Ist das Ihre Art mit dem Druck umzugehen?
Rommel: Ja. Auch in der Küche sind wir locker drauf. Die Kollegen wissen, wie ich ticke. Für mich ist entscheidend, dass das Essen perfekt auf den Teller kommt. Darüber hinaus lasse ich viel Spielraum. Sie können den Tag auch individuell gestalten. Wer schneller ist, kommt etwas später, wer langsamer ist, etwas früher. Der Umgangston in der Küche ist ganz human, und so macht es richtig Spaß zu arbeiten. Mittwochabends sitzen wir immer mit dem ganzen Küchenteam zusammen. Das ist sehr lustig und schweißt zusammen. Wir verbringen sehr viel Zeit miteinander, deshalb muss man die Leute gut führen und gut ausbilden, denn gute Leute sind in der Gastronomie rar gesät.
Ist es ein ganz besonderes Gefühl, wenn man viele Gäste hatte und am späten Abend fertig ist und alles hat geklappt?
Rommel: Man freut sich riesig, wenn die Speisen am Abend raus sind, die Gäste zufrieden sind und in die Küche kommen und sagen, es war ein toller Abend. Das ist dann die wohltuende Anerkennung für die ganze Arbeit.
Stichwort Fernsehkoch. Würden Sie Auftritte vor der Kamera reizen?
Rommel: Das ist ein schwieriges Thema. Eine gute Sendung finde ich "Kitchen Impossible" mit Tim Mälzer. Das ist eine interessante Herausforderung. Damit kann ich mich auch identifizieren, da es wirklich um das Kochen geht und die Sendung sehr authentisch ist. Eine Sendung, in der ich mein Können und meine Leidenschaft zeigen kann, könnte ich mir vorstellen.
Gibt es Ziele, Wünsche, Träume, die Sie im Moment haben?
Rommel: Ich wäre froh, wenn mein Team noch einige Jahre zusammenbleibt, weil wir sehr gut eingespielt sind. Ich selbst fühle mich hier angekommen. Ich war lange genug unterwegs, habe alles gesehen, war auch drei Jahre selbstständig, in Heidelberg. Das war auch hart. Man muss als Selbstständiger alles selbst durchplanen. Vom Einkauf über das Personal bis zu den Nebenkosten. Dabei habe viel gelernt, aber 20, 30 Jahre wollte ich das nicht machen, bei dem was am Ende übrigbleibt.
Wie schafft man es in dem Beruf eigentlich, so schlank zu bleiben, wie Sie, wenn man ständig mit solchen tollen Leckerbissen konfrontiert wird?
Rommel: Ich muss den ganzen Tag probieren. Da kann ich mich nicht hinsetzen und sagen, ich mache jetzt Mittag. Wenn ich das machen würde, kommt garantiert zehn Minuten später ein Kollege und sagt, probiere das mal. Dann könnten Sie bald kein Essen mehr sehen. So probiere ich eben den ganzen Tag, was zwar auch nicht das Gesündeste ist. Aber ich bin ja auch den ganzen Tag am Rennen. Deshalb bin ich mit meinem Gewicht sehr zufrieden.
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