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Früherer Bundestagspräsident Jenninger gestorben

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Er war Gefolgsmann von Kanzler Kohl und Bundestagspräsident. Jetzt ist der CDU-Politiker Jenninger gestorben. In Erinnerung bleibt der ehemalige Bundestagsabgeordnete für Crailsheim und Schwäbisch Hall auch wegen einer missglückten Gedenkrede, über die er stürzte.

Der frühere Bundestagspräsident Philipp Jenninger 2002. Foto: Norbert Försterling/Archiv
Der frühere Bundestagspräsident Philipp Jenninger 2002. Foto: Norbert Försterling/Archiv

Der frühere Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) ist tot. Er starb am Donnerstag im Alter von 85 Jahren. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte ihn als geradlinigen und verlässlichen Politiker mit festen Überzeugungen und einem „unermüdlichen Einsatz zum Wohle unseres Landes“. Damit habe er sich parteiübergreifend große Anerkennung erworben. „Ihr Mann war in allen seinen Ämtern ein hoch angesehener Repräsentant der deutschen Demokratie“, schrieb Steinmeier an die Witwe Jenningers.

Auch die CDU in Baden-Württemberg trauerte. „Er war Politiker aus Überzeugung, weil er den Menschen dienen wollte“, erklärte CDU-Landeschef und CDU-Bundesvize, Thomas Strobl, am Samstag in Stuttgart. „Als Bundestagsabgeordneter für Crailsheim und Schwäbisch Hall, als Staatsminister und Präsident des Deutschen Bundestages tat er dies über viele Jahre hinweg und gestaltete dabei die Bundespolitik maßgeblich mit. Er war stets bodenständig, heimatverbunden und trug bei all seinem Wirken Baden-Württemberg im Herzen“, sagte Strobl laut Mitteilung.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, er habe Jenninger „als einen leidenschaftlichen Abgeordneten erlebt und ihn als überzeugten Demokraten sehr geschätzt“. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, Jenninger habe sich in allen seinen politischen Ämtern „als sachkundiger, integrer und überzeugter Parlamentarier“ erwiesen.

Enger Vertrauter von Bundeskanzler Helmut Kohl

Jenninger gehörte dem Bundestag von 1969 bis 1990 an. Von 1984 bis 1988 war er dessen Präsident. Davor war der enge Vertraute von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zwei Jahre lang Staatsminister im Kanzleramt und vor allem für Deutschlandpolitik zuständig gewesen.

In einer Feierstunde des Bundestags am 10. November 1988 zum Gedenken an die Opfer der anti-jüdischen Pogrome hielt Jenninger eine missverständlich formulierte Rede. Er trennte nicht deutlich genug zwischen Zitaten aus der Zeit des Nationalsozialismus und eigenen Worten und löste damit in Deutschland und international eine Welle der Empörung aus. Jenninger trat am Tag darauf zurück.

Die Kritik richtete sich vor allem gegen Passagen, in denen er die politischen Erfolge Hitlers in seinen ersten Amtsjahren hervorhob und in Frageform antisemitische Vorbehalte wiedergab. In der Rede hieß es unter anderem: „Die Jahre von 1933 bis 1938 sind selbst aus der distanzierten Rückschau und in Kenntnis des Folgenden noch heute ein Faszinosum insofern, als es in der Geschichte kaum eine Parallele zu dem politischen Triumphzug Hitlers während jener ersten Tage gibt.“

Zu seinem 70. Geburtstag 2002 sagte Jenninger der Deutschen Presse-Agentur über die Beweggründe für seine Rede: „Ich wollte den Jugendlichen in Deutschland aufzeigen, warum ihre Großeltern und Eltern damals „Heil Hitler“ geschrien haben.“

Unterstützung von Ignatz Bubis

Unterstützung erhielt Jenninger später vom Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis. Er sprach von einer „über weite Strecken hervorragenden Rede, einfach nur rhetorisch miserabel gehalten“. Bubis berichtete 1995 auch, dass er Passagen Jenningers ein Jahr nach dessen Rücktritt in seiner eigenen Gedenkrede zur Pogromnacht in der Frankfurter Synagoge verwendet habe. „Kein Mensch hat's gemerkt.“

Schäuble sagte jetzt zum Rücktritt Jenningers: „Dass er 1988 nach einem schmerzhaften Missverständnis für sich politische Konsequenzen zog, zeigte sein großes Verantwortungsgefühl.“

Botschafter in Österreich und im Vatikan

Bei der Bundestagswahl 1990 kandidierte der aus Baden-Württemberg stammende CDU-Politiker nicht mehr. Er wurde von 1991 bis 1995 deutscher Botschafter in Österreich und anschließend bis 1997 Botschafter im Vatikan.

1997 geriet Jenninger noch einmal in die Schlagzeilen, als er für das Amt des Präsidenten des renommierten Stuttgarter Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) kandidierte. Nach heftigen Protesten von SPD und Grünen sowie von Vertretern aus Kunst und Kultur zog er seine Kandidatur zurück.

 

 

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