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Ein bisschen wie in einer Jugendherberge

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Künzelsau - Matthias Stolla hat sich mit drei alten Hasen über das Leben im Schlossgymnasium unterhalten: Bianca Windhager (20) aus Backnang, Michael Brett (19) aus Bietigheim-Bissingen und Christian Gfrerer (18) aus Güglingen.



Künzelsau - Zwei haben ihr Abitur schon in der Tasche, einer steht kurz davor. Matthias Stolla hat sich mit drei alten Hasen über das Leben im Schlossgymnasium unterhalten: Bianca Windhager (20) aus Backnang, Michael Brett (19) aus Bietigheim-Bissingen und Christian Gfrerer (18) aus Güglingen.

Was unterscheidet das Semi von anderen Schulen?

Bianca Windhager: Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass wir ein ganz anderes Verhältnis zu unseren Lehrern haben. Es ist enger. Wenn man hier ein Problem hat, bekommt man direkt Hilfe. Michael Brett: Wir sind ja auch eine kleinere Schule. Hier kennt jeder jeden.

Wie zeigt sich das?

Christian Gfrerer: Ein paar Lehrer sind ja auch im Heimdienst tätig. Man kann sich auch mal so mit ihnen unterhalten. Die fragen auch mal nach, ob einem etwas fehlt. Brett: Oder am Abend vor der Klausur steht die Biolehrerin vor einem und fragt, wie es läuft.

Wie war das Abnabeln von Zuhause?

Gfrerer: Am Anfang war das ziemlich hart. Mein Freundeskreis Zuhause wurde von Besuch zu Besuch kleiner. Es musste halt immer auch terminlich passen, wenn ich zu Besuch kam. Windhager: Das war relativ schlimm, weil ich ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern habe. Wenn man in der 7. Klasse hierherkommt, ist das am Anfang schon schlimm. Ich habe jetzt zwei Zuhause. Michael Brett: Ich erinnere mich an ein junges Mädchen, das zu früh hierherkam. Das hat man oft heulen gesehen. Ich selbst bin in einer großen Gruppe von Jungs gekommen. Dann ist es nicht so schlimm.

Wie geht man mit der Situation um?

Windhager: Seit ein, zwei Jahren gibt es Patenschaften. Die Großen sind für die Kleinen da. Ich habe das auch gemacht und finde das richtig süß mit denen. Gfrerer: Das ist eine tolle Sache, aber manchmal strengt"s halt echt an, wenn man einen schlechten Tag hat und dann gefragt wird ,Können wir noch zusammen Französisch lernen?". Vor einem Monat war ich mit meinem Patenkind zusammen in Heilbronn im Kino.

Brett: Viele Neue lassen sich von Sozialpädagogen noch nichts sagen. Ich habe damals zu meinen Eltern gesagt: Ich mache so lange Rabatz, bis die mich von der Schule schmeißen. Meine Mitschüler haben dann dafür gesorgt, dass ich mich hier einlebe. Jetzt bin ich sieben Jahre hier und habe das nie bereut.

Wie kommen Interne und Externe miteinander klar?

Brett: Wen man kennt, mit dem hat man halt Kontakt. Windhager: Wer am Wochenende hier bleibt, hat mehr Kontakt mit den Externen. Gfrerer: Das Verhältnis zwischen Internen und Externen ist gut.

Wie verbringt ihr eure Freizeit in Künzelsau?

Brett: Man genießt es, mit Freunden draußen zu sein. Da gibt es natürlich den Kocher und die Wertwiesen. Man ist auch mal zu zweit im Zimmer, hat viel Kontakt zu den anderen und nutzt die Sportangebote. Gfrerer: Schlafen. Das machen wir echt viel hier. Windhager: Man ist hier eigentlich nie alleine. Zuhause brauche ich immer erst einmal ein bis zwei Stunden Zeit für mich. Da darf mich dann niemand ansprechen.

Wie wirkt sich das Leben im Semi auf die Semis aus?

Brett: Ich habe viele Charaktere erlebt, die sehr verschlossen waren. Aber man wird hier offener. Ob Fußball, Kanu oder Baden − hier ist immer gleich das ganze Haus unterwegs. Es kann auch passieren, dass nachts um 2 Uhr ein Mitschüler mit Matratze ins Zimmer kommt, weil sein Bettnachbar schnarcht. Es ist hier ein bisschen wie in einer Jugendherberge. Windhager: Ich habe das hier auf gar keinen Fall bereut. Meine Mutter sagt, ich sei erwachsener und selbständiger geworden.

Gibt es auch Nachteile?

Brett: Natürlich. Wenn man eine Freundin hat, darf man die nach 22 Uhr nicht mehr sehen. Aber ohne Regeln geht es halt nicht. Wenn ein Sozialpädagoge mal hart durchgreift, hat der schon seine Gründe.

Wie erlebt ihr Künzelsau?

Brett: Reich. Hier wird ständig gebaut. Die Menschen sind freundlich, alle kennen sich, es ist gemütlich. Gfrerer: Wenn es hier wie in Heilbronn wäre, würde ich viel mehr bummeln, aber viel weniger lernen. Daheim habe ich nicht so viel für die Schule gemacht.

Reicht das Freizeitangebot?

Brett: Das ist in Ordnung. Es ist schon gut, dass wir hier nicht so viel Ablenkung haben. Gfrerer: Im Winter langweilt man sich abends echt zu Tode. Man schaut Filme.

Was wird von der Zeit im Semi bleiben?

Brett: Ich denke, ich werd"s schon vermissen. Ich hätte keine bessere Schulzeit haben können.

 Das Semi und sein Weck

Das Schlossgymnasium hat einen eigenen Pausensnack: den Semi-Weck. 30 Jahre muss es wohl her sein, schätzt Marianne Breuninger (77), dass der erste Schloss-Gymnasiast einen solchen bestellte. Damals hieß er noch nicht Semi-Weck. Das kam erst später, als sich die spezielle Mahlzeit unter den Semis herumsprach. Ein gebürtiger Künzelsauer namens Michael sei es gewesen, der einen großen Kipf mit Leberkäs ohne Gurke und Senf, dafür aber mit Fleischsalat von ihr haben wollte, erinnert sich die Mutter von Hermann F. Breuninger. Der 50-Jährige ist heute Inhaber der Metzgerei Breuninger in der Schlossgasse und verkauft pro Tag bis zu sechs Semi-Wecken an hungrige Schüler. „Den gibt es auch in anderen Metzgereien“, vermutet er, „das ist ja kein geschützter Begriff“. Er selbst esse hin und wieder auch einen, sagt er: „Der schmeckt saugut.“

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