Die (un)heimliche Spielstraße
Künzelsau - Künzelsau hat eine Spielstraße, auf der so gut wie nie jemand spielt. Das gilt zumindest für den asphaltierten Bereich der Hauptstraße, auf dem Autos nur Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen.
Uwe Trumpp kennt sich aus mit Regeln. Der Mann leitet die Verkehrspolizei in Künzelsau und ist zudem "Referent Verkehr". Als solcher muss er nach Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung (STVO) gehört werden, wenn die Stadt Straßen plant. "Wir sind auch gehört worden", sagt Trumpp und ergänzt hörbar lakonisch, "aber wir konnten uns mit unserer Meinung nicht durchsetzen".
Verkehrsberuhigt
Wenn es nach dem Polizisten gegangen wäre, hätten die Künzelsauer ihre neugestaltete Hauptstraße als "verkehrsberuhigten Geschäftsbereich" ausgeschildert. In dem gilt Tempo 30, und auf der Fahrbahn sind Autofahrer bevorrechtigt. Laut Uwe Trumpp wäre das eine Regelung, die der "städtebaulich durchaus gelungenen" Neugestaltung entsprochen hätte.
Ganz im Gegensatz zum "verkehrsberuhigten Bereich", landläufig als Spielstraße bekannt, den die Stadt durchsetzte. "Das Entscheidungsrecht liegt bei der Stadt", betont Günther Voith. Der Mann kennt sich aus mit Regeln. Er leitet das Ordnungsamt im Rathaus und ist überzeugt: Die Kennzeichnung als Spielstraße "ist rechtlich auf jeden Fall okay".
Fahrbahn
Dem widerspricht der Leiter der Verkehrspolizei nicht, er ist allerdings überzeugt, dass die Sicherheit "ein wenig auf der Strecke geblieben" ist. Warum? Weil die Kennzeichnung als Spielstraße nicht zur Straße passe. Zum blauen Spielstraßenschild (Zeichen 325) steht in der STVO beispielsweise: "Kinderspiele sind überall erlaubt." Das gilt nicht nur für den gepflasterten Fußgängerbereich, sondern ausdrücklich für die gesamte Hauptstraße, also auch für die Fahrbahn, auf der maximal sieben Stundenkilometer erlaubt sind.
Untergeordnet
In der Straßenverkehrsordnung steht auch, Spielstraßen "müssen durch ihre Gestaltung den Eindruck vermitteln, dass die Aufenthaltsfunktion überwiegt und der Fahrzeugverkehr hier eine untergeordnete Bedeutung hat".
Selbst der Ordnungsamtsleiter räumt ein, "dass sich etliche nicht an die sieben Kilometer pro Stunde halten". Er ist allerdings davon überzeugt, dass die Spielstraße durchaus als solche wahrgenommen werde: "Die Leute überqueren sie so, als hätten sie Vorrang." HZ-Leser berichten der Redaktion dagegen immer wieder von Rasern auf der Hauptstraße, die sich zum Teil gegenseitig überholten. Selbst der Architekt, der die Neugestaltung geplant hat, hält die geltende Regelung für eine Notlösung. Und für Uwe Trumpp ist die schnurgerade Fahrbahn in der oberen Hauptstraße alles andere als eine mustergültig gestaltete Spielstraße.
Trumpp bemerkt, dass die Spielstraßenschilder kaum wahrgenommen, geschweige denn befolgt werden. Mit Tempo 20 könne er leben, sagt er: "Autofahrer beachten rote Schilder eher als blaue." Das sei zwar schneller als sieben, "aber lieber die Einsicht, 20 zu fahren, als gar keine Einsicht".
Haftpflicht
Laut Günther Voith geht die Ausweisung als Spielstraße auf die Haftpflichtversicherung der Stadt zurück. Die habe klargestellt: "Bis sieben km/h sind wir versichert." Grund dafür ist der künstliche Wasserlauf, an dem oft Kinder spielen. Für den Ordnungsamtsleiter sei die Gretchenfrage: "Wie können wir mehr Sicherheit schaffen?" Deshalb werde sich die Stadt Ende April mit dem Planer der Hauptstraße überlegen, ob sich das mit baulichen Maßnahmen erreichen lasse.