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Der Tochter des Toten bleiben nur Erinnerungen

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Ein Mann wird brutal erschlagen undeine 20-Jährige versucht, mit dem Geschehen klarzukommen

Von unserer Redakteurin Heike Kinkopf
Ein Engel aus Stein ziert das Grab des Vaters. Die 20 Jahre alte Sina Meert lebt in der Nähe von Schorndorf und hat den Vater in der Nähe ihres Wohnortes begraben lassen. "Ich will ihn in der Nähe haben", sagt sie.Foto: Heike Kinkopf
Ein Engel aus Stein ziert das Grab des Vaters. Die 20 Jahre alte Sina Meert lebt in der Nähe von Schorndorf und hat den Vater in der Nähe ihres Wohnortes begraben lassen. "Ich will ihn in der Nähe haben", sagt sie.Foto: Heike Kinkopf

Bei einer Straftat fällt das Licht häufig auf den Täter. Was ist das für einer? Wo kommt er her? Was ist sein Motiv? Die Opfer stehen im Schatten. Sina Meert ist die Tochter eines Opfers. Ihr Vater wurde im März in Niedernhall brutal erschlagen. Die 20-Jährige kämpft mit Trauer und Wut und dem Versuch, den Tod zu akzeptieren.

Sina Meert sendet ihrem Vater nach wie vor Nachrichten aufs Handy: "Du fehlst mir", schreibt sie. Probiert die 20-Jährige eine neue Haarfarbe aus, schickt sie ihm ein Foto von sich. Eine Antwort bekommt sie nicht. Wie auch?

Mord. Das wirft die Staatsanwaltschaft Heilbronn, Zweigstelle Schwäbisch Hall, dem mutmaßlichen Täter vor. Für Sina Meert heißt das: Von einem Tag auf den anderen ist der 52 Jahre alte Vater aus ihrem Leben verschwunden.

Sina Meert heißt eigentlich anders. Die Beziehung zum Vater ist nicht immer einfach gewesen. Ihre Eltern trennen sich, als sie vier Jahre alt ist. Die Mutter fängt ein neues Leben an − der Kinder wegen. Zu dem Zeitpunkt sitzt der Vater wegen Betrug und Einbruch eine Zeit lang im Gefängnis. Er ist kein unbeschriebenes Blatt.

Bluttat Nach der Haftentlassung Anfang der 2000er Jahre schafft er es nicht, sich ein bürgerliches Leben aufzubauen, sagen seine Tochter und dessen Ex-Frau. Er sei keiner geregelten Arbeit nachgegangen. Offenbar lebte er sehr zurückgezogen.

Die Tat übersteigt die Vorstellungskraft der Tochter. Hammerschläge auf den Kopf habe ihr Vater erhalten. Mit was sie überhaupt nicht zurechtkommt, ist das angebliche Motiv: Meerts Vater soll dem mutmaßlichen Täter, der ein Geständnis abgelegt hat, zehn Euro geliehen und das Geld wiederholt zurückgefordert haben. "Zehn Euro", sagt sie immer noch fassungslos.

Interesse Sina Meert spricht über die guten Seiten ihres Vaters. Hilfsbereit und verlässlich sei er gewesen. "Er hat Musik geliebt." Er macht ihr zum Geburtstag oder Weihnachten keine teuren Geschenke. Dafür sind sie überlegt: Der Pulli mit einem Sinnspruch über den November darauf − "ich habe in dem Monat Geburtstag", die selbstgebrannte CD mit Liedern aus Walt-Disney-Filmen. "Die fand ich früher gut", sagt die 20-Jährige und lächelt.

Die Frau beschreibt ihren Vater auch als antriebslos, wenig tatkräftig. "Er war bequem, er hat sich gern auf andere verlassen." Probleme blendete er anscheinend lieber aus, als sich ihnen zu stellen. "Es geht nicht darum, böse über ihn zu reden", sagt Sina Meert. "So war er halt."

Verschiedene Gefühle streiten in ihr. Ab und zu bricht es aus ihr heraus: "Ich habe so einen Hass auf den Menschen, der das getan hat." Dann wieder scheint sie in sich zusammenzusinken. Sie möchte den Vater, das Bild von ihm, irgendwie festhalten − über den Tod hinaus. "Das ist etwas, das ich merke", sagt sie. "Er ist weg."

Opfer Die Tat − laut Staatsanwaltschaft "heimtückisch und grausam" − fordert Opfer. Der 52-Jährige ist tot, seine Tochter leidet. Sie absolviert eine Ausbildung zur Friseurin. Bei der Arbeit macht sie jetzt mehr Fehler. "Ich bin unkonzentriert", erzählt sie. Sie sei nachdenklich geworden, stellt ihre Mutter fest, und anhänglich. Sina Meert will den Prozess vor dem Heilbronner Landgericht verfolgen. "Ich will den Typen sehen, mir ein Bild von ihm machen. Er hat so viel kaputt gemacht."

Die 20-Jährige stellt ihren Vater nicht auf ein Podest. Er fehlt ihr. Es fällt ihr schwer, das Geschehen zu begreifen. Solange sie über ihn spricht, ist er präsent. "Ich will ihn lebendig halten." Sie gibt zu: Sie hat Angst, dass er verschwindet.

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