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Landrat Matthias Neth im Jahresinterview

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Landrat Matthias Neth ist kein Freund der Systemumstellung bei der Sammlung von Leichtverpackungen. Der 41-Jährige spricht im großen Jahresinterview über das neue Landratsamt in Künzelsau, die mögliche Reaktivierung der Kochertalbahn und die Bewältigung der Coronakrise im Hohenlohekreis.

Am Ende seiner Haushaltsrede erklärt Matthias Neth am 9. November im Kreistag, dass er bei der nächsten Landratswahl wieder antritt. Am 26. April 2021 ist es soweit. Der 41-Jährige war am 10. Juni 2013 erstmals gewählt worden.
Fotos: Ralf Reichert, dpa
Am Ende seiner Haushaltsrede erklärt Matthias Neth am 9. November im Kreistag, dass er bei der nächsten Landratswahl wieder antritt. Am 26. April 2021 ist es soweit. Der 41-Jährige war am 10. Juni 2013 erstmals gewählt worden. Fotos: Ralf Reichert, dpa  Foto: Reichert

Das Management der Coronakrise im Hohenlohekreis hat Landrat Matthias Neth 2020 alles abverlangt. Doch es gibt noch mehr Top-Themen, die 2021 spannend bleiben.

 

Wenn Sie im November 2028 aus dem Büro blicken: Was sehen Sie dann?

Matthias Neth: Dann schaue ich hoffentlich in ein schneebedecktes Kochertal. Vielleicht sehe ich sogar die Schienen der Kochertalbahn.

 

Werden Sie in acht Jahren wieder wie zuletzt verkünden: Mein Platz ist in Hohenlohe, ich trete bei der Landratswahl 2029 erneut an?

Neth: Nun steht ja erst einmal die Wahl 2021 an. Für mich gilt: Man muss wissen, wo man hingehört. Nur dann kann man sich mit voller Kraft für seine Aufgaben einbringen und erfolgreich sein. Meine familiären Wurzeln kommen aus dem Hohenlohischen und meine Familie und ich fühlen uns hier sehr wohl.

 

Sie bekommen viel Anerkennung. Mancher glaubt, Sie seien zu Höherem berufen. Freut Sie das?

Neth: Ich kann mir keine schönere Aufgabe vorstellen als hier Landrat zu sein. Die Frage: "Geht er weg, etwa nach Heilbronn oder Stuttgart?" war nie mein Thema. Ich bin hier 2013 angetreten mit der klaren Absicht, für diesen Kreis und seine Menschen die Zukunft zu gestalten. Auch wenn es in den letzten Jahren nicht immer leichte Aufgaben waren, wurde zusammen mit dem Kreistag sehr viel Gutes erreicht. Selbst wenn es jetzt wegen Corona befremdlich klingen mag: Es macht jeden Tag Spaß, hier zu wirken.

 

Sie sind jetzt 41 und sehen am 26. April einer fast sicheren Wiederwahl entgegen. Haben Sie keine Angst, dass Sie spätestens mit Ablauf der zweiten Amtszeit die Midlife-Krise packt?

Neth: Für mich hat es viel Charme, in einem kleinen Landkreis zu arbeiten. Der Vorteil ist, dass man starke Beziehungen zu den Menschen aufbauen kann. Man kann hier sehr unmittelbar Dinge bewirken, gestalten und umsetzen. Und man bekommt auch unmittelbar Rückmeldung. Ich habe noch viele Ideen für den Hohenlohekreis. Ich würde mich sehr freuen, wenn der Kreistag diesen Weg weiter mit mir gehen möchte.

 

Homeoffice ist seit Corona in aller Munde. Wie läuft das bei Ihnen?

Neth: Einen Krisenstab im Homeoffice zu führen, ist schwierig. In diesem Corona-Jahr gab es so viel zu tun, das auf Interaktion basierte – so anspruchsvoll das mit Masken und Abständen ist. Ich habe großen Respekt vor denen, die im Homeoffice arbeiten und gleichzeitig Kinder betreuen. Das ist ein schwieriger Spagat. Dies erlebe ich selbst im Homeoffice – meine kleine Tochter merkt, wenn der Papa zu Hause ist.

 

Sie wollen das neue Landratsamt ganz neu denken. Wie viel davon wird virtuell, wie viel bleibt real?

Der A-Bau an der Allee soll weichen, doch die A-Lage soll bleiben: Neth sieht dem Landratsamtsneubau positiv entgegen.
Der A-Bau an der Allee soll weichen, doch die A-Lage soll bleiben: Neth sieht dem Landratsamtsneubau positiv entgegen.  Foto: Reichert, Ralf

Neth: Es wird sich sehr vieles ändern, gerade im digitalen Bereich, wo wir gemerkt haben: Es geht doch, auch wenn wir das vorher nicht gedacht haben. Nur: Für viele der Leistungen, die wir erbringen, braucht es weiter den persönlichen Kontakt. Deshalb wird dieses neue Landratsamt beides sein: realer Anlaufpunkt und virtueller Raum. Wir müssen noch näher an den Bürgern dran sein, auf ihre Fragestellungen und Nöte noch unmittelbarer reagieren. Gleichzeitig müssen wir für unsere Mitarbeiter attraktiv sein.

 

Die Mehrheit des Kreistags will die Eins-a-Lage an der Allee nicht aufgeben. Das größere Gebäude soll in einem ersten Bauabschnitt laut aktuellem Plan aber auf dem weniger repräsentativen Schotterparkplatz entstehen. Wie passt das zusammen?

Neth: Es war ein langer Prozess, bis wir die Flächen identifiziert hatten. Die Pläne, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind aber noch nicht die finalen Baupläne. Da ist noch kein Architekt drübergegangen. Das ist ein städtebaulicher Rahmenplan, auf welchen Grundstücken etwas wachsen kann. Ich gehe davon aus, dass der größere und stärkere Baukörper mit dem Gesicht des Landratsamts sehr wohl in der A-Lage sein kann. Der große Charme an dieser Lösung ist, dass wir sechs bis sieben Millionen Euro für Interimsbauten sparen. Es sind noch viele Fragen offen, aber ich sehe, dass es sich lohnt, an diesem Plan weiterzumachen. Vor allem können wir modular und bedarfsgerecht wachsen und uns entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit weiterentwickeln.

 

Bei der Haushaltseinbringung sagte der Kämmerer, 90 Millionen Euro sind das, was der Kreis für das neue Landratsamt maximal leisten könnte: rein rechnerisch, nicht politisch. Was wäre denn die politische Größe, die der Kreis heben könnte?

Neth: Wir schauen da insofern in die Glaskugel, weil noch keiner genau weiß, wie sich Corona wirtschaftlich auf den Kreis auswirken wird. Wir haben in den vergangenen Kreishaushalten einen Betrag von 15 bis 20 Millionen Euro für das Projekt reserviert. Und wir sehen, dass die öffentliche Hand am Kreditmarkt wirtschaftlich Kredite aufnehmen kann. Insofern glaube ich, dass eine Größenordnung von 40 Millionen Euro gut zu stemmen ist.

 

Blicken wir hundert Meter weiter zum ambulanten Gesundheitszentrum. Das Medizinische Versorgungszentrum startet am 1. Januar 2021. Wann geht das Hospiz in Betrieb, und wo wird es angesiedelt sein?

Neth: Mit dem Hospiz werden wir ebenfalls 2021 in die konkrete Umsetzung gehen. Nach unseren jetzigen Plänen braucht es Umbauarbeiten im ersten Stock des ehemaligen Krankenhausgebäudes, wo wir das Hospiz etablieren wollen. Wir werden diese im neuen Jahr in das Baugenehmigungsverfahren geben. Allerdings sehen wir schon bei den Planungen, dass der Zustand dieses Gebäudes wie befürchtet sehr große Probleme aufwirft, so dass wir stark investieren müssen. Die Bausubstanz ist schlecht. Es gibt aber einen Bedarf für ein Hospiz in unserem Raum. Wir haben sogar schon Anfragen von Mitarbeitern, die im Hospiz arbeiten wollen. Das freut mich sehr. Allem voran ist es wichtig, dass wir eine besondere Atmosphäre dort schaffen – für die Menschen vor Ort wie auch für ihre Angehörigen. Wir erleben menschliche Ausnahmesituationen, für die wir so gut es geht einen würdevollen Rahmen geben wollen.

 

Welche Leistungen des ambulanten Gesundheitszentrums werden 2021 in Künzelsau noch umgesetzt und wie teuer wird das für den Kreis?

Neth: Die Vereinbarung mit der BBT-Gruppe ist klar: Das ist vor allem der Erhalt des MediKün und das Wachstum im Bereich MVZ. Beides muss sich selbst tragen. Beim Hospiz wissen wir, dass es sich nicht selbst tragen wird. Da gehen wir von einem dauerhaften Defizit aus, das durch den Landkreis und möglicherweise durch einen Förderverein zu stemmen wäre. Ich halte es für richtig, dass der Landkreis in diese Verantwortung geht. Der Kreistag hat im Haushalt 2020 und 2021 die nötigen Mittel bereitgestellt.

 

Wenn die Kochertalbahn kommt, haben NVH und Anliegerkommunen wie Kupferzell ein Problem. Dann dürfen parallel keine Busse mehr fahren. Wird das zum Killer des Projekts?

Die Chancen für die Reaktivierung der Kochertalbahn von Waldenburg bis Künzelsau sind für Neth so groß wie noch nie.
Die Chancen für die Reaktivierung der Kochertalbahn von Waldenburg bis Künzelsau sind für Neth so groß wie noch nie.

Neth: Wir haben einen vergleichbaren Fall in Bretzfeld, wo durch die Stadtbahn die dort laufenden Busverkehre teilweise gebrochen sind. Andererseits: Durch die deutlich höhere Förderung ist die Chance für einen Schienenweg von Waldenburg bis Künzelsau so groß wie nie. Deshalb ist es richtig, das Thema jetzt anzugehen – aber gerade im Bereich Kupferzell müssen wir die Auswirkungen auf den sonstigen ÖPNV sauber prüfen.

 

Nicht nur für die Reaktivierung der Kochertalbahn winkt viel Fördergeld, sondern auch für die weitere Elektrifizierung der Hohenlohebahn. Wie viel Geld könnte der Hohenlohekreis für diese zwei Strecken maximal setzen?

Neth: Wir wissen momentan ja noch nicht genau, wie hoch die Investitionskosten sein werden und ob wir die Förderung erhalten. Bei einer denkbaren Bundes- und Landesförderung bis zu 90 Prozent wären die kommunal zu erbringenden Beträge für den Kreis wie für die Anliegerkommunen möglicherweise leistbar. Spannend bleibt die Frage, wer den Betrieb bezahlt. Hier gilt das Windhundprinzip. Ob aber das, was das Land hier finanziell bereitstellt, auch ausreicht, muss man sehen.

 

Ab 2021 kommen die Gelben Säcke. Haben Sie schon geübt?

"Für mich hätte es diesen Systemwechsel nicht gebraucht", sagt Neth zur Einführung des Gelben Sacks am 1. Januar.
"Für mich hätte es diesen Systemwechsel nicht gebraucht", sagt Neth zur Einführung des Gelben Sacks am 1. Januar.  Foto: Patrick Pleul

Neth: Auch ich habe mit meiner Frau diskutiert, wo wir die Säcke lagern. Der Systemwechsel hat keinem Freude gemacht. Ich verstehe auch nicht, warum der Bundesgesetzgeber die Leichtverpackungen anders regelt als andere Abfallarten. Es wäre viel einfacher, wenn wir als Kreis eine Gestaltungsmöglichkeit hätten. Die haben wir leider nicht.

 

Ein neuer Anlauf für die kommunale Wertstofftonne müsste bis Ende 2021 von Erfolg gekrönt sein, weil der Vertrag über die Gelben Säcke ein Jahr später ausläuft. Ist das zu schaffen?

Neth: Ich halte das bis Ende 2021 für nicht zu schaffen. Das liegt daran, dass mit dem Dualen System zu viele Fragen offen sind. Es geht zum einen um das, was das Duale System zu verantworten hat, zum anderen um Wertstoffe, für die es leider noch keinen Markt gibt. Es ist erkennbar, dass das Duale System aus wirtschaftlichen Erwägungen den Gelben Sack immer bevorzugt. Das ist für den Landrat genauso bitter wie für die Kreisbevölkerung. Das einzig Erfreuliche ist, dass jetzt alle 14 Tage abgeholt wird. Ich denke, dass wir uns daran gewöhnen werden, aber: Für mich hätte es diese Systemumstellung nicht gebraucht.

 

Noch einmal: 2023 tritt ein neuer Entsorgungsvertrag in Kraft. Ist dann die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Gelbe Sack den Bürgern zwei oder drei weitere Jahre erhalten bliebt?

Neth: Ja, ich halte die Wahrscheinlichkeit für größer. Vielleicht gelingt es uns noch, mit den Dualen Systemen eine gemeinsame Tonne zu etablieren. Momentan gehe ich aber davon aus, dass uns der Gelbe Sack noch länger begleiten wird. Ob der nächste Vertrag wieder drei Jahre läuft, ist aber noch nicht sicher.

 

Was hat Sie die Corona-Pandemie in diesem Jahr am meisten gelehrt?

Neth: Demut und Dankbarkeit.

 

Was hat Sie am härtesten gefordert?

Corona hat dem Landrat alles abverlangt. Das Robert-Koch-Institut analysierte im Frühjahr den Hotspot Kupferzell.
Corona hat dem Landrat alles abverlangt. Das Robert-Koch-Institut analysierte im Frühjahr den Hotspot Kupferzell.  Foto: Reichert

Neth: Die Quarantäne in Pflegeheimen. Hier musste ich Entscheidungen treffen, die hart waren und für viele große Folgen hatten.

 

Wenn Sie Ihrer Tochter Cosima das erste Mal von Corona erzählen. Wie beginnen Sie diese Geschichte?

Neth: Hoffentlich mit den ersten Worten: "Es war einmal".

 

Wenn Sie darüber ein Buch schreiben dürften: Wie würden Sie es nennen?

Neth: #hohenlohehaeltzusammen.

 

Wann wird der Hohenlohekreis zur Normalität zurückkehren?

Neth: Das Corona-Virus wird uns noch viele Jahre begleiten. Das gilt wohl auch für die Maskenpflicht und Hygieneregeln. Die Impfungen könnten aber dafür sorgen, dass wir im nächsten Sommer wieder eine schrittweise Rückkehr zu einem halbwegs normalen Leben haben.

 
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