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"Das Umsteuern war längst überfällig"

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Nicht nur das vorzeitige Klinik-Aus in Künzelsau hat Landrat Matthias Neth im Jahr 2018 schwer beschäftigt.

Von Ralf Reichert
 Foto: Reichert, Ralf

Hinter Landrat Dr. Matthias Neth liegt ein arbeitsreiches Jahr mit vielen wichtigen Entscheidungen: wieder mal. Im Gespräch mit der HZ wirkt er aufgeräumt.

 

Wenn Sie an Silvester anstoßen aufs neue Jahr: Worauf sind Sie am meisten stolz?

Matthias Neth: Dass wir mit dem Klinikpaket samt Gesundheitszentrum eine hervorragende Lösung gefunden haben.

 

Was hätten Sie 2018 gar nicht gebraucht?

Neth: Es gab einige personelle Veränderungen im Landratsamt, teilweise aufgrund von Schicksalsschlägen. Das geht natürlich nicht spurlos an einem vorbei, weder bei mir, noch bei den Mitarbeitern.

 

Wo haben Sie sich 2018 am meisten geirrt?

Neth: Ich glaubte, dass wir bei der hohen Veränderungsgeschwindigkeit, die ich im Landratsamt angestoßen habe, in manchen Themen schon weiter sind.

 

Worüber haben Sie sich am meisten geärgert?

Neth: Geärgert ist der falsche Begriff: Ich hätte mir gewünscht, dass wir beim Thema Krankenhaus etwas schneller vorankommen.

 

Hand aufs Herz: Als Sie 2013 für diesen Job kandidierten: Hätten Sie gedacht, dass Sie in fünfeinhalb Jahren so viele weitreichende Veränderungen anschieben und umsetzen müssen?

Neth: Klar war: Die Themen kommen alle. Nicht klar war, dass sie alle am Anfang und auf einmal in dieser Fülle kommen. Diese fünfeinhalb Jahre waren deshalb sehr intensiv mit all dem, was eigentlich erst nach und nach in zehn bis fünfzehn Jahren abzuarbeiten wäre.

 

Welche Themen blieben bisher auf der Strecke?

Neth: Nach etwa hundert Tagen im Amt habe ich im Haus meine Konzeption vorgestellt. Viele dieser Themen sind noch nicht bearbeitet, etwa Moderne Verwaltung, Breitbandversorgung, Zukunft des ländlichen Raums.

 

Sie sind jetzt 39: Was hat das Amt des Landrats mit Ihnen gemacht?

Neth: Eine Mitarbeiterin hat mir vor kurzem gesagt: Wir müssen neue Fotos machen. Aber im Ernst: Man verändert sich in diesem Amt und das Amt verändert einen. Am augenfälligsten ist die enorme zeitliche Beanspruchung. Aber auch die Härte der Auseinandersetzung um die Schließung der Klinik in Künzelsau hat mich sehr geprägt.

 

Das Krankenhaus in Künzelsau wird nun schon in einem Jahr geschlossen, und nicht erst 2023. Warum ist die Entscheidung richtig?

Neth: Es ergibt keinen Sinn, an einem Konzept festzuhalten, das nicht zukunftsfähig ist, von der Bevölkerung nicht angenommen wird und am Ende nicht das hält, was es vermeintlich verspricht. Deshalb war das Umsteuern längst überfällig.

 

Das Krankenhaus in Öhringen wird ab 2020 neu gebaut. Was ist am wichtigsten, damit der Standort dauerhaft erhalten bleibt?

Neth: Qualität.

 

Künzelsau bekommt ab 2020 ein ambulantes Gesundheitszentrum. Glauben Sie, dass damit die größte Aufregung vorbei ist?

Neth: Ich habe vor der Kreistagsentscheidung mit dem Gemeinderat und Künzelsauern gesprochen. Der Schmerz ist immer noch da, aber man schaut nun nach vorne. Die Stimmung in der Kreistagssitzung spiegelt dies wider: Es war bei den Besuchern nicht mehr diese Wut, diese Aufgeregtheit zu spüren.

 

Der Kreis muss für das Krankenhaus weiter viel Geld aus dem normalen Etat in die Hand nehmen. Haben Sie dabei kein mulmiges Gefühl?

Neth: Gar nicht, weil der Kreistag und ich uns einig sind, dass es richtig ist, öffentliches Geld für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung im gesamten Landkreis zu setzen, wenn das Produkt stimmt. Das ist der wesentliche Unterschied zum Ausgleich des Defizits von zwei Krankenhäusern, die fachlich wie investiv nicht mehr zukunftsfähig sind. Das, was wir jetzt aufstellen, ist zukunftsfähig.

 

Das Landratsamt wird ab 2022 neu gebaut. Wie oft haben Sie schon geflucht, dass Sie den Begriff Kreishaus so früh in Umlauf brachten?

Neth: Geflucht habe ich nie, weil mir nicht primär wichtig ist, ob sich dieses Wort festsetzt oder nicht. Was der Begriff Kreishaus bewirkt hat ist, dass eine Diskussion darüber angestoßen wurde. Wir haben bereits 2014 die Frage gestellt: Ist das Landratsamt ein reines, abstraktes Verwaltungsgebäude oder der Mittelpunkt eines Kreises? Wir haben die Antwort offengelassen, weil andere Themen plötzlich dominiert haben. Irgendwann müssen wir uns aber fragen: Wie definiert sich ein Kreis? Nur durch seine Verwaltungsaufgaben, oder nicht auch als Teil seines Selbstverständnisses? In unserem Fall etwa als kleinster Kreis im Land mit einem ganz eigenen Wert.

 

Wo ist der beste Standort für den Neubau?

Neth: Ich freue mich, dass wir interessante und gute Ergebnisse im gemeinsamen Städtebaulichen Wettbewerbs erzielt haben. Der Entwurf, welcher vom Preisgericht als bester gewertet wurde, ist für mich baulich sehr gut umsetzbar. Wir müssen als Kreis parallel zur Rahmenkonzeption der Stadt Künzelsau nun überlegen, welchen Inhalt wir für den Neubau des Landratsamtes unterlegen und somit die Machbarkeitsstudie fortschreiben. 2019 wird sich der Kreistag abschließend mit der Standortfrage beschäftigen müssen.

 

Der Kreis investiert seit jeher viel Geld in die Berufsschulen. Das Problem: Die Schülerzahlen sinken. Wie wahrscheinlich ist es, dass den Schulen des Kreises irgendwann eine ähnliche Standortdebatte blüht wie beim Krankenhaus?

Neth: Die Themenblöcke sind nicht vergleichbar. Aber auch für die Bildungslandschaft gilt: Sie funktioniert, wenn die Qualität stimmt. Da sind wir bei der Ausrichtung der Schulstandorte Künzelsau und Öhringen sehr gut dran. Wir haben klare Ausprägungen und keine Doppelstrukturen. Die teils niedrigeren Schülerzahlen sind aber ein Problem. Darauf müssen wir reagieren, etwa mit dem Antrag zum Pflegegymnasium für Künzelsau. Wenn es uns nicht gelingt, jungen Menschen zu zeigen, dass wir hier ein tolles Angebot haben, wird es schwer. Unser großer Vorteil ist: Noch sind wir handlungsfähig, und baulich sind wir gut auf Stand. Wir haben keine riesige Investitionslücke vor uns, dafür müssen die Inhalte jetzt nachgezogen werden.

 

Die Müllgebühren steigen 2019 erneut. Wie viel Unmut von Bürgern erreicht Sie direkt?

Neth: Manche E-Mail landet schon direkt bei mir. Der Ton darin ist nicht hart, sondern sehr fragend nach dem Motto: Wie kann es sein, dass wir 2013 mit die niedrigsten Müllgebühren hatten und jetzt über dem Landesschnitt liegen? Das ist fachlich erklärbar, politisch aber nur schwer. Es bleibt kein anderer Weg als zu sagen: Das, was ihr in der Vergangenheit gespart habt, muss jetzt nachgezogen werden. Was wir in der Kommunikation noch nicht geschafft haben ist, den Bürgern klarzumachen, dass der Standard, die Qualität und die Services weit überdurchschnittlich sind. Die Größe und Anzahl der Grüngutplätze und Recyclinghöfe, der hohe Benutzerkomfort, das kostet sein Geld. Wir haben dem Kreistag die Option eröffnet, die Müllgebühren nicht so stark zu erhöhen. Dann streichen wir aber Services. Ich glaube, dass will auch niemand.

 

Wie viele Mitarbeiter wird das Landratsamt 2030 noch haben? Brauchen Sie mit Blick auf das neue Kreishaus und die steigende Digitalisierung in Zukunft nicht viel weniger Personal?

Neth: Es werden mehr Köpfe sein, aber möglicherweise nicht mehr Stellen. Es wird noch mehr Teilzeit geben. Ein Landratsamt wird trotz Digitalisierung in vielen Bereichen immer das Verhältnis Mensch-zu-Mensch brauchen. Etwa im Jugendamt. Es gibt andere Aufgaben, wo wir durch Digitalisierung und Standardisierung etwas verändern können. Allen Mitarbeitern verlangen wir die Bereitschaft dazu ab. Allerdings entwickelt sich die Veränderungsgeschwindigkeit - man denke nur an brauchbare Softwarelösungen für die öffentliche Hand - deutlich langsamer als gedacht.

 

Sie wohnen seit Ostern 2017 im Öhringer Limespark. Wie haben Sie sich eingelebt?

Neth: Sehr gut. Nur hängen immer noch nicht alle Bilder und Lampen. Meine Frau will, dass ich das zum Jahreswechsel erledige.

 

Wie kommen Sie mit Ihren Nachbarn aus?

Neth: Gut! Auf der einen Seite wohnen unsere Eltern. Ansonsten ist das ein Neubaugebiet mit jungen Familien. Wir hatten vor kurzem einen Nachmittag mit Glühwein und Gebäck in der Straße. Wir fühlen uns sehr wohl.

 

Wo entlasten Sie Ihre Frau im Haushalt?

Neth: Meine Aufgaben sind Müll, Beschaffung von Getränken und manchmal Kochen. Nicht meine Domänen sind Wäsche, Putzen, Aufräumen.

 

Welches Buch lesen Sie gerade?

Neth: Einen Historienkrimi aus dem alten Rom: "Der Adler der Neunten Legion".

 

Bei welcher Musik schalten Sie am besten ab?

Neth: Abgesehen von den klassischen Konzerten, die ich auch hier im Landkreis besuche, war das letzte Konzert das von Helene Fischer - zum Entsetzen meiner Gattin.

 

Was machen Sie sonst, wenn Sie nicht arbeiten?

Neth: Die wenige Freizeit nutze ich vor allem mit meiner Frau und der Familie. In unserem diesjährigen Sommerurlaub war meine Frau der Meinung, ich müsse mich mehr bewegen. Also wurde ich zum Sport genötigt, was natürlich gutgetan hat. Aber leider haben die guten Vorsätze dann nicht in den Alltag gepasst. Vielleicht nehme ich mir das zu Silvester fürs neue Jahr noch einmal vor.


Zur Person

Dr. Matthias Neth wurde am 4. September 1979 in Bad Cannstatt geboren, studierte Jura in Tübingen und Lausanne sowie Verwaltungswissenschaften in Speyer. Er war ein Jahr Amtsleiter im Landratsamt Böblingen und ab Mai 2011 Parlamentarischer Berater der CDU-Landtagsfraktion. Bei der Landratswahl im Hohenlohekreis am 10. Juni 2013 schlug er Uwe Köhn aus Stuttgart im zweiten Wahlgang mit 21 zu 18 Stimmen. Neth ist verheiratet, seine Frau Jutta arbeitet als Finanzbeamtin in Heilbronn.

 
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