„Das ist doch mein Städtchen“
Emil Jäger, ein Urgestein der Stadt, wird heute 80

Künzelsau - „Ich bin Ur-Künzelsauer“, sagt der Jubilar mit sichtlichem Stolz, „bis ins 17. Jahrhundert lässt sich mein Stammbaum hier zurück verfolgen.“ Emil Jäger hat tiefe Wurzeln in der Kocherstadt. Einmal nur hat er Hohenlohe verlassen wollen. 58 Jahre ist das her und inzwischen längst undenkbar geworden: „Das ist doch mein Städtchen“, sagt Jäger. Dahinter verbirgt sich kein Herrschaftsanspruch, eher schon Verbundenheit. Jäger war nie einer, der in der ersten Reihe stehen wollte. Auch heute scheut er das Rampenlicht. Die Zusage zum Interview ließ er sich nur mühsam abringen.
Emil Jäger ist Jahrgang 1928 und hat das Nazi-Regime in voller Länge miterlebt. Jungvolk, Hitlerjugend, Arbeitsdienst – der junge Jäger war dabei, sogar „ganz bewusst“, wie er heute zugibt. „Wir haben das doch damals gar nicht begriffen“, sagt Jäger. Er will nicht vertuschen, auch wenn ihm die Erinnerung an die Zeit als „Hitlerbüble“ in Künzelsau alles andere als angenehm ist. Mit seinen Eltern wohnt der junge Emil in der Hauptstraße. Die Nachbarn waren Juden: „Mit denen hatten wir das beste Verhältnis“, versichert er. Dass er dennoch bei der HJ mitmachte, habe er „später in Gefangenschaft büßen müssen“, sagt er. „Ganz zum Schluss bin ich noch ein bisschen Soldat geworden.“
Auch nach dem Krieg bleibt er mit Künzelsauer Juden in Verbindung: Beim jüdischen Getreidehändler Siegbert Baer lässt er sich zum Großhandelskaufmann ausbilden. Freizeitangebote gibt es in Künzelsau so gut wie gar nicht. 1946 gründet Jäger deshalb mit dem damaligen AOK-Direktor den TSC. „Der durfte nicht TSV heißen wie vorher. Das hatten die Amis verboten.“ Der junge Emil nutzt sein Schulenglisch, um die Versammlungsprotokolle ordnungsgemäß zweisprachig bei der Militärbehörde vorzulegen.
„Weil es nichts anderes gab“, hilft Jäger dem darnieder liegenden Vereinssport wieder die Beine: als Mitbegründer des Fußballbezirks Hohenlohe, der damals noch den skurrilen Namen „Bund für Sport und Körperpflege“ trug. Ob Sportkreis oder Turngau, Emil Jäger ist stets von Anfang an mit dabei: „Ich habe die Satzungen ausbaldowert, obwohl ich noch gar nicht volljährig war.“ Das wurde man erst mit 21. 1950 endet sein Gründungseifer. „Ich hatte eine Anstellung in Hannover und wollte fort.“ Dann aber stirbt sein Vater, und Jäger bleibt. Ab 1968 vertritt er die Bürger im Gemeinderat. 36 Jahre lang macht er das, wird sogar Fraktionschef der FDP, „obwohl ich nie Parteimitglied war“. Der Gewerbepark Hohenlohe liegt ihm am Herzen und generell eine positive Entwicklung der Stadt.
Bis zum heutigen Tag leitet er die Alterskameradschaft der Feuerwehr, deren stellvertretender Stadtbrandmeister er war. Und immer noch geht er „gern unter die Leut’“. Manchmal besucht er eine Sitzung des Gemeinderats. „Der Ton hat sich verändert“, hat er festgestellt. „Ich hatte früher auch oft Streit mit Karl Sanwald.“ Mit dem inzwischen verstorbenen Künzelsauer SPD-Fraktionschef habe er sich aber immer wieder vertragen: „Ich verehre ihn über den Tod hinaus“, sagt Emil Jäger.
Mit seiner Frau Rita lebt er im zweiten Stock ihres Hauses in der Scharfengasse. Die Treppe macht ihnen keine Probleme. Warum auch? „Meine Mutter ist 102 geworden“, schmunzelt Rita Jäger.