Künzelsaus Bürgermeister widersetzt sich Ratsbeschluss
Dass es in der Binnenbeziehung zwischen der Künzelsauer Verwaltungsspitze und einigen Vertretern des Gemeinderats gelegentlich knirscht und kriselt, ist kein Geheimnis. Seit der jüngsten Ratssitzung schwelt nun der neuste Konflikt. Der Ausgang: ungewiss.

Um was überhaupt gestritten wird, bleibt der Öffentlichkeit zunächst unbekannt - sie wurde vorübergehend aus der Sitzung ausgeschlossen. Während die Stadträte nach der Gemeindeordnung zur Verschwiegenheit verpflichtet sind (siehe Infobox unten), wollte auch Bürgermeister Stefan Neumann auf HZ-Anfrage kein Licht ins Dunkel bringen. "Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nicht ausschließen, dass durch eine öffentliche Debatte zum Sachverhalt, der noch nicht abschließend geklärt ist, ein Schaden für die Stadt entsteht", erklärte Neumann. Sobald es möglich sei, werde man den Sachverhalt aber öffentlich bekannt machen.
Zuhörer in der Warteschleife
Im umgestalteten Sitzungssaal, in dem der Rat erstmals seit über einem halben Jahr wieder komplett in Präsenz tagte, mussten die Besucher ihre Plätze auf der Empore schon bald wieder räumen. Auch für die virtuell zugeschalteten Gäste ging es eine knappe halbe Stunde lang in die Warteschleife. Herbert Schneider (FfK) hatte den Antrag gestellt, einen Tagesordnungspunkt aus dem nicht-öffentlichen in den öffentlichen Teil zu verschieben. Es gehe um ein "ganz heikles Thema", sagte Schneider der HZ, für ihn sei "ganz klar, dass das öffentlich behandelt" werden müsse. Er habe im Amt "auch meine Verpflichtungen", deshalb habe er den Antrag gestellt.
Bürgermeister führt auch formale Gründe an
Für Neumann war gleich klar: "Dann gar nicht." Spreche sich die Mehrheit für eine öffentliche Beratung aus, werde die Verwaltung dem nicht folgen. Die Abstimmung erbrachte tatsächlich eine Mehrheit von elf zu neun Stimmen für Schneiders Antrag. "Wir werden das nicht umsetzen", sagte Neumann. "Ich bin der Meinung, wir schaden der Stadt, wenn wir das jetzt öffentlich beraten." Ergänzend verwies er auf die formalen Gründe, nach denen man kein Thema beraten könne, das nicht auf der Tagesordnung des öffentlichen Teils steht.
Verhindern, dass die Gerüchteküche brodelt
Damit ist Schneider nicht zufrieden. Er habe den Bürgermeister inzwischen erneut gebeten, mit dem Thema "an die Öffentlichkeit zu gehen", damit die Bevölkerung Bescheid wisse. Nur so könne man verhindern, "dass die Gerüchteküche brodelt" und vieles "falsch interpretiert" werde. "Das ist auf jeden Fall hoch explosiv", so Schneider.
Und so darf munter spekuliert werden, worum es gehen könnte, wenn aus gut informierten Kreisen zu hören ist, dass es um viel Geld gehen soll, das die Stadt eventuell bezahlen muss, dass sich aktuell Anwälte mit der Angelegenheit beschäftigen und der Gemeinderat bislang nur eingeschränkt Akteneinsicht erhalten haben soll.
Zwei Fraktionen sind anderer Auffassung
"Die Entscheidung des Bürgermeisters, einen mehrheitlichen Beschluss des Gemeinderats nicht zu vollziehen, halte ich für politisch unklug", erklärte Boris d"Angelo (UBK) gegenüber der HZ. Über der Gemeinderatsarbeit stehe als oberstes Gebot, öffentlich zu tagen. "Dies mit einem pauschalen Hinweis auszuhebeln, es müsse Schaden von der Stadt abgewendet werden, entspricht nicht meiner Auffassung von Demokratie." Tendenziell entstehe eher Schaden, wenn Themen "hinter verschlossenen Türen geregelt" würden. So könne man kritische Mitglieder und unbequeme Fragen leichter abblocken, so d"Angelo.
Hans-Jürgen Saknus (SPD/Grüne) erklärte, man sei ebenfalls anderer Auffassung als der Bürgermeister: "Die Mitglieder der Fraktion sehen mehrheitlich nicht, dass durch eine öffentliche Behandlung für die Stadt ein Nachteil entsteht." Der Widerspruch des Bürgermeisters sei nicht aus rechtlichen Bedenken erfolgt und könne "nur aufschiebende Wirkung" haben. "Da warten wir auf Aufklärung", so Saknus.
CDU und Freie sehen korrektes Verhalten
Anders sieht es für die CDU Robert Volpp. "Durch unvollständige Aussagen, die zu früh in der Öffentlichkeit diskutiert werden", könnte der Stadt und ihren Bürgern "Schaden entstehen", teilt er mit. Aus Sicht der CDU-Fraktion habe sich Bürgermeister Neumann auch rein formal "korrekt verhalten".
Für Verena Löhlein-Ehrler (Die Freien) muss das Thema "im Moment noch nicht-öffentlich behandelt werden". Das berechtigte Interesse der Bürger an Informationen müsse "leider noch hintanstehen". Auch sie meint: "Der Bürgermeister hat sich korrekt verhalten."
Gemeindeordnung
Zur "Öffentlichkeit der Sitzungen" heißt es in der baden-württembergischen Gemeindeordnung: "Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nicht-öffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muss nicht-öffentlich verhandelt werden. Über Anträge aus der Mitte des Gemeinderats, einen Verhandlungsgegenstand entgegen der Tagesordnung in öffentlicher oder nicht-öffentlicher Sitzung zu behandeln, wird in nicht-öffentlicher Sitzung beraten und entschieden." Und in Absatz zwei: "Die Gemeinderäte sind zur Verschwiegenheit über alle in nicht-öffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten so lange verpflichtet, bis sie der Bürgermeister von der Schweigepflicht entbindet."
Wann aber erfordert es "das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner", nicht-öffentlich zu beraten? Nach gängiger Rechtsauffassung gehört dazu beispielsweise die Gefährdung der Staatssicherheit, aber auch die Erschließung von Neubaugebieten, wenn mit Grundstücksspekulationen zu rechnen wäre. Zudem, wenn es um das Persönlichkeitsrecht geht, etwa im Fall von Personalentscheidungen. Themen, die im aktuellen Fall in Künzelsau nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch allesamt auszuschließen sind.