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Bedarf an Psychotherapeuten

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Hohenlohe - Horst Bertsch kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. 170 Kassenpatienten behandelt der Psychotherapeut derzeit gemeinsam mit den beiden Teilzeit beschäftigten Kolleginnen Jutta Helfrich und Margret Fischer pro Quartal in seiner Praxis in Eschelbach. 86 davon sind Kinder und Jugendliche. Damit ist Horst Bertsch (51) an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Er weiß aber: „Der Bedarf wäre noch weit höher.“

Von Yvonne Tscherwitschke
Kinder und Jugendliche stellen fast die Hälfte der Patienten des Psychotherapeuten Horst Bertsch. Etwa 170 Kassenpatienten werden pro Quartal in Eschelbach behandelt. Der Bedarf, weiß er, ist noch höher.Foto: Yvonne Tscherwitschke
Kinder und Jugendliche stellen fast die Hälfte der Patienten des Psychotherapeuten Horst Bertsch. Etwa 170 Kassenpatienten werden pro Quartal in Eschelbach behandelt. Der Bedarf, weiß er, ist noch höher.Foto: Yvonne Tscherwitschke

Hohenlohe - Horst Bertsch kann sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. 170 Kassenpatienten behandelt der Psychotherapeut derzeit gemeinsam mit den beiden Teilzeit beschäftigten Kolleginnen Jutta Helfrich und Margret Fischer pro Quartal in seiner Praxis in Eschelbach. 86 davon sind Kinder und Jugendliche. Damit ist Horst Bertsch (51) an seiner Kapazitätsgrenze angelangt. Er weiß aber: „Der Bedarf wäre noch weit höher.“

Die Gründe, warum derart viele Kinder und Jugendliche beziehungsweise deren Familien die Unterstützung des Psychotherapeuten suchen, sind so vielfältig wie die Verteilung der jungen Patienten auf die einzelnen Altersgruppen. So kommen bereits zwölf Kinder im Alter bis zu zehn Jahren in seine Praxis. 37 seiner jungen Patienten sind zwischen zehn und 18 Jahren alt, weitere 37 zwischen 18 und 21 Jahren.

Versteckte Ängste

Am häufigsten äußern sich die Probleme der Kinder und Jugendlichen durch Aufmerksamkeitsstörungen, durch Verhaltensauffälligkeiten, durch Anpassungsstörungen und Depressionen und Ängste. Meist liegen belastende Ereignisse diesen Auffälligkeiten zu Grunde. „Da gibt es das Kind, das mit zehn Jahren noch einnässt, das damit aber erreichen will, dass jemand in die Familie hineinsieht, bemerkt, dass da jemand Probleme mit Alkohol hat.“

In anderen Fällen stecke aber schulische Überforderung oder Mobbing dahinter, wenn ein Kind sich immer mehr in sich zurückziehe oder aus dem angepassten Grundschüler der randalierende Siebtklässler werde. „Das ist wie bei den Erwachsenen: Es gibt welche, die sich in sich zurückziehen, wenn etwas Belastendes passiert, und andere, die nach außen hin auffallen.“

Ob die Mehrheit seiner jungen Patienten eher wegen schulischer oder familiärer Probleme seine Hilfe sucht, das will Bertsch so pauschal nicht auftrennen: „Es ist bei Kindern schwierig. Da ist es oft nicht so, wie es nach außen hin den Anschein hat.“ Viel Zeit nehme es oft in Anspruch, bis sich ein Kind soweit öffnet, dass es einem anfänglich Fremden vertraue. Ein Drittel, schätzt Bertsch, komme anfangs wegen schulischer Probleme, bei zwei Dritteln liege die Ursache in der Familie. Einen Arbeitstag pro Woche verbringt Bertsch zudem im Kinderheim St. Josefspflege in Mulfingen.

Über mangelnde Arbeit kann sich Bertsch nicht beklagen. Deshalb stellte er 2004 erst eine, im Februar dieses Jahres die zweite Kollegin ein. Damit sollte verhindert werden, dass neue Patienten lange Wartezeiten in Anspruch nehmen müssen.

Wartezeiten

Bertsch weiß: Bei anderen Praxen sind Wartezeiten von bis zu einem Jahr keine Seltenheit. „An einem Arbeitstag kann man maximal fünf bis acht Patienten betreuen“, sagt Bertsch. 55 Minuten stehen laut Kasse für ein Gespräch zur Verfügung. Dazu kommt die Nachbereitung. Mit 25 bis 45 Besuchen rechnet Bertsch im Schnitt pro Klient. 30 bis 40 Patienten könne damit ein einzelner Psychotherapeut versorgen.

Bertsch fürchtet, dass die Versorgung im Kreis in naher Zukunft schlechter wird. Der Grund: Schon 2004, bei der Einstellung der ersten Kollegin, stimmte er einer Obergrenze von 500 Therapieeinheiten pro Quartal (verteilt auf etwa 170 Patienten) zu. Mit der Honorarreform wurde das Regelleistungsvolumen auf 386 Therapien begrenzt.

Im Gespräch Bertsch ist mit der Kassenärztlichen Vereinigung im Gespräch, hofft, dass die die Konsequenz erkennt und eine Lösung findet. „Denn sonst müssten wir bei 20 bis 30 psychisch kranken Menschen die Behandlung frühzeitig und unvollendet abbrechen.“ Und die Versorgung im Kreis würde sich weiter verschlechtern.

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