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Aufhebungsvertrag mit "0 Euro" Abfindung vorgelegt

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Arbeitsgericht Heilbronn urteilt gegen Öhringer Zeitarbeitsfirma und spricht 54-Jähriger Schadenersatz zu - Knackpunkt ist die Sperrfrist

Von Carsten Friese

Deutlich eingeschüchtert sei sie gewesen, weil eine andere Frau vor ihr mit Tränen aus dem Büro gekommen sei, gab die Spätaussiedlerin vor dem Heilbronner Arbeitsgericht an. Seit dreieinhalb Jahren war sie bei der Öhringer Zeitarbeitsfirma Franz & Wach GmbH beschäftigt, mit unbefristetem Vertrag. Als Produktionshelferin wurde sie eingesetzt. Dann kam jener Tag im Mai.

Ihr Deutsch ist bruchstückhaft, ihre Kenntnisse vom Arbeits- und Sozialrecht sind äußerst bescheiden. Dass sie mit einem Aufhebungsvertrag bis zu zwölf Wochen Sperrfrist beim Arbeitslosengeld bekommen kann, das wusste sie nicht. Die Firma hatte sie laut ihrer Aussage darüber auch nicht aufgeklärt.

"Es gibt aber eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers, auf diese Sperrfrist hinzuweisen", stellte Richterin Merve Feldmann fest. Vor allem dann, wenn ein Arbeitnehmer unerfahren sei. Ein Passus im Aufhebungsvertrag stellte die Richterin zudem als äußerst fragwürdig heraus. In Paragraph 2 mit dem fett gedruckten Titel "Abfindung" werden in langen Sätzen Erklärungen gemacht. Irgendwo in einer Zeile folgt dann die Summe: "0 Euro". Es sei ein Aufhebungsvertrag, der "für den Arbeitgeber nur Vorteile, für den Arbeitnehmer nur Nachteile bringt", bilanzierte die Richterin.

Zum Kammertermin war kein Vertreter der Firma vor Gericht erschienen. Konsequenz: Die Angaben der anderen Seite werden als wahr angenommen. Das Gericht gab der Klägerin Recht. Die Firma muss nun 756 Euro Schadenersatz zahlen, so viel, wie die Frau in der vom Arbeitsamt verhängten sechswöchigen Sperrfrist an Arbeitslosengeld bekommen hätte. Als "eine Sauerei" bezeichnete der Öhringer Anwalt Martin Rapp die Vorgehensweise der Firma. Er hat festgestellt, dass immer mehr Firmen versuchen, über Aufhebungsverträge Personal abzubauen. "Nach dem Motto: Man probiert's halt mal."

Dass ein Aufhebungsvertrag nur bei arglistiger Täuschung oder sittenwidrigen Drohungen angefochten werden kann, darauf wies Richterin Feldmann hin. Die eigene Unterschrift sei sonst rechtswirksam. "Überrumpelt oder gedrängt worden zu sein", stellte sie fest, "ändert daran nichts." Ihre Empfehlung: Nicht gleich unterschreiben, aufstehen, gehen und höflich sagen, dass man es sich bis zum nächsten Tag überlegen werde.

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