Amoklauf in Öhringen angedroht
Öhringen - Ein junger Mann aus Bretzfeld musste sich gestern vor dem Öhringer Amtsgericht verantworten. Weil der schmächtige 22-Jährige in einer Öhringer Weiterbildungseinrichtung ständig gehänselt worden war, verlor er am 20. Oktober die Kontrolle. "Ich lauf" hier noch Amok - und dich bringe ich als Erstes um", drohte er einer Mitschülerin.
Prozess - Groß, stark und gutaussehend: "Das sind die drei Eigenschaften, nach denen Menschen respektiert werden", sagte der Angeklagte. Er selbst habe nichts davon.
Ruhe haben
Der junge Mann aus Bretzfeld musste sich gestern vor dem Öhringer Amtsgericht wegen Störung des öffentlichen Friedens verantworten. Weil der schmächtige 22-Jährige in einer Öhringer Weiterbildungseinrichtung ständig gehänselt worden war, verlor er am 20. Oktober die Kontrolle. "Ich lauf" hier noch Amok − und dich bringe ich als Erstes um", drohte er einer Mitschülerin. Kurze Zeit später knöpfte er sich einen anderen Schüler vor: "Gott schenke mir eine 9-Millimeter-Pistole. Dann bist du dran." Und zu einem dritten Schüler meinte er: "Drei Kugeln, dann ist hier endlich Ruhe."
Vor dem Amtsgericht stellte der Angeklagte klar, dass die Aussagen kein Spaß waren. "Die anderen sollten denken, dass ich es ernst meine." Wahrgemacht hätte er seine Ankündigung nach eigener Aussage nie: "Ich bin friedfertig. Das war eine reine Verzweiflungstat."
Richterin, Oberamtsanwalt und Verteidiger glaubten dem Bretzfelder. Im Verlauf der 90-minütigen Verhandlung kristallisierte sich das Bild eines zutiefst verletzten, jedoch friedlichen und intelligenten jungen Mannes heraus. Eine Psychologin hatte die Amokdrohung als "verzweifeltes Stoppsignal" eingeschätzt. Die Gefahr, dass sich der Angeklagte selbst etwas antue, sei viel höher als die Wahrscheinlichkeit einer Fremdgefährdung.
In einem mathematischen und gestalterischen Test zeigte der 22-Jährige Spitzenleistungen. "Er hat eine sehr hohe Intelligenz, braucht aber eine verlässliche männliche Bezugsperson als Rollenvorbild", urteilte die Psychologin. Der junge Mann, der ohne Vater aufwuchs, sei "sehr zuwendungsbedürftig".
"Das Verfahren einzustellen hieße, Sie nicht ernstzunehmen. Aber das tue ich nicht", sagte Richterin Ursula Ziegler-Göller zum Angeklagten, nachdem dessen Verteidiger eine entsprechende Forderung gestellt hatte. Seit dem Amoklauf von Winnenden sei die gesamte Bevölkerung in Sorge, dass so etwas wieder geschehen könne. Mit diesem Wissen habe der Angeklagte seine Mitschüler und damit die ganze Bildungseinrichtung "in Angst und Schrecken versetzt".
Talentiert
Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu einer Haftstrafe von drei Monaten auf Bewährung. Die Richterin verband das Urteil mit der Hoffnung, dass der junge Bretzfelder bald beruflichen Erfolg haben werde. Trotz mittlerer Reife und einem außergewöhnlichen Talent für Schmuckherstellung hat der junge Mann bisher nur Zurückweisung erfahren. 70 Bewerbungen hat er verschickt, 70 Absagen bekommen. Nun will sich der Bretzfelder in einer betreuten Bildungseinrichtung im Ostalbkreis zum Elektriker ausbilden lassen.