Mit dem Flugzeug zur Arbeit – ein Tag mit EBM-Papst-Mitarbeitern in Oradea
Mit einem firmeneigenen Jet reisen EBM-Papst-Mitarbeiter zu den europäischen Standorten. Eine Reise zum Werk in Oradea in Rumäniens Nordwesten.

Aus Sicht ihrer Nachbarn wirkt der Mittwoch, 3. September, wohl wie ein üblicher Arbeitstag der sechs Mitarbeiter von EBM-Papst: Sie steigen in der Früh ins Auto, am Abend kommen sie zurück, gehen ins Fußballtraining oder essen zu Abend. Doch er ist ein außergewöhnlicher: Denn die Termine spielen sich fast 1000 Kilometer entfernt ab – und der Weg dorthin wird in knapp zwölf Kilometern Höhe zurückgelegt. Um 7.35 Uhr startet die firmeneigene Cessna, bei 13 Grad Lufttemperatur. Kurz nach 10 Uhr Ortszeit, 9 Uhr hierzulande, landet sie in Oradea, einer rumänischen Stadt mit etwa 180.000 Einwohnern, bei etwa 30 Grad.
Mitarbeiter aus unterschiedlichen Abteilungen reisen mit
Die Arbeiter kommen aus unterschiedlichen Abteilungen: Marcel Plücken ist ein Abteilungsleiter im Einkauf, Valerius Schaaf einer in der Entwicklung, Jens Rößler ist „ganz normaler Mitarbeiter“ in der Abteilung Elektroantriebe, Markus Mettler ist technischer Betriebsleiter und Matthias Ulshöfer und Hauke Hannig sind für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. In Rumänien treffen sie Kollegen von Angesicht zu Angesicht, mit denen sie von Mulfingen aus per Video-Telefonie regelmäßig sprechen.
In Oradea arbeiten zurzeit 250 Menschen für EBM-Papst. „Es waren einmal etwa 550“, sagt Geschäftsführerin Delia Ungur – bis die Sparte Antriebstechnik an Siemens verkauft wurde und auch die Mitarbeiter wechselten. Jetzt bauen die Mulfinger neu in Oradea – „es sollen 1000 Mitarbeiter werden“.
Geschäftsführerin ist die ehemalige Wirtschaftsförderin der Stadt
Oradeas ehemaliger Bürgermeister, Ilie Bolojan, ist jetzt rumänischer Ministerpräsident. „Er hat die Stadt stark entwickelt“, sagt Florina Fofiu, Pressesprecherin des rumänischen Standorts der Mulfinger Firma, während einer Autofahrt in der Stadt. Mittlerweile gibt es vier Industrieparks. Zwei davon hat Delia (mangels des „Sie“ in der Sprache, sprechen sich alle mit Vornamen an) vor ihrer Zeit bei EBM-Papst entwickelt, da war sie Wirtschaftsförderin bei der Stadtverwaltung. In einem Gewerbegebiet neben der Einflugschneise stechen aus der Luft heraus Hornbach, Kaufland, Lidl, DM und Mömax ins Auge. Den Flughafen fliegt Lufthansa drei Mal in der Woche von München aus an. Er hat ein neu gebautes Terminal-Gebäude.
Allerdings sind die Männer aus Hohenlohe die einzigen in der Ankunftshalle. Ein Monitor zeigt: heute sind fünf Ankünfte von Linienfliegern geplant, drei davon aus der Landeshauptstadt Bukarest, einer ist etwa eine Viertelstunde vor dem EBM-Papst-Flieger gelandet. Um kurz nach 10 Uhr steht die Gepäckausgabe jedoch still. Hinter den nächsten Türen stehen aber mehrere Männer in Anzügen, die offenbar andere privat Reisende abholen sollen. Auf die Deutschen wartet ihr Kollege Ioan Pali. Er trägt eine blaue Latzhose mit Firmenlogo.
Die kurze Fahrt zur Baustelle des neuen Werks führt vorbei an einer neu gebauten Sport- und Konzerthalle. Ioan erklärt: „Der Name wird Oradea ausgesprochen“ – Betonung auf dem ersten ,a’. Plücken, Rößler und Schaaf bleiben im Auto sitzen – sie fahren zu ihren Kollegen in das „Hub“.

Markus Mettler ist für die Gebäude des Unternehmens zuständig. Er zeigt auf eine Stahlstange, die das Absperrband hält, das die Parkplätze markiert: „Da sind Plastikrohre darüber“, zum Schutz beim Vorbeilaufen, „das gibt es in Deutschland nicht“. Der für das Planungsbüro für die Baustelle zuständige Attila Illyés steckt sichtlich Herzblut in das Projekt. Er betont die kleinen Details: „Die Wände sind aus einem Bausteinprinzip gefertigt, aber trotzdem feuersicher.“ Das Gebäude werde innerhalb weniger Monate fertiggestellt (Bericht folgt). „Es ist das größte Projekt in der Stadt.“ Mettler macht sich nach der Führung auf, um Gegenstände für die künftige Ausstattung zu testen und auszuwählen: Dafür stehen Parkbank, Toilette und Handtuchspender im Bürocontainer bereit.
EBM-Papst hat sich in Startup-Gebäude eingemietet
Das „Hub“ ist seit einem Jahr in einem Gebäude eingemietet, das vor allem Startups dienen soll. „Höchstens zwei Jahre dauert hier ein Mietvertrag“, erklärt Delia. Im Erdgeschoss ist ein Café, „in dem während der Vorlesungszeit viele Studenten sitzen“, berichtet Florina. Plücken spricht hier mit jungen Kolleginnen, die zum Teil erst seit wenigen Monaten da sind. In einem anderen Büro bespricht Rößler einen Schaltplan mit einem Kollegen, den er erstmals im echten Leben trifft. Schaaf hat sich bereits die Labors angeschaut. Und spricht nun mit seinem rumänischen Pendant, Adrian David, über die Ziele der Entwicklungsabteilung.

Auf dem Weg zur bisherigen Produktionshalle prangt das Logo der Mulfinger Firma an einem Kreisverkehr. „Die Verwaltung lässt Firmen in der Stadt Grünflächen anlegen. Dafür können sie dort ihr Logo platzieren“, erklärt Fofiu. Die Produktion befindet sich derzeit noch in einem Gebäude neben einer alten Zuckerfabrik und einem Heizkraftwerk aus Zeiten vor der Wende. Es ist eine ehemalige Supermarktfiliale. „Der Unternehmer hat bei Fußballwetten betrogen“, sagt Florinas Kollege Alex Popa, „er musste ins Gefängnis“. An den Gebäuden daneben prangt das Logo der Firma Siemens. An die hat EBM-Papst die Sparte Antriebstechnik samt Gebäuden und Mitarbeitern abgegeben. Hauke Hannig und Matthias Ulshöfer übergeben in einem Konferenzraum ein Projekt an Alex Popa: Das europäische Intranet soll von Rumänien aus gemanagt werden. Bald ist es 16 Uhr. Die Mitarbeiter treffen sich nach und nach wieder am Flughafen. Abflug: 16.30 Uhr.

Firmenflugzeug und Klimaschutz: „Wir müssen das ausgleichen“
2000 Liter Kerosin verbraucht der Flieger an diesem Tag, gibt Firmenpilot Michael Schäfer an. „Wir fliegen nur ab Strecken über 400 Kilometer“, betont Hauke Hannig. „Und nur, wenn der Flieger mit mindestens fünf Mitarbeitern besetzt ist“. Ohne den Flieger könne ein Unternehmen in der Größe von EBM-Papst nicht in Hohenlohe bestehen. „Dabei geht es um Effizienz“, bemerkt Markus Mettler, der im Vorstand des Verbands Klimaschutz-Unternehmen ist. „Das ist kein Luxus, sondern ein Werkzeug“ – und ein Effizienzthema. Zu großen Flughäfen habe man „zwei bis drei Stunden Anfahrt und dann Sicherheitschecks, da wären zwei bis drei Tage für die gleiche Reise weg“. EBM-Papst hat sich Klimaneutralität als Ziel gesetzt. „Wir müssen das ausgleichen, mit Energie-Plus-Häusern“, gibt Unternehmenssprecher Hauke Hannig zu.
Um 17 Uhr Ortszeit ist der Flieger wieder in Niederstetten. Die Männer verabschieden sich. Sie gehen Abendessen oder Fußballspielen.
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