Masturbationsräume in Künzelsauer Kindergarten? Konzept sorgt für heftige Reaktionen
Mehr als nur Kuscheln? Ein neuer Ansatz zur Aufklärung im Kindergarten im Künzelsauer Stadtteil Taläcker erhitzt die Gemüter. Eltern und Erzieher sind schockiert über Beiträge in den sozialen Medien.

Masturbationsräume in Kitas, Doktorspiele ohne Begleitung – am Dienstag ist ein aus dem Zusammenhang gerissener Auszug des neuen sexualpädagogischen Konzepts des Kindergartens Taläcker in den sozialen Netzwerken veröffentlicht worden.
In den Posts auf Social Media geht es vor allem um eine befürchtete Sexualisierung der Kinder durch eine vermeintliche Ermunterung zu Doktorspielen. „Wir sind völlig schockiert über den Post und die Reaktionen“, sagt Marion Hannig-Dümmler am Mittwochnachmittag, als sich eine Gruppe Eltern, Erzieher und Mitarbeiter der Stadt zu einem Gespräch mit unserer Zeitung im Künzelsauer Kindergarten treffen. Denn Fakt ist, ein solches Konzept ist nichts Neues oder Ungewöhnliches.
Zu sexualpädagogischem Konzept gab es in Künzelsauer Kindergarten einen Elternabend
Warum das Thema nun in dieser Woche aufkommt, ist völlig unklar. Bereits im Oktober vergangenen Jahres gab es einen Elternabend zum erweiterten sexualpädagogischen Konzept. Im Grunde gibt es jenes schon einige Jahre. Das sei eine Verpflichtung für die Einrichtung, betont Marion Hannig-Dümmler, die sich als Sozialpädagogin bei der Stadt um diese Konzepte kümmert. „Wir hatten das Glück, dass sich eine Bachelorarbeit dem Thema gewidmet hat und so kam es zu den veränderten Ansätzen.“
Es gehe also um ein Pilotprojekt, das Vorbild auch für andere Einrichtungen sein soll. Der Gedanke ist, noch weniger zu tabuisieren. Um das besser zu erklären, hat der Kindergarten nach einer Elternbeiratssitzung einen Elternabend veranstaltet und informiert. Rund 30 Teilnehmer von etwa 120 Eltern hatten die Gelegenheit genutzt.
Aufklärung im Kindergarten: Auch in Neuenstein sorgte ein Konzept für großen Ärger
„Kindliche und erwachsene Sexualität ist ein meilenweiter Unterschied“ erklärt auch Ute Schulz, die das Kinderhaus in Neuenstein leitet. Auch dort hat man vor fünf Jahren ein Konzept erarbeitet, das für großes Aufsehen sorgte. Eltern drohten, ihre Kinder abzumelden.
Die einzige Lösung: Aufklärungsarbeit bei den Eltern leisten, ist die Lösung der Pädagogin.
Pilotprojekt in Künzelsau: Formulierung „Masturbationsraum“ dürfte für Missverständnisse sorgen
Doch was ist nun neu im Pilotprojekt auf den Taläckern? Vor allem die Formulierung Masturbationsraum, ein Begriff, „der aus dem Fach kommt“, habe vielleicht für Missverständnisse gesorgt, erklärt Hannig-Dümmler. Konkret bedeutet der neue Ansatz, dass man mit mehr Einfühlungsvermögen auf Kinder zugehe, die neugierig auf ihren Körper seien. Das heißt, statt mit dem Finger auf sie zu zeigen oder gleich die Eltern anzurufen, nehme man sie zur Seite. Auf Neugier reagiere man nun noch offener und erhoffe sich damit auch einen vorbeugenden Effekt, so Dümmler: Aufgeklärte Kinder sollen für sexuelle Übergriffe gewappnet sein, unter anderem dass sie benennen können, was passiert ist.
Wichtig ist Rebecca Pratz, die den Kindergarten Taläcker leitet, dass die Eltern immer informiert werden. Körpererkundungs- und Doktorspiele müssen ohnehin freiwillig sein, das hat laut Konzept oberste Priorität. Doch das stößt so manchem sauer auf. Kinder sollten einfach nur Kind sein dürften, so ist die Argumentation bei Diskussionen im Netz.
Vater entsetzt: Stück des Konzepts aus Kontext gerissen
Sebastian Ruf hat seine Tochter im Kindergarten und zeigt sich entsetzt über die Kommentare in den sozialen Medien. Damit sei einfach eine Grenze überschritten. „Es ist völliges Unwissen, da wurde einfach ein Stück des Konzepts völlig aus dem Kontext gerissen.“
Elena Toussis ist Mutter und hat sich über die Hintergründe schlau gemacht: „Es ist ja nicht so, dass die Kinder aktiv zu Doktorspielen oder sowas aufgefordert werden.“ Ihr Mann Niko ergänzt: „Es kann ja auch sein, dass das Thema jetzt mal fünf Jahre gar nicht aufkommt.“
Kindergartenleitung und Stadt Künzelsau reagieren auf Vorwürfe
Kindergartenleitung und Stadt haben bereits am Dienstag auf die Vorwürfe reagiert und Gespräche geführt. Im Kindergarten ist deshalb nun wieder mehr Ruhe eingekehrt. „Man muss auch bedenken, dass es andere kulturelle Hintergründe gibt.“ Miteinander reden sei deshalb wichtig, betont Erzieherin Margarita Pfeil.
Jede Kita muss ein präventives Konzept haben, das auch Vorkehrungen und Maßnahmen zum Kinderschutz enthält, so lautet die Vorgabe. Das gibt es in Künzelsau. Nun wurde es erweitert, wie auch in anderen Kommunen. In Neuenstein hat man ein sexualpädagogisches Konzept, in dem man den Umgang mit diesen kindlichen Themen regelt. Man habe einen Leitfaden erstellen wollen, um zu klären, wo die Grenze zwischen Übergriffen und Spielen liegt, und um die Kinder zu bestärken, auch Nein zu sagen, sagt die dortige Kindergartenleiterin Ute Schulz.