Um Christoph Behrs Pläne umzusetzen, braucht es Engagement, nicht nur das eines einzelnen glühenden Geschichtsfans. Die Zahl an Burgführern ist so klein, dass nur einmal in der Woche geöffnet werden kann, sonntags von 14 bis 17 Uhr. Am Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 14. September, will Behr persönlich da sein. Er wirbt um weitere Freiwillige, die ein oder zwei Sonntagsdienste in der Saison von Mai bis September übernehmen. Interessenten melden sich bei der Stadt unter Telefon 06294 980 oder bei der Deutschen Burgenvereinigung, Landesgruppe Baden-Württemberg.
Krautheim will mit Geschichte Touristen anlocken
Als vor über 100 Jahren der Kaiser nach Krautheim kam: Ein großes, aber längst vergessenes Kapitel der Stadtgeschichte soll Fremdenverkehr und Gastronomie in der Bergstadt wiederbeleben. Was ein örtlicher Geschichtsexperte alles vorhat.

Der Kaiser hat es ihm angetan: Unter Museums-Kurator Christoph Behr wurde die Sommerresidenz von Wilhelm II., die „Wilhelmshöhe“ in Kassel, zum Unesco-Weltkulturerbe. Seit einigen Jahren lebt Behr in Krautheim, arbeitet nun in der Wirtschaft, sitzt im Gemeinderat – und mischt als Hobby die Geschichtsschreibung der Stadt auf. Er hat eine Begebenheit von nationaler Bedeutung wiederentdeckt, die die Krautheimer längst vergessen haben.
Kuriose Gestalten müssen es gewesen sein, wenn man Behrs Schilderungen glaubt, die bei der Jagsttal-Wiesenwanderung im Mai 2025 – in Krautheim war gleichzeitig Burgfest – durch den Ort schritten, den Bürgermeister besuchten und den Burgturm erklommen: Vier kaiserliche Offiziere in knallbunten Uniformen, mit blitzender Pickelhaube und Säbel. Sie nannten sich „Geschichtsvermittler“, Christoph Behr war einer davon. Sie erzählten Bürgermeister Andreas Insam und den Leuten, was sich hier vor über 100 Jahren zugetragen hatte: Für einen Tag – den 13. September 1909 – war Krautheim der Nabel des Reiches.

Das „Kaisermanöver“: Wie Krautheim für einen Tag der Nabel des Deutschen Reiches wurde
Zum jährlichen „Kaisermanöver“, der größten Militärparade des Reiches, trafen im September 1909 rund 120.000 Soldaten ein. Die Mannen des Kaisers stellten sich einem fiktiven Szenario: ein Kavallerie-Korps, zwei Divisionen groß, darunter die berühmten württembergischen Königin-Olga-Dragoner, sollte die Anhöhe zwischen Krautheim, Neunstetten und Assamstadt stürmen. Jagst- und Ginsbachtal hinunter marschierten sie auf Krautheim, unter Beschuss bayerischer Infanterie überqueren sie den Fluss an der Brücke. Am Abzweig nach Assamstadt fanden sie eine unbewachte Klinge im Wald, durch die sie hinaufreiten und dem Feind in den Rücken fallen konnten.
Zwischendrin: Abertausende Schaulustige aus dem ganzen Reich, herangekarrt mit Sonderzügen. Für sie war der Massenauflauf das Spektakel ihres Lebens. Ein Zeppelin war auch dabei und türkische Offiziere als Gäste. Und Kaiser Wilhelm II., der von der Anhöhe am jüdischen Friedhof die Szenerie überblickte.

Geschichts-Tourismus in Krautheim: Wie Behr ein Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen will
„Rekognoszierung“ nennt Christoph Behr das: Leute sollen entdecken, welche Geschichte ihre Heimat hat. „Eine Art Aufschlag“ sei das Burgfest gewesen, an dem er erstmals ein kleines Programm darum gestrickt hat. Nächstes Jahr soll es etwas größer werden: Ein paar Geschichtsvermittler mehr, auch Frauen, eingebunden ins offizielle Programm, mit Rückendeckung der Stadt. Insam sei aufgeschlossen, er habe ein „vernünftiges Konzept“, findet Behr. Insam sei das Ereignis ebenso unbewusst gewesen wie vielen Krautheimern. „Das ist aus dem Gedächtnis schnell entschwunden“, als der Erste Weltkrieg kam.
Die „Geschichtsvermittler“ wollen nichts verklären. Sie weigern sich strikt, Schlachtenszenen nachzuspielen oder mit Waffen zu exerzieren. Sie sind Historiker, die die Menschen informieren, was damals geschehen ist. Das kommt offenbar an: „Ich hatte sehr lange Gespräche mit Bürgern, sie waren alle positiv.“ Viele sagten, dass sie sich schon immer für Geschichte interessierten und diese unbekannte Begebenheit mit Interesse hörten. „Das gefällt den Menschen“, ist Behr überzeugt.
Gleichzeitig könne man mit Geschichte den Tourismus ankurbeln, findet Behr, der auch Mitglied im Ausschuss für Tourismus und Stadtmarketing ist. Während er vom Burgturm, dem „Balkon des mittleren Jagsttals“ über die Jagst blickt, fahren die Radfahrer unten vorbei. Den Weg in die Stadt findet niemand aus Versehen. Das merkt man: Gastronomie und Unterkünfte in Krautheim sind ausbaufähig. Dabei sei für den Geschichtsfan alles da, was es brauche, um mit einer spannenden Story zu locken.
Geschichts-Tourismus in Krautheim: Was ein erster Schritt sein könnte
Doch wie? Ein ausführliches Schild mit dieser Geschichte am Radweg, oder ein entsprechendes „Asphalt-Tattoo“ auf dem Weg, samt einem Wegweiser zur Burg könnte ein erster Schritt sein. Nicht zuletzt lagerten hier im 13. Jahrhundert die Reichskleinodien, und sie ist bekannt für Ritter Götz von Berlichingen und seinen „Schwäbischen Gruß“. „Das kennen Literaturstudenten auf der ganzen Welt“, weiß Behr, es sei also „ein grundsätzliches Potential da“.
Die Krautheimer müssten erkennen, „was man hier für ein Fundament hat“. Um zu begreifen: „Die Leute wollen das. Sie wollen ihren Ausflug genießen, aber dafür haben wir zu wenig. Die Strecke ist hochfrequentiert. Man muss die Leute einladen, hier hochzukommen.“ Wenn das klappe, „können wir uns überlegen, was für ein Programm hier möglich ist“. Um den Rest der Geschichte, so der Eindruck, kümmert er sich. Engagement und Ideen hat er ja.
Geschichts-Tourismus in Krautheim: Burgführer werden dringend gesucht
