Von Tag zu Tag: Bei Kaninchens geht es ganz geregelt zu
1300 Häsinnen leben auf dem Hof der Familien Bauer in Neuenstein-Lohe. In ganz Deutschland gibt es nur 15 landwirtschaftliche Kaninchen-Betriebe. Ein Blick in den Stall, in dem der Kalender die Arbeit vorgibt.

Heute geht die Türe in den Stall von einer für die Tiere ungewohnten Seite auf. Die Kaninchen spitzen die Ohren und flitzen in eine Ecke. Was wollen die Menschen? Es ist doch noch nicht Fressenszeit? Die Kaninchen haben ein gutes Gespür. „Außerdem schauen wir gerade von oben auf sie“, erklärt Michael Bauer (40). Das ist prinzipiell Gefahr für die Felltiere, die in freier Natur Opfer von Greifvögeln werden.
Kaninchen sind in der Dämmerung aktiv
Normalerweise geht es am Nachmittag ruhig zu in den sieben Stallgebäuden der Bauers in Neuenstein-Lohe. Obwohl dort 1300 weiße Häsinnen und ihr bunter Nachwuchs in den einzelnen Abteilen leben. „Kaninchen sind in der Dämmerung aktiv“, erklärt Thomas Bauer (36). Die Brüder haben mit ihren Frauen Claudia und Verena den Betrieb der Eltern in dem kleinen Neuensteiner Weiler Lohe übernommen. Dort haben Manfred und Margit Bauer 1979 zusätzlich zur Landwirtschaft mit der Kaninchenzucht begonnen. Mit damals 50 Häsinnen. Heute gehören neben der 1300 Häsinnen, 35 Rammler und ihren Kindern die eigene Schlachterei und rund 100 Hektar Acker- und Grünland dazu.

Von der Besamung bis zum versandfertig verpackten Kaninchenfleisch – eine Kaninchenzucht in der Tiefe gebe es in Deutschland nicht mehr, sagt Thomas Bauer. Er ist Bundesvorsitzender seines Berufsstandes. Es gibt noch etwa 15 Kaninchenerzeuger in Deutschland. Während sich Thomas Bauer um die Kaninchen und den Ackerbau kümmert, ist Michael Bauer zuständig für die Schlachterei. Unterstützt werden beide Bereiche von 15 Vollzeitkräften.
Kaninchen bekommen sechs bis sieben Mal im Jahr Junge
Die Arbeiten auf dem Hof und in der Schlachterei folgen Woche für Woche einem strengen Rhythmus: Donnerstags werden etwa 200 Häsinnen befruchtet. Der Samen kommt von einem der 35 Rammler. Der verdünnte Samen reicht für 25 Häsinnen. Anders als andere Säugetiere haben Hasen selbst keinen festen Zyklus: Der Eisprung wird durch den Samen ausgelöst. Sechs bis sieben Mal pro Jahr bringt eine Häsin Junge zur Welt. Nackt und blind liegen sie in dem Nest vor der Häsin, die zweimal pro Tag zum Säugen kommt. „Das ist in der Natur auch so, die Mutter ist meist weg vom Nest, um keine Räuber zu ihrem Wurf zu führen“, erklärt Thomas Bauer.

31 Tage nach der Befruchtung kommen die Häsinnen in den Kreißsaal. Täglich werden danach die Nester mit den Jungtieren kontrolliert. Sind sie groß genug, wandern sie mit den Gleichaltrigen in eigene Abteile. Wenn donnerstags besamt wurde, kommen montags kleine Kaninchen zur Welt. Mittwochs ist der Tag im Stall, der für das Absetzen, also das Trennen von Muttertieren von den Jungen, reserviert ist.

Wird ein Abteil umgesetzt, wird danach das leere Abteil gründlich gesäubert. So, erklärt Thomas Bauer, beugt man Krankheiten vor. Auch der Spaltboden, der verhindert, dass Kot ins Futter kommt, trägt zur Gesundheit der Tiere bei. Die ideale Temperatur im Stall liegt zwischen 18 und 22 Grad, im Sommer können es auch mal 26 Grad werden. Es gibt eine Kühlung. Kaninchen, erklärt Thomas Bauer, kommen in freier Wildbahn auch gut mit Minustemperaturen klar. Doch im Stall bilden die Tiere kein Unterfell. Ein abrupter Temperaturwechsel würde den Tod der Tiere bedeuten.
Kaninchen fressen Zuckerrübenschnitze und Mühlenrestprodukte
Mit Unterstützung der Hochschule Bingen haben Bauers Haltungsformen dokumentiert und untersucht. Jüngst wurde ein Versuch mit Außenklima und eingestreutem Boden unternommen. Der Frischluftbereich blieb erhalten. Der komplett eingestreute Boden aber habe sich nicht bewährt. Das belegen die Zahlen. Thomas Bauer sind Austausch und Forschung wichtig. Nur so könne mehr Tierwohl in die Ställe gebracht werden. Denn: Nicht alles, was für eine Tierrasse gut ist, ist auch für die andere erstrebenswert. Deshalb ist ihm wichtig, Datenmaterial zu sammeln und so zur Weiterentwicklung beitragen zu können. Bauers haben Haltungsstufe zwei, streben drei an.Einmal die Woche kommt der Futtermittellaster und bringt 25 Tonnen pelletierte Nahrung für die Kaninchen. Die fressen Luzerne, Schnitzel von Zuckerrüben, Mühlenrestprodukte wie Weizenkleie. „Aus Restprodukten entsteht hochwertiges tierisches Eiweiß“, verweist Michael Bauer auf den hohen Proteingehalt von Kaninchenfleisch.
Kaninchenfleisch ist reich an Protein
Proteinhaltige Nahrungsmittel sind in der Fitnessbranche Trend. 100 Gramm Kaninchenfleisch enthalten 18 Gramm Protein. In Polen, berichtet Michael Bauer, sei vorgeschrieben, dass Kleinkinder zu Beginn der Beinahrung einige Monate Kaninchenfleisch bekommen müssen.Nach zwölf Wochen haben die Kaninchen mit 2,8 bis drei Kilo Lebendgewicht die Schlachtreife erreicht. Edeka, Kaufland und Kindernahrungshersteller sind Abnehmer, dazu regionale Beschicker von Wochenmärkten und Restaurants. Ab Herbst, wenn vermehrt Schmorgerichte gekocht werden, zieht die Nachfrage spürbar an. Im Sommer wird ein ausländischer Hersteller von Babynahrung mit Kaninchenfleisch beliefert.