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Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot
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Kampf der kommunalen Finanzkrise: Den hehren Worten endlich Taten folgen lassen

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Die neue Bundesregierung will Kreise sowie Städte und Gemeinden deutlich entlasten. Was Hohenlohe-Landrat Ian Schölzel und Forchtenbergs Bürgermeister Michael Foss davon halten. 

Die Finanzen der Kreise und Kommunen sind in erheblicher Schieflage. Sie halten seit Monaten die Hand auf, um mehr Geld von Bund und Land zu bekommen, damit sie die ihnen übertragen Aufgaben bezahlen können – bislang mit wenig Erfolg.
Die Finanzen der Kreise und Kommunen sind in erheblicher Schieflage. Sie halten seit Monaten die Hand auf, um mehr Geld von Bund und Land zu bekommen, damit sie die ihnen übertragen Aufgaben bezahlen können – bislang mit wenig Erfolg.  Foto: Zacharie Scheurer

Die Haushalte der Kreise und Kommunen sind am Limit. Landräte und Bürgermeister schlagen Alarm. Seit Jahren kritisieren sie den Bund und das Land, weil zu viele Pflichtaufgaben und soziale Leistungen nach unten durchgereicht würden. Personell und finanziell sei das nicht mehr zu stemmen. Vor kurzem warnte der Städtetag in einem Video vor dem Kollaps. Bei der Einbringung des Hohenloher Kreishaushalts für 2025 in der November-Sitzung konstatierte der damals extra anwesende Finanzdezernent des Landkreistags Baden-Württemberg: „So einen Absturz innerhalb von zwei bis drei Jahren gab es noch nie.“ Bereits im Sommer 2022 hatte der Landkreistag mit sieben anderen Verbänden den Regierenden in einem Brandbrief an Ministerpräsident Kretschmann die Leviten gelesen. Daraus resultierte eine „Entlastungsallianz“, die weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Landrat: Absicht ist gut, aber was ist mit der Umsetzung?

Die neue Bundesregierung gelobt Besserung. Im Koalitionsvertrag stehen konkrete Entlastungsziele. Sind das wieder nur leere Versprechungen? „Die Absicht, einen Zukunftspakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen abzuschließen, ist natürlich begrüßenswert“, sagt Hohenlohe-Landrat Ian Schölzel. „Allerdings müssen verfassungskonforme Wege gefunden werden, das Prinzip ,Wer bestellt, bezahlt’ auch umsetzen zu können, da Transferleistungen – insbesondere für Verwaltungs- und Personalausgaben – zwischen Bund und Ländern – mit Ausnahme von Geldleistungsgesetzen – grundsätzlich untersagt sind.“ Schölzel hofft, „dass es auf der kommunalen Ebene so nicht weiterlaufen kann und Reformen unabdingbar sind“. Nur so könne die Haushaltskrise überwunden werden, die nicht nur konjunkturell, sondern strukturell begründet sei.

Fehler zulassen und Neues mutig ausprobieren

„Mit Trippelschritten kommen wir nicht weiter. Es braucht einen großen Wurf und den Mut zur Veränderung. Wir müssen gesamtgesellschaftlich akzeptieren, dass nicht alles zu hundert Prozent regelbar ist. Wir müssen von unserem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis ein Stück weit Abstand nehmen, Fehler zulassen, Neues mutig ausprobieren und nicht immer gleich nach einem Schuldigen rufen.“

Aufgaben und Kosten kritisch durchleuchten

Michael Foss, Bürgermeister von Forchtenberg und Chef des Hohenloher Kreisverbands des Gemeindetags Baden-Württemberg, erklärt: „Der Koalitionsvertrag enthält in Bezug auf die Kommunen die richtigen Ansätze. Positiv ist, dass die angespannte Lage der Kommunalfinanzen ausdrücklich benannt wird und erkannt ist, dass es hierfür tragfähige Lösungen braucht. Wie diese konkret aussehen sollen, bleibt jedoch offen.“ Es müsse dringend geklärt werden. „Es braucht jetzt entschlossenes, wirksames Handeln.“ Aufgaben und Kosten müssten kritisch durchleuchtet werden. „Der Staat muss die Frage beantworten, was er noch leisten kann und was nicht mehr möglich ist.“

„Kommunen brauchen mehr Beinfreiheit“

Schwarz auf weiß versprochen werde: „Wer bestellt, bezahlt“. Es sei damit „erstmalig gelungen, das Konnexitätsprinzip in einem Koalitionsvertrag auf Bundesebene zu verankern“. Das sei ein „entscheidender Erfolg, wenn er umgesetzt und gelebt wird“, so Foss. 

Die Kommunen bräuchten mehr Beinfreiheit – durch „auskömmliche Finanzen“. Entscheidend sei, dass der Gesetzgeber mit ihnen gemeinsam neue Gesetze umsetze und sie einbeziehe. „Nicht gegen die Kommunen, sondern mit ihnen Politik machen, das würde ich mir wünschen. Dann werden auch wieder Maßnahmen messbar umgesetzt.“ Und die kommunale Förderung? Sei ein „Bürokratiemonster“. Weniger Förderprogramme und dafür mehr direkte Steuerzuweisungen an die Kommunen – „das wäre das Beste.“

ÖPNV und Katastrophenschutz

Auch konkrete Politikfelder werden im Koalitionsvertrag genannt. Die Stärkung des ÖPNV ist ganz im Sinne von Schölzel („für den ländlichen Raum unabdingbar“) und Foss („dauerhafte Finanzierung sicherstellen“). Gleiches gilt für den Zivil-, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz: „Die Kommunen tragen hier bereits einen hohen Anteil bei, so dass sie ein weiteres Leistungs- oder Kostenpaket in diesem Bereich nicht mehr stemmen könnten“, sagt Schölzel. Es sei wichtig, „den Warnmix zu komplettieren und den Flickenteppich zu beenden“. Das könne nur der Bund. Die Ausstattung sei erneuerungsbedürftig.

Kommunale Verwaltung voll digitalisieren

Die kommunale Verwaltung soll voll digitalisieren werden. „Inhaltlich klingen viele Ansätze charmant, allerdings sind das sehr komplexe Vorhaben, so dass nicht klar ist, ob, wie und wann das umgesetzt werden kann“, sagt Schölzel. „Allerdings muss es im Interesse aller liegen, sichtbare Fortschritte zu erzielen.“ Foss begrüßt den Ruf nach einem digitalen Bürgerkonto, auf dem alle staatlichen Leistungen vereint sind: „Ich hoffe, dass das so kommt.“

Das steht im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot

Den Kommunen ist im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ein eigenes Unterkapitel gewidmet. Es geht vor allem darum, diese Ebene zu entlasten. In der Ein leitung heißt es: „Die Lage der Kommunen ist ernst und spitzt sich finanziell zu. Insbesondere die Ausgaben für Personal, Bürokratie und Soziales treiben ihr Defizit an – sie steigen deutlich schneller als die Investitionsausgaben. Die Kommunen brauchen Handlungsperspektiven – sowohl finanziell als auch im Hinblick auf die Umsetzungsfähigkeit der ihnen übertragenen Aufgaben. Wir werden die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Kommunen verbessern. Kommunalpolitik muss schneller, einfacher und unbürokratischer werden können.“

Mit einem „Zukunftspakt von Bund, Ländern und Kommunen“ einhergehen soll eine „umfassende Aufgaben- und Kostenkritik“. Dann folgt die Versprechung, künftig konsequent nach dem Prinzip „Wer bestell, bezahlt“ handeln zu wollen: „Wer eine Leistung veranlasst oder ausweitet, muss für ihre Finanzierung aufkommen. Das heißt, wenn Bundesgesetze oder andere Maßnahmen des Bundes bei den Ländern und Kommunen zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen führen, muss sichergestellt werden, dass die Mittel bei der ausführenden Ebene ankommen.“ Die Kommunalfinanzen sollen „grundsätzlich und systematisch verbessert“ werden. „Wir wollen eine Verstetigung und Verlässlichkeit der kommunalen Einnahmen.“ Gleichzeitig soll die „Ausgaben-Dynamik durchbrochen“ werden. Verwaltungsverfahren sollen vereinfacht, Standards angepasst und Überregulierungen abgebaut werden. Die „Förderprogrammstruktur“ kommt ebenso auf den Prüfstand. Die Beantragung soll vereinfacht und die Nachweispflicht reduziert werden. „Dies muss künftig komplett digital erfolgen.“

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